Doppelte Solidarität: Mit Israel und mit Palästina!
Reinhard Frankl (GEW) auf dem Osetrmarsch 2002 in Aschaffenburg
Wer in unseren Breiten Kritik an der Politik Israels äußert, muss damit
rechnen, umgehend in die antisemitische Ecke gestellt zu werden. Daher
jetzt mein Präventivschlag:
Nichts liegt mir ferner als Antisemitismus, wer mich kennt, weiß das,
zumal
ein Teil meiner Familie väterlicherseits selbst in Konzentrationslagern
der
Nazis ermordet wurde. Ich habe über zwei Jahre für ein
israelisch-amerikanisches IT-Unternehmen gearbeitet und war mehrmals zu
mehrwöchigen Trainingsaufenthalten in Haifa. Ich habe Land und Leute
schätzen gelernt und kann nachfühlen, warum so viele Völker so gerne in
diesem herrlichen Land leben. Die ewige Keule des Holocaust als
Instrument gegen Kritiker der zionistischen Aggression in Palästina kann
mich nicht treffen.
Ich differenziere aber sehr wohl zwischen
-
dem Judentum. Es ist für mich in erster Linie eine
Religionsgemeinschaft, die als solche zu respektieren ist und die
außerdem
eine tragende Säule unserer Kultur darstellt.
- dem israelischen Volk. Es ist wie ich meine, durch das ständige
Schaffen von Fakten der dritten von mir zu nennenden Größe, in diesem
Raum in dieser Zahl entstanden und hat Rechte wie jedes andere Volk,
nicht weniger aber auch nicht mehr.
- dem Zionismus. Die Völkergemeinschaft hat schon mehrmals
versucht ihn offiziell als Spielart von Rassismus einzuordnen: auf der
UNO-Generalversammlung am 11. November 1975 und erst wieder im
letzten Jahr auf der Rassismus-Konferenz in Südafrika. Alle Versuche
sind
letztlich an der zionistischen Lobby der Vereinigten Staaten
gescheitert.
Für mich bleibt Zionismus Rassismus. An ihm setzt meine Kritik an. Was
wir von ihm zu erwarten haben, zeigt folgendes Zitat:
"Wenn man ein Land kolonisieren will, in dem bereits Menschen leben,
muss man eine Garnison für dieses Land beschaffen oder einen Wohltäter
finden, der an seiner Stelle die Garnison stellt ... Der Zionismus ist
ein
Siedler-Abenteuer, und daher steht und fällt er mit der Frage von
Waffengewalt". (Zeev Jabotinsky, Führer der "Revisionisten", Vater der
Cheruth-Partei, Lehrer Menachem Begins)
Dieses Zitat stammt so aus einem Referat "Palästina im Brennpunkt des
Nahost-Konflikts", das ich 1991 auf einer Mitgliederversammlung der GEW
gehalten habe. Es war mir zufällig in den letzten Sommerferien in die
Hände
gefallen und ich habe es auf ein neues Datenformat gebracht. Ich stellte
dabei fest, dass sich in den vergangenen 10 Jahre viel ereignet hatte an
Initiativen, Konferenzen, Beschlüssen, Verträgen, Plänen usw. Geändert
an
der Lage des palästinensischen Volkes hatte sich nichts. Doch, Scharon
war an die Macht gekommen. Der Schlächter von Sabra und Schatila. Ein
Kämpfer aus der Tradition der alten zionistischen Terrorgruppen Irgun
und
"Stern Gruppe". Ich weiß, dass es natürlich langweilt, diese alte
gewundene
Geschichte der zionistischen Landnahme durchzuhecheln. Nur so viel: An
der elenden Lage des palästinensischen Volkes hat sich prinzipiell bis
heute
nicht viel geändert. Es gibt viele palästinensische Menschen, die über
50
Jahre alt sind und nichts anders kennen gelernt haben als Deportation,
Flucht, Lager und tägliche Demütigung durch die nackte Gewalt einer
Armee, die sich überheblich für die Armee des auserwählten Volkes Gottes
hält.
Was mich an der ganzen Geschichte so ärgert, ist die Einseitigkeit.
Wer vom Existenzrecht Israels spricht, muss auch den Palästinensern das
selbe einräumen. Wer die Sicherheit der Israelis bedroht sieht, muss sich fragen lassen,
wie es um die Sicherheit der palästinensischen Bevölkerung steht.
Wer sich für das Rückkehrrecht z.B. russischer Juden in ihr verheißenes
Land einsetzt, muss auch den vertriebenen PalästinenserInnen die
Rückkehr nach 50-jähriger Vertreibung ermöglichen ...
und so könnte man diese Gegenüberstellung fortführen.
Keiner von uns kann und will den tatsächlichen palästinensischen
Terrorismus, der in erster Linie von den islamisch-fundamentalistischen
Gruppen Dschihad und Hamas ausgeht, beschönigen. Ganz im Gegenteil!
Wir sollten aber daran denken, dass es die zionistischen Geheimdienste
Shin Beit und Mossad waren, die diesen fundamentalistischen und
gewalttätigen Gruppen in den 80er Jahren halfen, im Westjordanland
einzusickern, zu einer Zeit, als kein Palästinenser auch nur mit einem
Taschenmesser bewaffnet die Grenze hätte überschreiten können. Man
wollte Arafat und seine PLO weiter schwächen, die damals vor der ersten
Intifada als "gemäßigte Kraft" allerdings einen schweren Stand hatte.
Das
Ergebnis hat man nun.
Als noch am 11. September US-Präsidents Bush seinen neuen Krieg
"gegen den Terrorismus" ausrief, sah sich Scharon in seiner Politik der
eisernen Faust ermuntert. Während der Rest der Welt noch im
Schockzustand war, nutze Scharon die Lage schamlos und eiskalt aus.
Krieg gegen Terrorismus, war das nicht schon immer seine Propaganda? -
Die Ketten seiner Panzer rasselten in Gaza und Dschenin und mich
schauerte es bei dem Gedanken an mein altes Referat. Die weitere
Eskalation nahm ihren Lauf. Die diplomatischen Bemühungen kamen nur
zögerlich nach:
Am 12. März 2002 hat der UN-Sicherheitsrat eine Resolution
verabschiedet,
die zum ersten Mal nach über 50 Jahren die "Vision" von zwei Staaten,
einem israelischen und einem palästinensischen Staat, erwähnt. Zusammen
mit den nach wie vor gültigen Sicherheitsratsresolutionen 242 (1967) und
338 (1973), in denen vor allem der Rückzug Israels aus den besetzten
Gebieten gefordert wird, könnte der neueste Vorschlag des saudischen
Kronprinzen Abdullah Grundlage für ernsthafte Verhandlungen sein.
Von unserer Regierung erwarten wir mehr diplomatischen Druck auf Israel,
eine friedensorientierte Politik einzuschlagen. Gerade als deutsche
Friedensbewegung, die sich ihrer besonderen Verantwortung in diesem
Konflikt bewusst ist - war es nicht der Holocaust, der erst der
zionistischen
Landnahme das entsprechende Momentum gab? - gerade als deutsche
Friedensbewegung stehen wir in der Pflicht einer doppelten Solidarität:
Wir
akzeptieren das Existenzrecht Israels und setzen uns für die Lebens- und
Menschenrechte und die staatliche Unabhängigkeit der Palästinenser ein.
Wer Hass unter den Palästinensern besiegen will, muss den Menschen
geben, was ihnen zusteht: Land und Frieden.
Die Friedensbewegung darf nicht schweigen, wenn das Menschenrecht auf
Leben von israelischem Militär und von palästinensischen Attentätern
zerstört wird.
Schluss mit dem Zustand "weder Krieg noch Frieden", der im Nahen Osten
schon seit Jahrzehnten aufrecht erhalten wird und nur der politischen
Einflussnahme großer Mächte in diesen ressourcenreichen Raum dient.
Friede zwischen Israel und Palästina bedeutet auch Friede für uns!
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