Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Friedensbewegung im Niedergang"? / "Zehntausende bei diesjährigen Ostermärschen"

Die Medien finden schwer zu einem normalen Umgang mit der Friedensbewegung - Pressestimmen

"In Kassel zählte die Polizei am Sonntag 120 Demonstranten", berichtet die online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ.Net) am Ostermontag, den 13. April. Die Zeitung, hinter der angeblich ein kluger Kopf steckt, täuscht sich bzw. die Leser/innen mit diesem kurzen Satz gleich mehrfach. Erstens gab es am Sonntag in Kassel gar keinen Ostermarsch. Folglich können - zweitens - daran auch keine 120 Demonstranten teilgenommen haben. Drittens fand der Ostermarsch in Kassel am Montag statt. Und daran beteiligten sich - viertens - nicht "120 Demonstranten", sondern 600 (nach Auskunft der Polizei, die offenbar aber nur einen der zwei Demonstrationen "gezählt" haben kann, waren es "300").

Alle Organisatorinnen und Organisatoren von Ostermärschen machen ähnliche Erfahrungen mit der schreibenden Zunft. Es ist ein ewiges Zahlen-Hin-und-Her. Noch ärgerlicher als dieses Verwirrspiel im Kleinen ist der unseriöse Vergleich der Ostermarsch-Zahlen mit den großen Demonstrationen der Friedensbewegung 1982 und 1983, als über 300.000 Menschen in den Bonner Hofgarten strömten und amselben Tag zwischen Ulm und Stuttgart eine Menschenkette aus 100.000 Demonstranten gebildet wurde u.v.a.m. Die Absicht hinter diesen Vergleichen: Es soll offenbar der "Niedergang" der Friedensbewegung "bewiesen"werden. Nur: Diese Friedensdemonstrationen waren keine Ostermärsche, sondern aus bestimmten Anlässen heraus organisierte Großproteste. Die Ostermärsche vor 1981 und nach 1983 waren von der Größenordnung durchaus vergleichbar mit den Demonstrationen heute. In der zweiten Hälfte der 70er Jahre, waren an manchen Orten die Ostermärsche ganz eingeschlafen gewesen. Erst der NATO-Raketen-Beschluss vom 12.12.1979 hat die Friedensbewegung wieder in Schwung gebracht. Ähnliche Auf und Abs gab es 1991 (2. Golfkrieg), 2002 (nach 9/11) und 2003 (Irakkrieg). Wenn also wirklich Ostermärsche verglichen werden sollen, dann bitte auch nur Ostermärsche!

Im Folgenden dokumentieren wir eine Reihe von Presseberichten über die Ostermärsche 2009, die sich zum Teil an dem unseriösen Zahlenspiel beteiligen (gleich die erste Meldung von dpa schien den Ton für manche Medien vorgegeben zu haben), sich zum Teil aber auch - insbesondere bei Lokalausgaben der Zeitungen - um eine korrekte Berichterstattung bemühten.
Authentische Stimmen aus der Friedensbewegung haben wir hier dokumentiert:
Drei Erklärungen aus der Friedensbewegung zum Abschluss der Ostermärsche.

Im einzelnen folgen Berichte aus:

Immer weniger Zulauf für Ostermarsch-Bewegung

Ulrich Steinkohl, dpa

Bonn am 10. Oktober 1981: Zehntausende strömen mit Sonderzügen, Bussen und Autos in die Bundeshauptstadt. Am Ende stehen rund 300 000 Menschen - Pazifisten, Gewerkschafter, Politiker, Künstler, ganz normale Bürger - auf der Hofgartenwiese.

Sie eint eines: die Sorge um den Weltfrieden und die Angst vor einem Atomkrieg. Auf dem Podium sind prominente Redner versammelt: Heinrich Böll, Petra Kelly, Erhard Eppler, Heinrich Albertz und Uta Ranke- Heinemann. Die Witwe des ermordeten US-Bürgerrechtlers Martin Luther King, Coretta Scott King, ist ebenso gekommen wie der Sänger Harry Belafonte, der mit der Menge den Song «We shall overcome» anstimmt.

Es ist die erste Großkundgebung der westdeutschen Friedensbewegung - und es bleibt nicht die letzte. Schon im Jahr darauf versammeln sich am 10. Juni anlässlich des NATO-Gipfels in Bonn wieder 400 000 Menschen im Hofgarten. Und am 22. Oktober 1983 sind es sogar 500 000. Auch in anderen Städten gehen Hunderttausende gegen den NATO- Doppelbeschluss auf die Straße. Er sieht die Stationierung von Mittelstrecken-Atomwaffen vom Typ Pershing II und Cruise Missile in Westeuropa vor - als Reaktion darauf, dass die Sowjetunion in Osteuropa moderne SS-20-Mittelstreckenraketen in Stellung gebracht hat.

Und heute? Die Ostermärsche 2009 zeigen einen Niedergang der Friedensbewegung. 500 Teilnehmer zogen am Samstag durch Düsseldorf, in München zählte die Polizei 300 Ostermarschierer. In Berlin kamen zur Kundgebung an der Gedächtniskirche - auf einen Marsch wurde ganz verzichtet - laut Polizei 500, nach Zählung der Veranstalter rund 1000 Menschen. In Frankfurt/Main zählte die Polizei am Ostermontag 2500 Demonstranten, die Polizei allerdings nur 800. Wären nicht am Sonntag mehr als 10 000 Menschen im nördlichen Brandenburg gegen das «Bombodrom» auf die Straße gegangen, hätte das zentrale Ostermarsch- Büro am Montag kaum die Gesamtzahl von bundesweit «mehreren zehntausend Teilnehmern» verkünden können. Sie klingt aber auch so optimistisch hoch.

Am Wetter kann das geringe Interesse nicht gelegen haben, denn das war republikweit optimal für Ausflüge jeder Art. Für den Politologen Florian Hartleb von der Technischen Universität Chemnitz steht vielmehr fest, dass die Zeit der Ostermärsche vorbei ist. «Die Proteste haben die beste Zeit hinter sich.» Denn: «Das apokalyptische Szenario fehlt.» In der Tat ist die Welt vor allem in Europa wesentlich friedlicher geworden. NATO und Warschauer Pakt stehen sich nicht mehr hochgerüstet - konventionell und atomar - gegenüber wie im Kalten Krieg, der immer auch in einen heißen Konflikt ausarten konnte. Deutschland liegt nicht mehr an der Nahtstelle zwischen Ost und West.

«Die Angst vor dem Atomtod hat damals die Massen mobilisiert», sagt Hartleb. «Die Friedensbewegung ist heute sehr heterogen. Es gibt einen regelrechten Protestmix.» Für die Organisatoren sei es sehr schwer, so verschiedene Gruppen wie Pazifisten, Kommunisten, Globalisierungskritiker und Bundeswehrgegner unter einen Hut zu bekommen. «Jeder kocht sein eigenes Süppchen. Außerdem fehlt die emotionale Komponente Angst.» Diese können auch die letzten US- Atomsprengköpfe in Deutschland nicht schüren, die im Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz vermutet werden.

Nach Ostdeutschland hat die Ostermarschbewegung aus Sicht des Soziologen Dieter Rucht den Sprung ohnehin nie richtig geschafft. In der DDR habe es zwar eine kleine Friedensbewegung gegeben, die aber kaum öffentlich auftreten konnte. Und nach dem Mauerfall habe die Bewegung auch im Westen schon stagniert oder sei «im Niedergang begriffen» gewesen.

Immerhin ist die politische Debatte mit dem Vorstoß von US- Präsident Barack Obama für eine Welt ohne Atomwaffen wieder in Bewegung gekommen. Seine Vision kann aus Sicht des Grünen-Chefs Cem Özdemir auch der Friedensbewegung neuen Schwung geben. In Deutschland wachse eine neue Generation heran, die den Traum Obamas träumt, sagt er. «Und wenn keine Taten folgen, dann könnte es in den nächsten Jahren dazu führen, dass wieder mehr Menschen bei Ostermärschen auf die Straße gehen.» Özdemir ist zuversichtlich: «Man hat die Ostermärsche so oft totgesagt, ich bin mir aber sicher, dass sie ihren Platz in Deutschland behalten werden.»

Südwest-Presse, online, 13. April


Ostermärsche der Friedensbewegung

Für eine Welt ohne Atomwaffen

Mit Kundgebungen in rund 20 Städten hat die Friedensbewegung die Ostermärsche 2009 beendet. Laut Organisatoren beteiligten sich am Osterwochenende mehrere zehntausend Menschen an den Aktionen in bundesweit mehr als 70 Städten. Die Gesamtzahl der Teilnehmer habe über der des Vorjahres gelegen. Eine wichtige Rolle spielte bei den diesjährigen Demonstrationen die Initiative von US-Präsident Barack Obama zur atomaren Abrüstung. Allerdings sorgte der Afghanistan-Krieg auch für Kritik an Obama und der Bundeswehr. Friedensbewegung macht Druck

Zum Abschluss der diesjährigen Ostermärsche gingen in Dortmund, Frankfurt am Main, Hamburg, Chemnitz und Kassel erneut tausende Demonstranten auf die Straße. Mit Blick auf Obamas Abrüstungsinitiative verwies der Publizist Horst-Eberhard Richter in Frankfurt am Main darauf, dass der damalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow bereits 1987 die Vision einer atomwaffenfreien Welt bis zum Jahre 2000 formuliert habe. Ohne das Engagement der Friedensbewegung sei auf politische Ankündigungen von führenden Politikern kein Verlass, wie die Vergangenheit beweise.

Auch in Bayern gingen erneut tausende Friedensaktivisten auf die Straße. Sie demonstrierten ebenfalls für eine Welt ohne Atomwaffen. [mehr beim br] Anteil junger Teilnehmer steigt

An den traditionellen Ostermärschen beteiligten sich nach Angaben des zentralen Organisationsbüros in diesem Jahr wieder mehr junge Menschen. Den Initiativen sei es gelungen, mit ihren Aktionen vor Ort nahtlos an die Proteste vor einer Woche gegen den NATO-Gipfel in Straßburg anzuknüpfen.

Die Ostermarsch-Bewegung hat ihren Ursprung in den 1950er-Jahren in Großbritannien. Seither gehen jedes Jahr zu Ostern in verschiedenen Ländern Menschen auf die Straße, um für den Frieden zu demonstrieren. Der erste Ostermarsch in Deutschland fand 1960 statt. Nach einem zwischenzeitlichen Abflauen der Proteste erlebte die Ostermarsch-Bewegung in den 1980er-Jahren während der Debatte um die Nachrüstung der NATO einen weiteren Höhepunkt. In den vergangenen Jahren blieben die Teilnehmerzahlen jedoch stets deutlich hinter den damaligen zurück.

www.tagesschau.de, 13. April 2009


Mainz/Ramstein: Ostermarschierer demonstrieren für den Frieden

Bei den traditionellen Ostermärschen haben am Samstag im Land mehrere hundert Kriegsgegner auf ihr Anliegen aufmerksam gemacht. In Mainz zogen die Demonstranten unter dem Motto "Deutschland ist im Krieg. Für eine Welt ohne Krieg, Militär und Gewalt!" durch die Innenstadt.

Auf der anschließenden Kundgebung kritisierten Redner unter anderem den Bundeswehreinsatz in Afghanistan und die Auflagen für Demonstranten beim NATO-Gipfel in Straßburg. Der Vorstoß des US-Präsidenten Barack Obama für eine atomwaffenfreie Welt wurde als "sehr schöne Sache" gewürdigt. Wichtig sei jedoch, dass die Aussagen "nicht nur Lippenbekenntnisse" blieben.

Friedensreiter

In Ramstein-Miesenbach starteten die Ostermarschierer in der Nähe des US-Militärflughafens und wanderten zur Abschlusskundgebung ins nahe Landstuhl. An der Aktion unter dem Motto "Deutschland - Gefallen in Afghanistan - Wie schaffen wir ohne Waffen Frieden in Afghanistan?" nahmen auch Mitglieder der "Initiative Sickinger FriedenreiterInnen" teil, die mit ihren Pferden von Kaiserslautern-Einsiedlerhof nach Ramstein ritten.

www.tagesschau.de


Zehntausende bei diesjährigen Ostermärschen

Kein Krieg nirgends: Ostermarschierer

13. April 2009 An den diesjährigen Ostermärschen in über 70 Städten haben sich mehrere zehntausend Menschen beteiligt. Die Teilnehmerzahl an den traditionellen Veranstaltungen habe insgesamt über denen des Vorjahres gelegen, teilte das Ostermarschbüro am Montag in Frankfurt am Main mit. Eine wichtige Rolle spielte bei den diesjährigen Demonstrationen die Initiative von US-Präsident Barack Obama zur atomaren Abrüstung.

Allerdings sorgte der Afghanistan-Krieg auch für Kritik an Obama und der Bundeswehr. Am bundesweit größten Ostermarsch nahmen in Brandenburg nach Angaben der Veranstalter rund 10.000 Menschen teil. Sie protestierten am Sonntag in Fretzdorf gegen die Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide als Bombenabwurfplatz der Bundeswehr.

Proteste gegen Bombodrom

Zu dem Osterspaziergang nördlich von Berlin kamen viele Demonstranten, obwohl die Bundeswehr schon im März vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eine juristische Niederlage gegen die Nutzung des Bombodroms erlitten hatte. „Wir haben ja noch nicht endgültig gewonnen“, sagte ein Sprecher der Bürgerinitiative Freie Heide. „Wir kommen, so lange wir kommen müssen.“

Bereits am Samstag waren bundesweit mehrere tausend Menschen auf die Straßen gegangen, um für Abrüstung und eine atomwaffenfreie Welt zu demonstrieren. Ostermärsche und Kundgebungen fanden unter anderem in Berlin, Düsseldorf, Duisburg, München, Bremen, Oldenburg und Augsburg statt. Zum Abschluss der diesjährigen Ostermärsche gingen am Montag in Dortmund, Frankfurt am Main, Hamburg, Chemnitz und Kassel erneut tausende Demonstranten auf die Straße.

Mit Blick auf Obamas Abrüstungsinitiative verwies der Publizist Horst-Eberhard Richter in Frankfurt am Main darauf, dass bereits 1987 vom damaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow die Vision einer atomwaffenfreien Welt bis zum Jahre 2000 ausgesprochen worden sei. Ohne das Engagement der Friedensbewegung sei auf politische Ankündigungen von führenden Politikern kein Verlass, wie die Vergangenheit beweise.

Kritik an der Nato

Der Sprecher der bundesweiten Infostelle Ostermarsch 2009, Willi van Ooyen, verwies auf den Einfluss der Friedensbewegung, der auch für das Nein der Bevölkerungsmehrheit etwa zum Afghanistan-Krieg mitverantwortlich sei. Die Nato sei unter Missachtung des Völkerrechts zu einem weltweit agierenden Militärbündnis geworden.

Trotz des traditionellen Charakters der fast 60 Jahre alten Bewegung beteiligten sich zunehmend junge Menschen an den Aktionen, erklärte das Ostermarschbüro. Den Initiativen sei es gelungen, mit ihren örtlichen Aktivitäten nahtlos an die zentralen Aktionen vor einer Woche gegen den Nato-Gipfel in Straßburg anzuknüpfen.

Die Ostermarsch-Bewegung hat ihren Ursprung in den 1950er Jahren in Großbritannien. Seither gehen jedes Jahr zu Ostern in verschiedenen Ländern Zehntausende von Menschen auf die Straße, um für den Frieden zu demonstrieren. Der erste Ostermarsch in Deutschland fand 1960 statt. Nach einem Abflauen der Proteste wurde die Ostermarsch-Bewegung 1982 mit der Debatte über die Nachrüstung der Nato eine wiederbelebt.

Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), online, 13. April 2009


Insgesamt 1500 Ostermarschierer im Norden

Hamburg (dpa/lno) - Rund 1000 Demonstranten haben sich am Ostermontag am Hamburger Ostermarsch beteiligt und Flagge gezeigt für eine «Friedensstadt Hamburg». Bei der Abschlusskundgebung forderten Redner ein Ende des US-Militärengagements im Irak und den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Schon am Sonnabend hatten insgesamt rund 500 Menschen in Kiel und Wedel unter dem Motto «Kriege beenden - dem Frieden eine Chance! 60 Jahre Nato sind genug!» für den Frieden demonstriert. Alle Veranstaltungen verliefen laut Polizei friedlich und ohne besondere Ereignisse. Im Vergleich zu früheren Jahren war die Beteiligung gering.

Hamburger Abendblatt, (online) 13. April 2009


Koenigs kontra Ostermarschierer: Einsatz in Afghanistan richtig

Mehrere tausend Menschen haben an Ostern in Hessen gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr sowie die Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan demonstriert. An der Abschlussveranstaltung der Ostermarschierer auf dem Frankfurter Römerberg nahmen am Montag bei Schneeregen und niedrigen Temperaturen nach Angaben der Veranstalter etwa 2000 Menschen teil. Die Polizei sprach von einigen hundert. In Kassel gingen am Montag mehrere hundert Anhänger der Friedensbewegung auf die Straße. Die Polizei schätzte die Zahl auf 350, die Veranstalter auf 700.

Zuvor hatten sich schon am Karsamstag mehrere hundert Menschen an einem Ostermarsch gegen Krieg und Gewalt in Wiesbaden beteiligt. Die Polizei sprach von 200 Teilnehmern, das Ostermarschbüro in Frankfurt von 250 Demonstranten. Die Aktion richtete sich unter anderem gegen eine Verlegung des europäischen Hauptquartiers der amerikanischen Armee nach Wiesbaden. In mehreren hessischen Städten gab es zudem nach Angaben des Ostermarsch-Büros kleinere Mahnwachen. An der Auftaktveranstaltung der diesjährigen Ostermärsche in Hessen hatten am Freitag in Bruchköbel bei Hanau etwa 100 Menschen teilgenommen.

Koenigs verteidigt Einsatz in Afghanistan

Der frühere UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Tom Koenigs, verteidigte unterdessen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. „Wenn wir jetzt dort weggehen, liefern wir das Land einem weiteren Krieg mit Massakern aus. Dann würden die Warlords wieder untereinander Krieg führen mit unsäglichen Menschenrechtsverletzungen“, sagte Koenigs im Hessischen Rundfunk. Der Westen müsse jetzt vor allem die Polizei im Land unterstützen. Nur so könne ein Scheitern der NATO verhindert werden.

Der Sprecher des bundesweiten Ostermarsch-Büros in Frankfurt, Willi van Ooyen, der für die Linke im hessischen Landtag sitzt, sagte dagegen, die Bundesrepublik drohe immer tiefer im Sumpf des Afghanistan-Kriegs zu versinken.

Die internationale Tradition der Ostermärsche begann vor 50 Jahren in London. In Deutschland fanden die ersten Märsche 1960 statt. Seit dem Ende des Kalten Krieges ließ die Beteiligung an den Ostermärschen deutlich nach.

Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), online, 13. April 2009


Von Steinmeier nicht vereinnahmen lassen

Gemischte Bilanz der Ostermärsche 2009

Von Reimar Paul, Göttingen

Rund 75 Demonstrationen und Kundgebungen in ganz Deutschland, Teilnehmerzahlen wie in den Vorjahren oder sogar noch höher. Die lokale Bilanz der Friedensbewegung zu den diesjährigen Ostermärschen fällt durchwachsen aus: Von Resignation bis zu gestiegener Bedeutung reichen die Einschätzungen. An einigen Ostermärschen beteiligten sich nur einige Dutzend Kriegsgegner.

Mehrere hundert oder sogar mehr als 1000 Teilnehmer versammelten sich unter anderem in Berlin, Frankfurt am Main, München, im Rheinland und im Ruhrgebiet. In Köln starteten die »Motorradfahrer ohne Grenzen« zu einer Friedensfahrt, sie protestierten auch gegen die Einbindung der Post-Pakettochter DHL in die Bundeswehrlogistik. In Braunschweig waren Kriegsgegner mit Fahrrädern unterwegs. Im Eichsfeld trafen sich gestern Ostermarschierer aus Wehnde (Thüringen) und Duderstadt (Niedersachsen) zu einer Kundgebung an der früheren deutsch-deutschen Grenze.

»Viele Leute haben inzwischen resigniert«

In mehreren Städten blieben die Teilnehmerzahlen allerdings deutlich hinter den Erwartungen der Veranstalter zurück. So versammelten sich in Bremen nach Polizeiangaben gerade einmal 200 Ostermarschierer zur Auftaktkundgebung auf dem Ziegenmarkt. Er glaube, dass viele Leute inzwischen resigniert hätten. Nicht nur was die Friedenspolitik betreffe, sondern auch bezogen auf andere Bereiche, etwa die Finanzpolitik", sagte der wenig optimistische Mit-Organisator Hartmut Drewes vom Bremer Friedensforum dazu.

Die niedrige Beteiligung liege bestimmt nicht daran, dass die Leute die Kriege wollen." Umfragen zufolge lehne eine Mehrheit der Deutschen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ab. Auch in großen Städten wie Hannover oder Oldenburg stießen die österlichen Aufrufe in diesem Jahr nur auf wenig Resonanz.

Politischer Schwerpunkt der Ostermärsche war der Protest gegen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr und gegen die NATO als Kriegsbündnis. Im Mittelpunkt mehrerer Kundgebungen stand auch die Forderung nach Abschaffung aller Atomwaffen.

»Friedensbewegung hat an Relevanz gewonnen«

Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag sagte, die Ostermärsche seien »aus dem gesellschaftlichen Leben hierzulande nicht mehr wegzudenken«. Das Bonner Netzwerk Friedenskooperative erklärte, die Ostermärsche hätten unter anderem durch die von US-Präsident Barack Obama neu angestoßene Diskussion über eine atomwaffenfreie Welt an Relevanz und Resonanz gewonnen. Die jetzt erklärte Bereitschaft der Bundesregierung, mit den USA über das Thema der US-Bomben in Deutschland reden zu wollen, hinke den von der Friedensbewegung aufgezeigten Notwendigkeiten allerdings um viele Jahre hinterher". Nach offiziell nie bestätigten Informationen befinden sich auf dem Gelände eines Fliegerhorstes im rheinland-pfälzischen Büchel noch rund 20 US-Atombomben.

Erstaunt reagierte das Netzwerk auf die Äußerungen von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zu den diesjährigen Ostermärschen. Der Vizekanzler und sozialdemokratische Kanzlerkandidat hatte laut »Spiegel"« erklärt, er sehe nunmehr echte Chancen für eine atomwaffenfreie Welt.

Viele Aktive verbäten sich so durchsichtige Vereinnahmungen für Wahlkampfzwecke, sagte Netzwerk-Geschäftsführer Manfred Stenner. Steinmeier müsse schon zur Kenntnis nehmen, dass sich die Ostermärsche auch gegen die von ihm und der SPD getragene aggressive NATO-Strategie und den Krieg in Afghanistan wendeten – und in offenem Widerspruch zur Politik der Bundesregierung stünden.

Neues Deutschland, 14. April 2009


Ostermarsch Ruhr endet in Dortmund: 400 Menschen unterwegs

Von Claudia Picker

DORTMUND Hunderte Menschen kommen den Nordmarkt entlang. Lautes Trommeln begleitet sie. Ihre Botschaft für Dortmund lautet „Frieden“. Von der Möglichkeit einer waffenfreien Welt überzeugt, haben sich gestern etwa 400 Menschen bewusst für den Ostermarsch Ruhr entschieden.

Drei Tage dauert der Marsch. Seinen Abschluss findet er am Wichern-Haus in der Stollenstraße. Bis auf die Trommeln ist es ein eher stiller Zug. Familien, Jugendliche und viele ältere Menschen haben sich den Demonstranten auf der Etappe von Bochum nach Dortmund angeschlossen.

Hunderte Menschen flanieren währenddessen durch die Innenstadt; schlendern an den Schaufenstern vorbei. Es ist eine friedliche Szene. Allerdings nicht für jeden.

Gefahr größer, Demonstranten weniger

„Die Menschen haben resigniert“, sagt Bernhard Funke. Seine Meinung deckt sich mit der von anderen Ostermarsch-Teilnehmern: Für die Idee laufen zu wenig. Die Gefahr sei über die Jahre größer geworden, sagt Funke. „Aber die Demonstranten weniger.“

Tausende Friedensaktivisten wie in den 60er Jahren sind es längst nicht mehr. Doris Borowski kann sich noch an diese Zeiten erinnern. Ostermärsche haben sie als Studentin politisch geprägt. Heute sei die Bewegung ruhiger. Schlechter will Borowski sie nicht nennen.

Die Pflicht einer Generation

Auch Bernhard Funke würde das so nicht sagen. Trotzdem: Er wünscht sich mehr Resonanz. „Wir müssen was für die jüngere Generation tun“, sagt der 68-Jährige. Er sieht Abrüstung als die Pflicht seiner Generation an. „Wir haben den Wahnsinn schließlich angeschafft.“

Auch wenn der Ostermarsch bei der Bevölkerung präsenter sein könnte – Mitorganisator Willi Hoffmeister vom Dortmunder Friedensforum ist zufrieden. Der schlichte Grund: „Unser Marsch ist eine gute Sache“ – fällt ihm spontan ein traditionelles Friedenslied ein.

Ruhr Nachrichten (online), 14. April 2009


In Rüstung wird viel investiert

Martin Geist

Kiel - Etwa 250 Ostermarschierer haben am Sonnabend in Kiel darauf aufmerksam gemacht, dass der Frieden auch im Jahr 2009 ein bedrohtes Gut ist. „Kriege beenden - dem Frieden eine Chance“ hieß eine zentrale Forderung, die ebenso auf den Irak wie Afghanistan gemünzt war. „Militärisch sind überhaupt keine Krisen zu lösen“, betonte Benno Stahn vom Kieler Friedensforum. Einig war er sich mit dem großen Teil der übrigen Teilnehmer im vorsichtigen Wohlwollen für US-Präsident Obama. Dessen Vorschläge für Abrüstung und neue Dialoge gelte es, beim Wort zu nehmen.

Hauptredner Dr. Peter Strutynski setzte sich in seinem Auftritt auf dem Asmus-Bremer-Platz kritisch mit der NATO auseinander. Spätestens seit dem Ende des Warschauer Paktes sei für dieses Bündnis kein Platz mehr, meinte der Friedensforscher, für den die NATO ein Faktor der globalen Destabilisierung ist. Von weltweit 1,3 Billionen Dollar Rüstungsausgaben entfielen allein 900 Milliarden auf Nato-Mitgliedsländer. Dies treibe die Rüstungsinvestitionen der anderen Staaten nach oben, sodass derzeit so viel Geld für Militär ausgegeben werde „wie zur Hochzeit des kalten Krieges“.

Bundesweit gingen mehr als 20.000 Bürger in über 70 Orten während der Feiertage für den Frieden auf die Straße, etwa in Kassel, Offenbach und Darmstadt. Bei der mit Abstand größten Veranstaltung hatten am Sonntag mehr als 10.000 Menschen gegen einen geplanten Bombenabwurfplatz in Fretzdorf bei Wittstock demonstriert.

Kieler Nachrichten, 14. April 2009


"Bombodrom endlich abwracken"

Bürgerinitiativen fordern schnelle politische Entscheidung über Kyritzer Bombenabwurfplatz

Von Velten Schäfer, Fretzdorf


Der Widerstand gegen einen »Luft-Boden-Schießplatz« der NATO in Nordbrandenburg ist in der Region tief verankert. Erreicht die Bewegung nun die Bundespolitik?

Wiglaf Droste hätte wohl nicht gedacht, dass es ihn in seinem Leben noch auf einen Ostermarsch verschlagen könnte. Veranstaltungen, auf denen Tausende derselben Meinung sind, sich auf der Seite des Guten wissen und engagierten Liedern lauschen, sind dem bekannten Schriftsteller und Berufsbösewicht zutiefst suspekt – gehe es, worum es wolle. Doch hat es dieses Jahr der Zufall eingerichtet, dass Droste derzeit als Stadtschreiber im nahen Rheinsberg residiert. Da konnte er sich der Einladung zur inzwischen 17. Osterwanderung gegen das »Bombodrom« in der Kyritz-Wittstocker Heide kaum entziehen.

Dort tat Droste seine Arbeit: Er las den zehntausend Versammelten – besonders den Politikern – die Leviten. Es gebe Leute, ätzte er in Richtung Umweltverbände, denen das Bombardieren von Menschen egal sei, während sie sich um die Tiere im Wald sorgten. Die Sozialdemokraten, rief er dem Potsdamer Staatskanzleichef Clemens Appel (SPD) hinterher, seien »eine Friedenspartei im Frieden und eine Kriegspartei im Krieg«. Die Grünen, schrieb er Parteichef Cem Özdemir ins Stammbuch, hätten sich zum »moralischen Außenbordmotor der NATO« entwickelt. Und bei Politikern der Linkspartei wisse man nie, ob sie nicht direkt aus der Bild-Redaktion kämen. Schließlich werde die Partei vom »abgehalfterten Kolumnisten Oskar Lafontaine und dem Bild-Werbeträger Gregor Gysi« geleitet, spottete er in Richtung der Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Nur der Schweriner Bildungsminister Henry Tesch (CDU) kam ohne spezielle Würdigung davon. Doch konnte man ihm deutlich das Unbehagen ansehen, als Droste abschließend sein Gedicht über das Soldatentum vortrug, das mit der Aufforderung endet: »Mörder soll man Mörder nennen.«

Gerade unter den jüngeren Ostermarschierern kamen Drostes Lästerreden bestens an. Denn vor Zustimmung, Glückwünschen und Beifall können sich die Initiativen »Freie Heide«, »freier Himmel« und »Pro Heide«, die sich seit 1992 gegen die Wiederinbetriebnahme des einstigen Schießplatzes der UdSSR durch NATO-Flieger wehren, in letzter Zeit kaum noch retten. 2004 ist die Potsdamer Landesregierung offen ins Lager der Bombodrom-Gegner übergelaufen, im vergangenen Jahr zeigte sich mit Wirtschaftsminister Jürgen Seidel erstmals auch ein CDU-Minister aus Mecklenburg-Vorpommern. Dieses Jahr unterstrich der Schweriner Bischof Andreas von Maltzahn, dass sich die Synode der Mecklenburgischen Landeskirche geschlossen gegen das Bombodrom stelle; für Landräte und Kreistagspolitiker ist der Protest schon lange ein Pflichttermin. Je mehr sich die juristische Auseinandersetzung in Richtung der Initiativen neigt, steigt deren Popularität in der Politik. Erst kürzlich hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg der Bundeswehr bescheinigt, bei ihren Planungen keinerlei Rücksicht auf Mensch, Umwelt und Wirtschaft genommen zu haben und die Pläne für undurchführbar erklärt. Ob es ein Revisionsverfahren geben wird, ist offen. In der Region aber – und zunehmend auch auf Landesebene – gilt: Wer nicht gegen den »Luft-Boden-Schießplatz« ist, wird nicht gewählt.

Nun wollen die Bürgerinitiativen um den Fretzdorfer Pastor Benedikt Schirge ihre Popularität auch im Bundestagswahlkampf nutzen. Mit großen Buchstaben auf Pappschildern forderten sie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, noch vor der Wahl eine Entscheidung herbeizuführen. 27 Prozesse habe der Bund schon verloren, nun müsse Schluss sein: »Die Bundesregierung muss das Bombodrom endlich abwracken!«, rief Schirge unter großem Beifall. Bisher hatte die Kanzlerin kein Ohr für die Gegner des Bombodroms. Als Kandidatin hatte sie den Gegnern 2005 geschrieben, das Bombodrom sei »für die Luftwaffe unbestreitbar der bestgeeignete Übungsplatz in Deutschland« – und die Bundeswehr erfülle »in besonderer Weise« Umweltschutzauflagen und übe Selbstbeschränkung.

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau und Grünen-Chef Cem Özdemir riefen in kurzen Redebeiträgen zur atomaren Abrüstung auf, wobei sich Özdemir in fünf Minuten dreimal auf US-Präsident Barack Obama berief. »Wir brauchen kein Bombodrom für die NATO«, so Pau.

Auch der Potsdamer Staatskanzleichef Clemens Appel (SPD) und Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsminister Henry Tesch sprachen sich für eine sofortige Beerdigung der Bundeswehr-Pläne aus. Wofür hier aber geübt werden soll und wer das alles beschlossen hat – davon war von ihnen kein Wort zu hören.

Insofern hat Wiglaf Droste wieder einmal recht behalten.

Neues Deutschland, 14. April 2009


Forscher macht sich nicht nur zu Ostern für den Frieden stark

Präsenz zeigen und wachsam bleiben

Martin Geist


Kiel - Seine ersten Ostermärsche absolvierte er in den 60er Jahren. Und auch heute vergeht immer noch kein Osterfest, ohne dass Dr. Peter Strutynski nicht aufstehen und sich für die Sache des Friedens stark machen würde. Präsenz zeigen und wachsam bleiben, lautet seine Losung auch dann, wenn die Weltpolitik aus deutscher Sicht so entspannte Züge trägt, dass man sich zu Ostern eigentlich auf einen ganz normalen Spaziergang beschränken könnte.

Zum Irak-Krieg 2003 erlebte Berlin die größte Friedensdemonstration aller Zeiten. Ostern 2009 ist jedoch in der Hauptstadt und erst recht in Kiel kaum mehr als ein überschaubares Treffen der üblichen Abrüstungsverdächtigen. „Das macht nichts“, meint Peter Strutynski. „Ich bin keiner, der den alten Zeiten nachtrauert.“

Wirklich besser waren diese alten Zeiten aus Sicht des 63-Jährigen sowieso nie. In Massen ließen sich die Leute nach all seiner Demo-Erfahrung schon immer nur dann auf die Straße locken, wenn ein gehöriges Maß an persönlicher Betroffenheit mitschwang: „Das war Anfang der 80er bei der Nachrüstung so und auch vor sechs Jahren beim Irak-Krieg.“ Der Kern der Ostermarschierer übe stets eine Stellvertreter-Funktion für die sitzende Mehrheit aus. Um letztlich aber immer dann gewaltige Mobilisierungskräfte zu entwickeln, wenn wieder einmal ein sicherheitspolitisches Thema ganz unmittelbar an die Gemütslage der Leute heranschwappt.

Kontakt zur Friedensbewegung zu halten, ihre Fragen aufzunehmen und versuchen, wissenschaftliche Antworten darauf zu finden, so definiert der Sprecher des deutschlandweit bedeutsamen „Kasseler Friedensratschlags“ seine Arbeit. Diese Arbeit ist auch in diesen Zeiten alles andere als uninteressant. Gespannt vorfolgt Strutynski, wie US-Präsident Obama von einer Welt ohne Atomwaffen und vom Dialog mit den Feinden seines Vorgängers spricht. „Ich glaube an die Ernsthaftigkeit seiner Worte, aber was er tut, hängt nicht von ihm allein ab“, sagt Strutynski. Auch aus diesem Grund würde sich der Wissenschaftler trotz aller grundsätzlichen Gelassenheit freuen, wenn die Friedensbewegung bald mal wieder ein paar Leute mehr auf die Straße locken würde.

Kieler Nachrichten, 14. April 2009


300 Menschen auf dem Ostermarsch

Demonstranten setzen sich für zivile Nutzung der Colbitz-Letzlinger Heide ein

Stendal/dpa. Mit einem Ostermarsch in Stendal haben am Montag rund 300 Menschen für die zivile Nutzung der Colbitz- Letzlinger Heide mobil gemacht, in der sich ein Übungsplatz der Bundeswehr befindet. Gleichzeitig forderten sie, internationale Militäreinsätze der Bundeswehr zu stoppen und die NATO «abzuwracken». «Alle die glauben, man könne mit militärischen Mitteln die Probleme der Welt lösen, sind auf dem Holzweg», sagte der Sprecher der Bürgerinitiative «Offene Heide», Achim Spaeth. «Man sieht das im Irak und man sieht das in Afghanistan.» Spaeth ist auch Sprecher der Linkspartei in Sachsen-Anhalt.

Die Bürgerinitiative macht seit mehr als 15 Jahren jeden Monat mit «Friedenswegen» gegen die Präsenz der Bundeswehr in der Heide mobil. Die Bundeswehr nutzt etwa ein Drittel des 80 000 Hektar großen Gebietes und betreibt dort ein Gefechtsübungszentrum, in dem neben deutschen Soldaten auch Militärangehörige aus anderen Staaten trainieren. Scharf geschossen wird allerdings dank moderner Technik seit Jahren nicht nicht mehr. Früher wurde die nördlich von Magdeburg gelegene Heide bereits von der Wehrmacht und später jahrzehntelang von der Roten Armee für Übungszwecke genutzt.

Mitteldeutsche Zeitung (online), 13. April 2009


Tausende für freie Heide

Von Reimar Paul

Zufriedenheit, aber keine Euphorie: Die Bilanz der diesjährigen Ostermärsche fällt durchwachsen aus. An den insgesamt etwa 70 Friedensdemonstrationen beteiligten sich nach Schätzungen bundesweit bis zu 30000 Menschen. Mit 12000, ein gutes Drittel von ihnen, versammelte sich allein im nordbrandenburgischen Fretzdorf zur 17. Osterwanderung gegen den von der Bundeswehr geplanten Bombenabwurfplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide.

In der Kyritz-Ruppiner Heide will die Bundeswehr auf einem 14000 Hektar großen Areal an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern Tiefflüge trainieren und Übungsbomben abwerfen. Seit 17 Jahren kämpfen Anwohner, Tourismusbranche und Landesregierungen dagegen. Zuletzt hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg Ende März einen Ausbau des einstigen sowjetischen Truppenübungsplatzes zu Deutschlands größtem Luft-Boden-Schießplatz untersagt. Zu der Osterwanderung in Fretzdorf hatte wie in den Vorjahren die örtliche Bürgerinitiative »Freie Heide« aufgerufen. Unter den Teilnehmern war auch viel Politprominenz von der Linken bis zur CDU. Grünen-Chef Cem Özdemir rief die Bundesregierung zum Verzicht auf das sogenannte Bombodrom auf: »Herr Jung, geben Sie die Heide frei.« Ein Nachgeben des Verteidigungsministeriums »wäre kein Gesichtsverlust, sondern eine Akzeptanz der Realitäten«.

Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsminister Henry Tesch (CDU) sagte, »wir wollen kein Bombodrom, und Deutschland braucht es auch nicht.« Angesichts von mittlerweile 25 juristischen Niederlagen müsse der Bund endlich einen Schlußstrich unter die militärischen Pläne ziehen. Die Linksfraktion im brandenburgischen Landtag erklärte, es dürfe nicht noch mehr Zeit verstreichen, in der die Entwicklung der Region blockiert werde. Sie appellierte zudem an die Landesregierung, beim Bund auf die Freigabe der vorgesehenen 210 Millionen Euro für die Räumung der Munition in der Kyritz-Ruppiner Heide zu drängen.

Größere Ostermärsche mit bis zu oder sogar mehr als 1000 Teilnehmern gab es unter anderem in Frankfurt/Main, München, im Rheinland und im Ruhrgebiet. In Köln starteten die »Motorradfahrer ohne Grenzen« zu einer Friedensfahrt, sie protestierten auch gegen die Einbindung der Post-Pakettochter DHL in die Bundeswehrlogistik. In Braunschweig waren Kriegsgegner mit Fahrrädern unterwegs. Im Eichsfeld trafen sich gestern Ostermarschierer aus Wehnde (Thüringen) und Duderstadt (Niedersachsen) zu einer Kundgebung an der früheren deutsch-deutschen Grenze.

Politischer Schwerpunkt der Ostermärsche war der Protest gegen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr und gegen die NATO als Kriegsbündnis. Im Mittelpunkt mehrerer Kundgebungen stand auch die Forderung nach Abschaffung aller Atomwaffen. Die Ostermärsche hätten unter anderem durch die von US-Präsident Barack Obama neu angestoßene Diskussion über eine atomwaffenfreie Welt an Relevanz und Resonanz gewonnen, konstatierte das Bonner Netzwerk Friedenskooperative. Die jetzt erklärte Bereitschaft der Bundesregierung, mit den USA über das Thema der US-Bomben in Deutschland reden zu wollen, hinke den von der Friedensbewegung aufgezeigten Notwendigkeiten allerdings »um viele Jahre hinterher«. Nach offiziell nie bestätigten Informationen befinden sich auf dem Gelände eines Fliegerhorstes im rheinland-pfälzischen Büchel noch rund 20 US-Atombomben.

junge Welt, 14. April 2009


Ostermarsch: «Frieden braucht mehr Bewegung«

700 Teilnehmer in Nürnberg - Protest gegen große Radaranlage

NÜRNBERG - «Frieden braucht Bewegung« – unter diesem Motto setzten sich am Ostermontag 700 Friedensaktivisten in Bewegung und nahmen am Ostermarsch in Nürnberg teil. Ihre Kritik richtete sich vor allem an dem militärischen Engagement der Nato und der Bundeswehr, vor allem in Afghanistan.

Die weiteste Anreise hatte sicher Josef Halá. Er kommt aus dem tschechischen Jince. Der Bürgermeister ist Sprecher 14 weiterer Kollegen in der Region. Sie alle eint die Ablehnung einer geplanten Radarstation der Amerikaner. Sie soll das Raketenabwehrschild steuern, das von Polen aus potentielle (Atom-)Raketen aus Iran und Nordkorea abfangen soll.

Stargast auf Friedensveranstaltungen

Mit seiner Gegnerschaft zu diesem US-Militärprojekt ist Halá so etwas wie ein Stargast auf Friedensveranstaltungen geworden. «Gegen den Willen der Bevölkerung soll die Radaranlage bei uns stationiert werden«, klagt der Bürgermeister. Da die nationale Regierung nicht auf Proteste reagiere, Briefe an und Gespräch mit US-Repräsentanten nicht fruchteten, tragen er und seine Kollegen den Ärger eben über die Landesgrenze.

Nur wenige Schritte vor Halá gehen beim Marsch vom Kopernikusplatz in der Südstadt vor die Hauptkundgebung an der Lorenzkirche Hans Negel und Bettina Lübeling. Sie tragen das Banner mit dem diesjährigen Motto. «Ich bin gefragt worden, ob ich es tragen möchte – und habe sofort zugesagt«, erklärt der 82-jährige Negel. Seit den Anfängen des Ostermarsches sei er dabei. Friede ist für ihn das Motiv, auch diesmal mitzugehen.Und was bedeutet für ihn Frieden? «Den anderen leben zu lassen, wie er es verdient und der Natur entsprechend.«

Friedensbewegung ist kein Selbstläufer

Hans Negel ist «traurig«, dass es weniger Mitstreiter werden. «Dabei dürfen wie in unserem Engagement nicht nachlassen«, fordert er. Frieden brauche noch mehr Bewegung. Damit entspricht der Einschätzung von Arno Weber, dem Organisator des Ostermarsches. «Das Motto ist bewusst gewählt«, betont er. Die Friedensbewegung sei kein Selbstläufer. Viele Menschen setzten Hoffnungen auf Barack Obama. «Ich freue mich, dass er mit dem Wunsch, Atomwaffen abzuschaffen, eine Ostermarsch-Forderung aufgreift. Doch es braucht dazu die Bewegung der Menschen und ihren Druck«, betont er.

Mit ihm hat die 30-jährige Bettina Lübeling den Marsch organisiert. Sie ist erst seit 2001 – nach dem 11. September – aktiv in der Friedensbewegung. «Dieser Tag und die Folgen haben mich politisiert«, erläutert sie ihr Engagement. Ein Flyer führte sie dann zu den Nürnberger Friedensaktivisten. Zum Protestmarsch trägt sie ihr T-Shirt mit dem Peace-Zeichen.

Hauptredner Jürgen Wagner von der «Informationsstelle Militarisierung« in Tübingen und Elke Winter vom Nürnberger Friedensforum beklagen, dass die Regierenden der Nato-Staaten ihre Bürger ignorierten. Eine Mehrheit lehne Auslandseinsätze der Bundeswehr ab. Doch zum 60. Geburtstag der Nato sei beschlossen worden, das Kontingent in Afghanistan aufzustocken und die Kampfeinsätze auszuweiten. Obama, so Wagner, sei nicht der «Friedensengel«, für den ihn viele hielten. Er treibe den Kollisionskurs des Westens voran. Das kann auch Josef Halá unterschreiben.

Andreas Franke

Nürnberger Nachrichten, 14. April 2009


Ostermärsche in Hessen

Protest auf dem Römerberg

Unten vor dem Historischen Museum steht ein Clown auf seinem Podest, er reagiert nicht, rührt sich nicht, er ist nicht witzig. Er mag auch den "Spartakist" nicht lesen, er lehnt nicht einmal ab, er steht einfach nur stumm da, das ist seine Nummer. Wären die Menschen wie dieser Clown, es gäbe keinen Ostermarsch. Der Clown macht alles falsch.

Oben auf dem Frankfurter Römerberg vereinigen sich derweil vier Protestzüge, die am Montagmorgen in Rödelheim, Niederrad, Eschersheim und Offenbach gestartet sind, um gegen Kriegs- und Besatzungspolitik, soziale Ungerechtigkeit, Atomwaffen und Armut zu demonstrieren. Die MLPD hat einen Stand aufgebaut und die DKP auch, der Freidenker-Verband verteilt Handzettel.

Horst-Eberhard Richter, einer der Vordenker der Friedensbewegung, tritt auf die Bühne. Richter, in zwei Wochen 86, will erst mal dieses Missverständnis ausräumen, jetzt, da es Obama gebe, müsse man ja nicht mehr zum Ostermarsch gehen. "Eine atomwaffenfreie Welt", ruft Richter, "ist nicht eine Sache von Verträgen, da geht es um einen radikalen geistigen und sozialen Wandel, um die Friedensfähigkeit der Menschen". Der neue US-Präsident stärke Hoffnung, sei "aber kein Erlöser".

Ostermärsche

In mehr als 70 Städten gingen mehrere zehntausend Menschen auf die Straße. Die Teilnehmerzahl an den traditionellen Veranstaltungen habe insgesamt über denen des Vorjahres gelegen, teilte das Ostermarschbüro am Montag in Frankfurt am Main mit.

Eine wichtige Rolle spielte bei den diesjährigen Demonstrationen die Initiative von US-Präsident Barack Obama zur atomaren Abrüstung. Allerdings sorgte der Afghanistan-Krieg auch für Kritik an Obama und der Bundeswehr.

Kundgebungen fanden unter anderem in Berlin, Düsseldorf, Duisburg, München, Bremen, Oldenburg, Dortmund, Hamburg, Chemnitz und Augsburg statt.

In Hessen gab es weitere Demonstrationen etwa in Erbach und in Mainz.Die Organisatoren des "Mainz-Wiesbadener Ostermarschs" zählten 200 Teilnehmer – 100 weniger als erwartet. Unter dem Motto "Deutschland ist im Krieg. Für eine Welt ohne Krieg, Militär und Gewalt" zogen die Friedensbewegten mit Transparenten durch die Stadt.

Die Ostermarsch-Bewegung hat ihren Ursprung in den 1950er Jahren in Großbritannien. Seither gehen jedes Jahr zu Ostern in verschiedenen Ländern Zehntausende von Menschen auf die Straße, um für den Frieden zu demonstrieren. Der erste Ostermarsch in Deutschland fand 1960 statt. Die Bewegung fand 1982 mit der Debatte über die NATO-Nachrüstung Zulauf.

Über Obama spricht Richter dennoch viel. Um der atomaren Abschreckung wie der weltweiten Finanzkrise, die im Schwund sozialer Verantwortung eine gemeinsame Wurzel hätten, beizukommen, brauche es ein "We can!" aller Menschen, sagt er. Im Augenblick sei die Chance da, "doch während Obama spricht, bleiben die Bundeskanzlerin und der Bundespräsident stur", sagt Richter: "Das finde ich beschämend."

Auf der Bühne wird derweil bekanntgegeben, dass insgesamt 2500 Menschen zur Abschlusskundgebung gekommen seien, die Polizei wird später von 800 Menschen sprechen.

Vor dem Kasseler Rathaus weist der Schauspieler Rolf Becker darauf hin, dass Deutschland in den vergangenen zehn Jahren mit Jugoslawien, Afghanistan, Irak und Gaza an vier Kriegen direkt oder indirekt beteiligt gewesen sei. Der Jugoslawienkrieg 1999 sei der "erste Angriffskrieg seit 1939" gewesen. Becker kritisiert, dass dem auch der Deutsche Gewerkschaftsbund zugestimmt habe. "Bis heute ist das in den Gewerkschaften nicht aufgearbeitet worden", sagt er am Montag vor rund 600 Demonstranten.

Am Freitag und Samstag hatten sich in Hessen bereits rund 300 Menschen an Ostermarsch-Aktionen beteiligt. 150 Teilnehmer nahmen laut Polizei am Samstag im südhessischen Michelstadt an einer Demonstration teil. Redner bei der Kundgebung war Willi van Ooyen, Fraktionschef der Linken im Landtag. "Wir wollen, dass die Militärausgaben spürbar verringert und die freiwerdenden Ressourcen zur Lösung der anwachsenden gesellschaftlichen Probleme aufgewandt werden", sagte er.

In Gießen war am Samstag laut dem Ostermarschbüro "eine kleine kreative Gruppe" am Werk. Die fünf Menschen hätten in der Fußgängerzone Theateraufführungen angeboten.

Frankfurter Rundschau, (online), 13. April 2009


Demo gegen den Krieg

Polizei geht von 300, Veranstalter von 600 Demonstranten aus

Kassel. Wenige Tage nach den Aktivitäten der Friedensbewegung beim Nato-Gipfel in Baden-Baden sind am Montag viele Hundert Menschen für den Truppenabbau in Afghanistan, die Auflösung der Nato und für Abrüstung friedlich auf die Straße geganen. Während die Veranstalter von 600 Teilnehmern sprachen, ging die Polizei von 300 aus.

Die Ostermarschierer waren in zwei Zügen durch die Nordstadt und durch den Vorderen Westen zur Abschlusskundgebung am Mittag zum Rathaus gekommen. Dort sprach als Hauptredner der 74-jährige Schauspieler Rolf Becker (Ver.di), der aus der Fernsehserie "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" einem breiten Publikum bekannt ist.

Der Hamburger verurteilte die Kriege in Jugoslawien, Afghanistan, Irak und zuletzt in Gaza. Die Kritik an der Regierung Israels habe aber nichts mit Antemitismus zu tun, betonte Becker. Waffenlieferungen an Israel und Palästina sollten sofort eingestellt werden.

Bezugnehmend auf die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise forderte Becker zu konkretem Widerstand auf. "Wir zahlen nicht für Eure Krise", rief er.

Stadtschülersprecherin Clara Schmidt-Schalles machte in ihrer Ansprache deutlich, dass Schule und Bildung für das Gleichgewicht zwischen Krieg und Frieden eine entscheidende Rolle spiele.

Am Rande der Veranstaltung hatte eine kleine Gruppe mit Israel-Fahnen gegen Antisemitismus demonstriert und sich für die Rechte Isreals eingesetzt. (bea)

Hessische Niedersächsische Allgemeine (HNA), 14. April 2009


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