Friedensbewegung kündigt "scharfe Gegenwehr zum außenpolitischen Kurs der Bundesregierung" an - Zivile Alternativen zu Bundeswehreinsätzen eingeklagt
Ostermärsche starten am fünften Jahrestag des Irakkrieges - Pressemitteilungen des Bundesausschusses Friedensratschlag und des Netzwerks Friedenskooperation im Wortlaut
Ostermärsche 2008: Friedensbewegung nimmt Bundesregierung ins Visier
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag-
Truppen raus aus Afghanistan
- Irakkrieg: US-Stützpunkte in Deutschland schließen
- Menschenrechte sind unteilbar: nicht nur in Tibet, sondern auch im
Nahen Osten
- NATO auflösen und EU-Militarisierung stoppen
- Abrüstung statt Sozialabbau
Kassel, 19. März 2008 - Scharfe Gegenwehr zum außenpolitischen Kurs der
Bundesregierung hat die Friedensbewegung anlässlich der bevorstehenden
Ostermärsche angekündigt. Für den Bundesausschuss Friedensratschlag,
einem breiten Bündnis basisorientierter Friedensorganisationen und
-initiativen, nahm dessen Sprecher, Peter Strutynski, Stellung zu den
Schwerpunkten und Perspektiven des Protestes.
Sieht man sich die zahlreichen Aufrufe zu den diesjährigen Ostermärschen
an, so sticht die Beschäftigung mit dem Afghanistankrieg hervor. Fast
alle der über 70 Osteraktionen, die vom Donnerstag bis Ostermontag im
ganzen Land begangen werden, fordern von der Bundesregierung einen
bedingungslosen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und stattdessen
eine drastische Aufstockung der Mittel für den zivilen Aufbau.
Geschichte und Gegenwart des Konfliktherdes Afghanistan zeigen, dass nur
ein Abzug der ausländischen Truppen Chancen für eine friedlichere
Entwicklung der Region bieten. Gegen diese Erkenntnis verschließt sich
die Bundesregierung und schickt stattdessen eine zusätzliche
Kampfeinheit nach Afghanistan. Die vielen zivilen Hilfsorganisationen,
die seit Jahr und Tag darum bitten, dass sie ihre humanitäre Arbeit
unabhängig vom Militär tun dürfen, werden von der weiteren Anheizung der
Kämpfe genauso negativ getroffen wie die afghanische Bevölkerung.
Demgegenüber bleibt der Irakkrieg - trotz des "kleinen Jubiläums" (5
Jahre) - bei den Ostermärschen unterbelichtet. Dies hat nichts damit zu
tun, dass die Friedensbewegung ihren "Frieden mit diesem Krieg
geschlossen" hätte. Ganz im Gegenteil: Die Ablehnung des Irakkriegs
bleibt Grundbestandteil jeglicher Friedensarbeit. Der Protest gegen den
völkerrechtswidrigen Krieg, gegen Terror, Folter und Gewalt, gegen die
Entmündigung eines ganzen Volkes durch ein brutales Besatzungsregime
findet aber vor allem in den Ländern statt, die auch Truppen in
nennenswerter Zahl in den Irak geschickt haben. Mit den
Friedensbewegungen dieser Länder, insbesondere in den USA und
Großbritannien ist die deutsche Friedensbewegung solidarisch und
insofern auch aktiv verbunden, als von deutschem Boden US-Kampf- und
Transportflugzeuge starten, um ihre tödliche Fracht in den Irak zu
transportieren. Die Nichtteilnahme der rot-grünen Bundesregierung am
Irakkrieg war eine halbe Sache. Eine ganze Sache würde erst daraus, wenn
die US-Stützpunkte in Deutschland geschlossen und den
Irak-Kriegsteilnehmern keine Überflugrechte mehr erteilt würden. Auch
dafür muss der Widerstand in Deutschland noch stärker werden.
Die Bundesregierung ist auch unglaubwürdig im
israelisch-palästinensischen Konflikt. 60 Jahre Israel zu feiern, ist
auch nur die halbe Wahrheit. Wer dabei das Schicksal der Palästinenser
vergisst, die seit eben so vielen Jahren im Exil oder unter Besatzung
leben und denen ein lebensfähiger souveräner Staat an der Seite Israels
seit Jahren vorenthalten wird, macht sich zum Verbündeten der einen
Seite und faktisch zum Gegner der anderen Seite. Einen Friedensprozess
kann es im Nahen Osten nur geben, wenn alle Konfliktparteien
gleichberechtigt daran beteiligt werden. Terrorismus der einen Seite
kann nur aufhören, wenn der (Staats-)Terrorismus der anderen Seite
aufhört. Solidarität mit Israel kann nur funktionieren, wenn auch
Solidarität mit den Palästinensern geübt wird. Der Kanzlerin muss gesagt
werden: Menschenrechte sind unteilbar. Nicht nur in Tibet, sondern auch
im Nahen Osten! Eine besondere Bringschuld hat die Bundesregierung noch
zu erfüllen: Sie soll sofort die deutsche Marine von den Küsten Libanons
zurückrufen. Die hat dort weder etwas zu suchen noch zu tun. Das würde
in einem Jahr 185 Mio Euro einsparen.
In vielen Aufrufen zu den diesjährigen Ostermärschen finden sich
Forderungen nach Auflösung der NATO und nach einem Stopp der
Militarisierung der Europäischen Union. Der EU-Reformvertrag, der
demnächst vom Bundestag ratifiziert werden soll, ist in
sicherheitspolitischer Hinsicht keinen Deut besser als der gescheiterte
Verfassungsvertrag: Aufrüstungsverpflichtung, Teilnahme an
Militärinterventionen in aller Welt, Einrichtung der europäischen
Rüstungsagentur und Aufbau von Schlachtgruppen (Battle groups) sind nur
drei markante Pfeiler dessen, was wir "Militarisierung" der EU nennen.
Und die Bundesregierung der Großkoalitionäre ist treibende Kraft dieser
Entwicklung, die aus der so erfolgreichen Wirtschaftsunion eine
Militärunion machen wird. Die Friedensbewegung will nicht nur keine neue
Militärunion, sie möchte auch den Austritt aus dem alten Militärpakt
NATO. Dessen Existenzberechtigung war doch spätestens mit der Auflösung
des Warschauer Paktes 1991 erloschen. Im völkerrechtswidrigen Krieg
gegen Jugoslawien 1999 hatte die NATO ihre bis dahin schlimmste
Visitenkarte vor der Welt abgegeben.
Acht Jahre nach der Verkündung der großartigen "Millenniumsziele" durch
die Generalversammlung der Vereinten Nationen stehen die Regierungen
dieser Welt, vor allem die der "reichen Staaten" vor dem
Offenbarungseid: Auf dem versprochenen Weg zur Halbierung von Hunger und
Armut bis zum Jahr 2015 sind wir - bei Halbzeit - noch keinen einzigen
Schritt weiter gekommen. Demgegenüber haben die weltweiten Militär- und
Rüstungsausgaben mit 1,3 Billionen US-Dollar einen neuen historischen
Höhepunkt erreicht. Und in mancher Beziehung deuten sich neue
Rüstungswettläufe an (z.B. Raketenabwehr, Atomwaffentechnologie,
Militärtransportkapazitäten). Der Verteidigungsetat der Bundesregierung
ist dieses Jahr gestiegen und soll im nächsten Jahr weiter ansteigen.
Demgegenüber gibt es faktische Nullrunden für Rentner, werden
Hartz-IV-Empfänger real immer ärmer und wird die Gesundheitsvorsorge ein
immer teureres Luxusgut. Mit ihrem Slogan "Abrüstung statt Sozialabbau"
stellt sich die Friedensbewegung auch an Ostern an die Seite der anderen
sozialen Bewegungen und fordert die Gewerkschaften auf, ihren
sozialpolitischen Forderungen noch mehr Nachdruck zu verleihen.
Entnehmen Sie bitte weitere Informationen über die einzelnen
Ostermärsche der Seite des bundesweiten Ostermarschbüros (mit einer
aktivierbaren kartografischen Übersicht):
www.ostermarsch.info. Beim Ostermarschbüro (Tel. 069/24245590) erhalten Sie während der Ostertage auch Auskunft über besondere Vorkommnisse und über die
Beteiligung an den Aktionen.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
PM: Ostermärsche starten / Nahost-Frieden durch Dialog mit allen
17. März 2008
Ostermärsche starten am fünften Jahrestag des Irakkrieges
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50 Jahre nach dem ersten Ostermarsch ist atomare Abrüstung
immer noch wichtiges Thema
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Initiativen propagieren zivile Alternativen zu Bundeswehreinsätzen
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Israel muss mit allen Konfliktbeteiligten reden
Die Ostermärsche der Friedensbewegung wenden sich gegen den
Militäreinsatz in Afghanistan sowie den inzwischen fünfjährigen
Krieg im Irak und fordern eine Wende in der Nahost-Politik für eine
Friedenslösung zwischen Palästinensern und Israelis.
Zu den deutsch-israelischen Regierungskonsultationen erinnert das
Netzwerk Friedenskooperative an die humanitär unhaltbare Situation
der Menschen im Gazastreifen und fordert die Bundesregierung auf,
sich für die Einbeziehung aller Konfliktparteien incl. von Hamas und
Hisbollah in einen Friedensdialog einzusetzen sowie für eine
umfassende "Konferenz für Frieden und Zusammenarbeit im Nahen und
Mittleren Osten", an der z.B. auch Syrien und Iran beteiligt sein
müssten. Die von der Regierung für den Sommer angebotene Konferenz
in der Bundesrepublik unter Einbeziehung einiger arabischer Staaten
könne diese Aufgabe nicht leisten und sei "vergebene Liebesmüh",
betont der Geschäftsführer des Netzwerks, Manfred Stenner.
"Dauerhafte Sicherheit für Israel ist nur durch Verständigung und
Interessensausgleich mit den Nachbarn zu erreichen".
Am Gründonnerstag starten die Ostermärsche mit Mahnwachen und
Kundgebungen zum fünften Jahrestag des Irakkriegs. Am 20. März 2003
hatten die US-Truppen und ihre Alliierten den Angriff begonnen, der
in kurzer Zeit zum Sturz des Diktators und früherem US-Verbündeten
Saddam Hussein führte – nicht aber zur versprochenen demokratischen
Entwicklung und Befriedung der Region.
Die Friedensinitiativen erinnern an die gigantischen Lügen zur
Begründung des Krieges und die erschreckende Bilanz der letzten fünf
Jahre mit mehr als 150.000 Toten, hunderttausenden Flüchtlingen und
Vertriebener, Ausplünderung des Landes durch US-Konzerne und
Erstarkung statt Eindämmung des Terrorismus. In Heidelberg findet
dazu eine 24stündige Mahnwache vor dem US-Hauptquartier statt,
weitere Veranstaltungen u.a. in Erfurt, Gammertingen, Suhl und
Tübingen.
Mehr als 70 weitere Ostermarsch-Aktionen folgen bis zu den
Abschlusskundgebungen am Ostermontag. Im Mittelpunkt steht die
Forderung nach einer Friedenslösung für Afghanistan, für die der
Abzug der ausländischen Truppen nach Meinung der
Friedensorganisationen Voraussetzung ist. Propagiert wird ein Ersatz
der militärischen Mittel durch massive Anstrengungen der zivilen
Konfliktbearbeitung und vielen Aufbau-Projekten in enger Kooperation
mit der einheimischen Bevölkerung. Organisationen der
Friedensbewegung starten mit den Ostermärschen die
Unterschriftensammlung für eine gemeinsame Petition an den
Bundestag, das Afghanistan-Mandat der Bundeswehr im kommenden Herbst
nicht zu verlängern.
Am Samstag startet der traditionsreiche dreitägige Ostermarsch Ruhr
von Duisburg nach Dortmund. Die Rheinländer demonstrieren in der
Landeshauptstadt Düsseldorf. Ostermarsch-Demonstrationen gibt es am
Samstag in allen Regionen Deutschlands, in Kiel wie in Bremen, in
Hannover, Leipzig, Rostock, Oldenburg und München, in Saarbrücken
wie Stuttgart oder Wiesbaden und vielen anderen Orten.
Auch das NATO-Hauptquartier in Brüssel bekommt Besuch
internationaler Friedensaktivisten, die unter dem Motto "Nato Game
over" dort eindringen und die Schließung fordern wollen.
Der seit etlichen Jahren größte Ostermarsch führt wieder am
Ostersonntag vom brandenburgischen Fretzdorf in die FREIeHEIDe, dem
umstrittenen Bombodrom der Bundeswehr. Auch in Ohrdruf in der Nähe
von Gotha geht es um Protest gegen den dortigen Truppenübungsplatz.
Ebenfalls am Sonntag treffen sich Ostermarschierer in Frankfurt/Oder
und in Köln veranstalten die "MotorradfahrerInnen ohne Grenzen" eine
Ostermarsch-Motorradtour zur Bundeswehrkaserne Köln-Wahn, während im
Ruhrgebiet die Etappe Essen/Bochum stattfindet.
Die größeren Abschlusskundgebungen finden am Ostermontag in Berlin,
Dortmund, Hamburg, Haldesleben (OM Sachsen-Anhalt), Frankfurt und
Kassel statt. Weitere Aktionen gibt es in Chemnitz, Eichsfeld,
Gummersbach, Havixbeck, Landshut, München/Garmisch, Müllheim,
Sassnitz, Siegen und Wittmund. Auch in Bern(CH) und Den Haag(NL)
finden Friedensdemonstrationen statt.
Die englische Campaign for Nuclear Disarmament erinnert in
Aldermaston an den ersten Ostermarsch der Atomwaffengegner an
gleicher Stelle vor 50 Jahren. Auch in der Bundesrepublik spielt das
ursprüngliche Thema "Atomwaffen" eine große Rolle. Die Gruppen der
Friedensbewegung fordern die vollständige Abrüstung der Atomwaffen
durch eine Nuklearwaffenkonvention in Anlehnung an das Verbot von B-
und C-Waffen. In Deutschland soll das letzte Atomwaffenlager im
Fliegerhorst Büchel (Eifel) geschlossen und die "nukleare Teilhabe"
der Bundesrepublik beendet werden.
Das Netzwerk Friedenskooperative würdigt die fünfzigjährige
Geschichte der Ostermärsche: "Die damals völlig neue ungewöhnliche
Aktionsform führte in der Bundesrepublik zur ersten ,neuen sozialen
Bewegung´ und außerparlamentarischen Opposition und ist bis heute
lebendige Tradition für viele der aktiven Friedensinitiativen – seit
den neunziger Jahren gerade auch in den neuen Bundesländern."
Manfred Stenner
Geschäftsführer des Netzwerk Friedenskooperative
P.S.: Über das Büro der Friedenskooperative erhalten Sie Kontakt zu
möglichen InterviewpartnerInnen, "Veteranen" der Bewegung,
RednerInnen der verschiedenen Kundgebungen oder anderen Expertinnen
und Experten zu den hier angesprochenen Themen.
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