Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Ab Dezember 2003

Friedensbewegung in den Medien

Am Heiligabend erschienen im "Neuen Deutschland" zwei Artikel, die sich mit der Friedensbewegung befassten. Der eine fasste eine Jahresabschluss-Presseerklärung des "Friedensratschlags" zusammen:

Zum Jahresende hat der Bundesausschuss Friedensratschlag in Kassel eine zwiespältige Bilanz gezogen. Einerseits sei 2003 "eine Katastrophe" gewesen, weil der gegen den Willen der Vereinten Nationen und fast aller Staaten geführte Angriffskrieg gegen Irak nicht verhindert werden konnte, sagte der Sprecher des Bundesausschusses, Peter Strutynski, am Dienstag. Andererseits habe sich die Friedensbewegung weltweit mit den größten Massenaktionen seit langem zurückgemeldet.
Auch im kommenden Jahr werde der Kampf um "eine grundsätzliche Abkehr von der sich ausbreitenden internationalen Kriegspolitik" weitergehen. Dabei sollen neben Aktionen gegen die Militarisierung der europäischen Außenpolitik und der Beteiligung an den Protesten gegen Sozialabbau auch das Engagement für die Abrüstung in der Bundesrepublik im Mittelpunkt stehen. "Wir wollen mit der Abrüstung bei uns anfangen", so Strutynski.
Aus: ND 24.12.2003

Der andere Artikel besteht aus einem Interview mit Paul Russmann, dem Sprecher der ökumenischen Aktion "Ohne Rüstung Leben" (ORL), aus dem wir ein paar Passagen zitieren:

(...) Seine Organisation gehört zu den Friedensverbänden, die den undotierten Kritikerpreis "Das Schwarze Schaf" vergeben. Heute erhält Bundeskanzler Schröder den Preis.
ND: Sie verleihen das "Schwarze Schaf" an Bundeskanzler Schröder. In diesem Jahr hat sich der Bundeskanzler für viele Themen das "Schwarze Schaf" verdient. Für welchen Grund haben Sie sich eigentlich entschieden?
Russmann: Von uns bekommt er ein schwarzes Schaf für seine besonders skandalösen Verdienste um die Aufhebung des Waffenembargos und die Lieferung militärisch nutzbarer Atomanlagen nach China.
In der rot-grünen Koalition gibt es angeblich noch Streit wegen des China-Exports. Denken Sie, dass die Grünen die Lieferung noch stoppen werden?
Es kommt darauf an, wen von den Grünen Sie meinen. Die höheren Funktionäre der Grünen werden sich wohl dem Diktat der Wirtschaft beugen, was den Export der Atomanlage betrifft. Zum Problem Waffenembargo halten sich die Spitzen der Grünen noch bedeckt. Fällt das Embargo, müssten sie die Koalition eigentlich verlassen, wenn sie noch einigermaßen glaubwürdig bleiben wollen.
(...)
Können Sie sich noch an Bonner Zeiten erinnern, als die Opposition als Gegengewicht zur Regierung gepriesen wurde?
Ja, das gab es. Die Grünen sind auch auf diesem Weg angetreten. Das ist allerdings schon gleich zu Anfang sehr skeptisch gesehen worden. Der Friedensforscher Dr. Wolfgang Sternstein prophezeite damals, dass sich die Grünen im parlamentarischen System zu einer stinknormalen Partei wandeln. Sie würden ihre Oppositionsrolle nicht durchhalten, weil die Pfründe der Macht locken.
Hat sich seit dem Amtsantritt der SPD-geführten Regierung der Rüstungsexport grundsätzlich gewandelt?
Es gab kleine Fortschritte. Beispielsweise als es darum ging, jedes Jahr einen Rüstungsexportbericht zu veröffentlichen oder den Handel mit Kleinwaffen stärker zu kontrollieren. Da sind auch G3-Gewehre verschrottet worden. Solche Projekte wurden den Grünen zugestanden. Andererseits hören wir von gewichtigen Stimmen aus der Wirtschaft, dass sich unter der jetzigen Regierung Rüstungsexporte sogar leichter verwirklichen lassen als unter der Kohl-Regierung.
(...)
Wer hat den Kritikerpreis "Schwarzes Schaf" der Kampagne gegen Rüstungsexporte bereits bekommen?
Unter anderem der DaimlerChrysler-Chef Schrempp und der frühere Außenminister Kinkel.
Aus: ND 24.12.2003

***

Am 24. Dezember (Heiligabend) erscheinen in der Frankfurter Rundschau und im Neuen Deutschland große Anzeigen, die auf eine Initiative vom 10. Friedenspolitischen Ratschlag Anfang Dezember zurückgehen. Der Text der Anzeige, der von über 600 Personen und Organisationen (meist Friedensinitiativen) unterzeichnet ist, lautet:

Abrüstung statt Sozialabbau!
Wir verlangen eine grundsätzliche Abkehr von der sich ausbreitenden internationalen Kriegspolitik. Wir wehren uns gegen den Ausbau der Bundeswehr zur weltweiten Interventionsarmee. Wir brauchen weder Marschflugkörper, Streubomben, Eurofighter noch Korvetten. Wir wollen mit Abrüstung bei uns anfangen.
Wir unterstützen die Aktivitäten der Friedensbewegung:
  • den beim Europäischen Sozialforum beschlossenen Aktionstag am 20. März 2004 für den Rückzug der Besatzungstruppen aus dem Irak und für die Durchsetzung eines gerechten und dauerhaften Friedens in Nahost
  • die Aktionswoche vom 20. bis zum 27. März 2004 für Frieden und soziale Gerechtigkeit
  • einen europäischen Aktionstag gegen Sozialabbau gemeinsam mit den Gewerkschaften und den sozialen Bewegungen
  • die Initiativen für ein anderes Europa am 9. Mai 2004 - gegen den Ausbau der Europäischen Union zu einer weltweiten militärischen Interventionsmacht und gegen eine Verfassung, die zur Aufrüstung verpflichtet.
Unterstützt den Appell an die Bundesregierung "Abrüstung statt Sozialabbau":
Wir verlangen eine drastische Reduzierung der Rüstung und die Streichung aller Rüstungsvorhaben, die für Auslandseinsätze der Bundeswehr vorgesehen sind. Die dadurch frei werdenden Mittel müssen für soziale Sicherung, zivile Arbeitsplätze, Bildung und Ausbildung sowie für den Erhalt einer lebenswerten Umwelt verwendet werden. Rüstung, militärische Intervention und Sozialabbau verschärfen Konflikte, statt ihre Ursachen zu bekämpfen.

(Es folgen über 600 Unterzeichner/innen)

Frankfurter Rundschau, 24.12.2003; Neues Deutschland (ohne Namen der Unterzeichner/innen), 24.12.2003

***

Von einem Berliner Aktionstreffen, auf dem die Frühjahrsaktivitäten der Friedens- und anderer sozialen Bewegungen koordiniert werden sollten, berichtete die junge Welt am 18. Dezember. Dabei spielten vor allem der 20. März und der 3. April 2004 eine Rolle. Im Artikel heißt es dazu u.a.:

"Die Bewegung, die mit dem 1. November begonnen hat, darf nicht im Sande verlaufen." Mit diesem Appell eröffnete Jutta Kausch von der Initiative "Künstlerinnen und Künstler gegen den Krieg" am Dienstag ein Treffen von mehr als 120 Gewerkschaftern, Globalisierungskritikern, Aktivisten der Friedensbewegung, Studierenden und Erwerbslosen im Haus des Berliner DGB. Sie alle eint das Bestreben, die Vernetzung der vielen Protestinitiativen und -bündnisse, die sich in den letzten Wochen und Monaten zusammengefunden haben, voranzutreiben. (...)
(...) "Der 20. März wird nicht nur ein Antikriegstag sein, denn Krieg und Sozialabbau hängen zusammen", stellte Laura von Wimmersperg, Moderatorin der Berliner Friedenskoordination, klar. Der Kasseler Friedensratschlag plant an diesem Tag dezentrale Aktionen. Die Gewerkschaften wollen dem Vernehmen nach am 3. oder 4. April zu einer bundesweiten Großdemonstration aufrufen (...)
Aus: junge Welt, 18.12.2003

***

Am 14. Dezember fand in Berlin die Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille statt. Preisträgerin war u.a. die Bürgerinitiative "FREIeHEIDe" (vgl. hierzu die Rede von Annemarie Friedrich und andere Reden. Eine entsprechende dpa-Meldung fand überregionale Beachtung, in der taz allerdings nur unter "Lokales":

Die diesjährige Carl-von-Ossietzky-Medaille hat die Bürgerinitiative "Freie Heide" und die Historikerin und Publizistin Gerit von Leitner erhalten. Zur Begründung betonte die Internationale Liga für Menschenrechte, die Bürgerinitiative wehre sich seit mehr als zehn Jahren gegen die militärische Nutzung des "Bombodroms" in der Kyritz-Ruppiner Heide in Nordbrandenburg. Das Gelände wird von der Nato für Bombenabwurfübungen beansprucht. Die Historikerin Leitner appelliere an die Verantwortlichkeit von Naturwissenschaftlern und Technikern, "sich der Arbeit zur Vorbereitung der Kriegführung zu verweigern". Die undotierte Auszeichnung wird an Personen oder Gruppen verliehen, die sich um die Verteidigung der Menschenrechte besonders verdient gemacht haben.
Aus taz Berlin lokal, 15.12.2003

***

Sogar der Wiener Standard berichtete in seiner Online-Ausgabe am 8. Dezember über den Friedensratschlag u.a.:

Kassel - Die USA halten im Irak Gefangene nach Ansicht des ehemaligen UN-Diplomaten Hans von Sponeck unter ähnlich fragwürdigen Bedingungen fest wie die Terrorverdächtigten auf dem kubanischen Stützpunkt Guantánamo. "Es gibt ein irakisches Guantánamo", sagte der ehemalige Leiter des UN-Hilfsprogramms "Öl für Lebensmittel" im Irak am Sonntag auf einer Tagung der Friedensbewegung in Kassel. In dem Gefangenenlager am Flughafen Bagdad sei unter anderem der ehemalige irakische Außenminister Tarek Aziz in gesundheitlich schlechtem Zustand inhaftiert.
Die Europäer warnte von Sponeck vor einer Militärpräsenz im Irak. Stattdessen sollten für den Irak eine Volksvertretung nach afghanischem Vorbild bestimmt und ein Zeitpunkt zum Abzug der Besatzungstruppen erwogen werden. Der Wiederaufbau des Landes solle unter irakischer Leitung geschehen, wobei die UN allenfalls die Rolle eines Koordinators übernehmen müssten.
Den Vereinten Nationen warf von Sponeck vor, die irakische Bevölkerung jahrelang in Stich gelassen zu haben. "Es gab unter denen, die die Macht in der Hand hatten, keinen politischen Willen für breit angelegte Hilfe." Aus Protest gegen die schädlichen Folgen des UN-Embargos gegen den Irak hatte der Diplomat sein Amt im Februar 2000 niedergelegt; er hat nach eigenen Angaben aber weiterhin Kontakte zum Irak.
Auf ihrem "Friedensratschlag" in Kassel äußerte die Friedensbewegung die Sorge vor weiteren Präventivkriegen nach dem Vorbild des US-Einmarsches im Irak. Das Vorgehen der Amerikaner könne anderen Ländern als Vorbild dienen, trotz der aktuellen Probleme der Besatzungstruppen. Es drohe eine Rückkehr zu Zuständen, die mit dem modernen Völkerrecht eigentlich hätten überwunden sein sollen. (APA/dpa)
Der Standard (Online-Ausgabe), 8.12.2003

***

Uwe Reinecke berichtete am 9. Dezember über den Friedensratschlag in der "jungen Welt" (Titel: "Eine bittere Bilanz") u.a.:

(...) »Wohl noch nie seit dem ersten Ratschlag 1994 war die Jahresbilanz so düster.« So leitete Peter Strutynski, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, die Tagung ein. Trotz des millionenfachen weltweiten Protests habe der Irak-Krieg nicht verhindert werden können.
Diese bittere Bilanz führte den Friedensratschlag aber nicht zu Resignation, sondern ganz im Gegenteil zu einem selbstbewußten Aufbruch. Vier wesentliche Betätigungsfelder werden der Friedensbewegung für die nächste Zeit vorgeschlagen.
Zur Aufarbeitung des Irak-Krieges soll ein internationales Tribunal »von unten« eingerichtet werden. Mehrere Stühle für die Angeklagten stehen bereit. Referent Hans von Sponeck, ehemaliger UN-Beauftragter des Irak-Projekts »Öl für Nahrungsmittel«, denkt dabei speziell an George W. Bush, Tony Blair und Saddam Hussein.
Die Kampagne »Abrüstung statt Sozialabbau« soll verstärkt weitergeführt und dadurch der Schulterschluß mit den Gewerkschaften und den globalisierungskritischen Gruppen effektiver gestaltet werden.
Die Proteste gegen die 40. »NATO-Sicherheitskonferenz« im Februar 2004 in München werden eine weitere Aufgabe der Friedensbewegung sein. Zehntausendfach will man sich den »NATO-Kriegsplanern« entgegenstellen, so das klare Bekenntnis aus Kassel.
Als roter Faden zog sich das Thema der EU-Verfassung durch die Konferenz. Der vom EU-Konvent im Sommer dieses Jahres vorgelegte Entwurf wurde einmütig abgelehnt, denn dieser Text schreibt die langjährige Militarisierung der EU fest und erhebt diese in Verfassungsrang. In Artikel I 40 Absatz 3 heißt es unmißverständlich: »Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.« Wenn die EU-Verfassung wie geplant am 9. Mai 2004 in Rom unterzeichnet wird, ist in den dann 25 EU-Staaten innerhalb der nächsten zwei Jahre mit der Ratifizierung zu rechnen. Dies hätte zur Folge, daß das Grundgesetz nachrangig würde. Deutlicher ausgedrückt hieße das, daß das Verbot der Vorbereitung eines Angriffskrieges (Art. 26 GG) und der Verteidigungsauftrag an deutsche Streitkräfte (Art. 87a GG) durch die neue EU-Verfassung obsolet würden, da »Out of area-Kampfeinsätze« in der EU-Verfassung gebilligt würden. Die Teilnehmer beschlossen eine Erklärung »Gegen diese EU-Verfassung – für ein Europa, das sich dem Krieg verweigert«. In ihr wird gefordert, daß »ein neuer Verfassungsentwurf auf breiter gesellschaftlicher Basis unter Einschluß sozialer, emanzipatorischer Bewegungen« erarbeitet wird.
Aus: junge Welt, 9.12.2003

***

Unter der Überschrift "Friedensbewegung warnt EU" schreibt Gundula Zeitz in der Frankfurter Rundschau über den Friedensratschlag:

Die Europäische Union darf nicht zu einer "weltweiten militärischen Interventionsmacht" ausgeweitet werden. Dies haben die 350 Teilnehmer des zehnten "friedenspolitischen Ratschlags" am Wochenende in Kassel in ihrer Abschlusserklärung gefordert.
Es habe den Anschein, als würden sich in Europa jene Kräfte durchsetzen, "die davon träumen, eine neue Weltmacht aus der Taufe zu heben, die in allen Belangen, auch militärisch, mit den USA auf gleicher Augenhöhe verhandelt", kritisierte der Sprecher des Bundesausschuss Friedensratschlag, Peter Strutynski. "Wir halten das für einen gefährlichen Holzweg", so der Wissenschaftler an der Universität Kassel. Die Militarisierung der EU zerstöre die Grundlagen einer "Vision vom sozialen Europa, einer Zivilmacht, die sich durch wirtschaftliche, soziale, kulturelle und wissenschaftliche Beziehungen in aller Welt Freunde schafft", anstatt in fremden Ländern mit schnellen Eingreiftruppen zu drohen.
Der vorliegende Entwurf für eine EU-Verfassung enthält Strutynsky zufolge einen "skandalösen Passus", nach dem sich die Mitgliedstaaten verpflichteten, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Diese Aufrüstungsverpflichtung sei "einzigartig in der europäischen Verfassungsgeschichte". Ausgerechnet Rot-Grün abe "an vorderster Front" die Militarisierung der EU vorangetrieben. Die Friedensbewegung lehne diese Verfassung ab.
Die Teilnehmer sprachen sich für "Abrüstung statt Sozialabbau" aus. Sie forderten eine drastische Reduzierung der Rüstungsausgaben und die Streichung aller Rüstungsvorhaben, die für Auslandseinsätze der Bundeswehr vorgesehen seien.

Und als zusätzliche Information wird über den "Friedensratschlag" mitgeteilt:
Seit 1994 finden in Kassel im Dezember "Friedenspolitische Ratschläge" statt. Veranstalter dieser Konferenz, an der Friedenswissenschaftler, Politiker und Vertreter lokaler Friedensinitiativen aus dem gesamten Bundesgebiet, aber auch aus dem europäischen Ausland teilnehmen, sind die Arbeitsgruppe Friedensforschung an der Universität Kassel und der Bundesausschuss Friedensratschlag. In Vorträgen, Foren und Arbeitsgruppen werden aktuelle Probleme der internationalen Politik behandelt.

Frankfurter Rundschau, 8. Dezember 2003

***

Mit einem längeren Bericht wartete das "Neue Deutschland" auf. Peter Liebers schrieb unter dem Titel "Gegen organisierte Vergesslichkeit" u.a.:

(...) Das ablaufende Jahr war aus friedenspolitischer Sicht eine einzige Katastrophe – so lautet das bittere Fazit des Kasseler Politikwissenschaftlers Peter Strutynski. Vor über 300 Teilnehmern erklärte er beim Friedensratschlag in Kassel, es sei nicht der Irak-Krieg an sich, der ihn zu dieser Einschätzung veranlasse, sondern die Art und Weise seines Zustandekommens sowie die bereits erkennbaren und noch möglichen »tektonischen Verschiebungen der gegenwärtigen Weltordnung und im tradierten Völkerrecht«. Als Lichtblick wertete Strutynski die »sagenhafte Wiedergeburt der Friedensbewegung«, die zwar den Irak-Krieg nicht verhindern konnte, »aber die öffentliche Meinung auf ihre Seite ziehen und jene Regierungen in Bedrängnis bringen konnte, die sich für eine Komplizenschaft mit Bush und Blair entschieden haben«.

Arno Klönne aus Paderborn machte deutlich, dass die Krisenherde in der Welt durch machtpolitische Operationen von außen geschaffen wurden und werden. Letztlich gehe es dabei um die langfristige Durchsetzung der Wirtschaftsinteressen der USA-Konzerne. Klönne forderte in diesem Zusammenhang, der »organisierten Vergesslichkeit« zu widerstehen, räumte aber ein, dass es großer Anstrengungen bedarf, die Manipulierung der Menschen zu durchbrechen. Angesichts der globalen Verteilungskämpfe seien auch militärische Vorstöße Deutschlands in das geopolitische Terrain durchaus zu erwarten, warnte Klönne. Das von dem der USA abweichende Verhalten der rot-grünen Bundesregierung im Falle des Irak-Krieges sei schließlich nicht von hartnäckiger Friedensliebe, sondern von den eigenen macht- und wirtschaftspolitischen Zielen bestimmt gewesen. Die innenpolitischen Folgen des Bestrebens, Deutschland zu einem »wettbewerbsfähigen Standort der Militärpolitik« zu machen, seien Demokratieverlust und Sozialabbau. Das könne mit der rot-grünen Koalition am leichtesten bewerkstelligt werden. Keine andere Regierung hätte die Gewerkschaften beim Abbau der sozialen Sicherheit so leicht ruhig stellen können.

Die Mehrheit habe sich ohnehin schon in Resignation zurückgezogen, bestätigte ganz passend die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Eva-Maria Stange. Nur so sei es zu verstehen, dass Ankündigungen deutscher Unternehmen im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung Produktion in Billiglohnländer zu verlagern, keinen Aufschrei auslösten. Die selbstkritische Anmerkung, dass die Gewerkschaften diesen Aufschrei hätten organisieren müssen, blieb sie schuldig.
Eine Neudefinition der Außen- und Militärpolitik der EU forderte der Fraktionschef der Vereinigten Europäischen Linken im Europäischen Parlament, Francis Wurtz. Da beispielsweise die Stimmen Europas in der Weltbank die der USA überwiegen, bestehe durchaus die Chance, demokratischere und sozialere Regeln in der internationalen Politik durchzusetzen. Davon, wie weit das gelinge, hänge letztlich die internationale Sicherheit ab. Die könne es nicht geben, solange drei Milliarden Menschen in großer Armut leben und ein Sechstel der Menschheit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser habe. Die Parole müsse deshalb wie das Motto des Friedensratschlages lauten: »Abrüstung statt Sozialabbau.« Der Vertreter der griechischen Friedensbewegung, Iraklis Tsadaritis, rief dazu auf, die Friedensarbeit zwischen den einzelnen Ländern zu koordinieren. Das werde immer wichtiger, da die amerikanische »Präventivstrategie« die Grundsätze der UNO zerstöre. Tsadaritis kündigte für das kommende Jahr eine Friedensolympiade an, die in seinem Land parallel zu den Olympischen Sommerspielen in Athen organisiert werde und helfen solle, möglichst alle sozialen und Antikriegsbewegungen zusammenzuführen.

Neues Deutschland, 8. Dezember 2003

***

Auf der Dokumentationsseite der Frankfurter Rundschau wurden am 8. Dezember längere Auszüge aus den "Friedenspolitischen Richtlinien" der "Kooperation für den Frieden" veröffentlicht. Den Text in voller Länge finden Sie hier.


Zur Seite "Meldungen und Informationen über die Friedensbewegung"

Zur Seite "Friedensbewegung"

Zurück zur Homepage