Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Oktober/November 2003

Friedensbewegung in den Medien

Die amerikanische Friedensbewegung ist ins Visier des FBI geraten. Die Frankfurter Rundschau nimmt sich des Falls in einem Artikel auf Seite 1 an (Autor Dietmar Ostermann):

(...) Das Memorandum aus der Washingtoner FBI-Zentrale, das am 15. Oktober in rund 15 000 Polizeidienststellen landesweit einging, zeugt von viel Fleißarbeit. Detailliert werden darin zehn Tage vor geplanten Großdemonstrationen in Washington und San Francisco die "innovativen Strategien" der Friedensgruppen beschrieben. (...)
(...) In dem Memorandum forderte das FBI nun alle Polizeidienststellen in den USA zur "Wachsamkeit" auf. Alle "potenziell illegalen Aktivitäten" im Zusammenhang mit Friedensdemonstrationen sollten der Einsatzgruppe für Terrorabwehr des FBI gemeldet werden, heißt es laut New York Times in dem Schreiben. Gewarnt werde etwa vor improvisierten Bomben, aber auch vor Menschenketten. Ein FBI-Beamter wurde mit den Worten zitiert, man sei besorgt über die Möglichkeit, dass gegen die Regierung gerichtete Gruppen Demonstrationen nutzen könnten, um eine "gewalttätige Agenda" voranzutreiben. (...)
Aus: FR, 25. November 2003

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Wo Bush hinkommt, stellen sich auch Demonstranten ein. Dies war beim Staatsbesuch des US-Präsidenten beim engsten Kriegsverbündeten Großbritannien nicht viel anders. Die bunte Demonstration von Kriegsgegnern in London am 20. November geriet unter dem Eindruck zweier verheerender Attentate in Istanbul mit 27 Todesopfern in der Medienberichterstattung etwas in den Hintergrund. In manchen Zeitungen hielt sich hartnäckig das Gerücht, in London seien nur einige Zehntausend zusammengekommen (die Hessisch-Niedersächsische Allgemeine spricht von 25.000 und niemand weiß, woher diese Zahl stammt), Scotland Yard gab zunächst 70.000, später immerhin 110.000 bekannt und die Demonstranten wollten 200.000 gezählt haben. Die Süddeutsche Zeitung zieht es vor überhaupt keine Zahlen zu nennen; in einem größeren Bericht über die Reaktion Blairs und Bushs auf die Attentate von Istanbul ("Der eine gibt den Stählernen, der andere den Ungerührten", Seite 3) geht Stefan Klein auch auf die Demonstration ein:

(...) Längst nicht alle ziehen aus den Ereignissen in Istanbul dieselben Schlüsse wie der Regierungschef. Man muss nur dem Labour-Linken Jeremy Corbyn zuhören, wie er erklärt, dass seiner Meinung nach die Anschläge nur beweisen, dass der Krieg gegen den Terror das Problem nicht löst, sondern ganz im Gegenteil Osama bin Laden und seinen Gesinnungsgenossen immer mehr Freiwillige zutreibt. Es gibt viele, die so denken und auch bereit sind, dies zum Ausdruck zu bringen, jedenfalls am Donnerstagnachmittag, als sich im Zentrum von London ein beeindruckender Protestmarsch in Bewegung setzt. Er richtet sich vor allem gegen den Kriegstreiber Bush, der, als er in der Pressekonferenz darauf angesprochen wird, mit den Schultern zuckt und sagt: „Freiheit ist eine wunderbare Sache.“ (...)
Aus: SZ, 21.11.2003

Die taz kann sich auch nicht entscheiden und bietet eine Auswahl von Zahlen an. Dabei wundern die von der Polizei angeblich geschätzten 30.000. Die Nachrichtenticker zitierten Scotland Yard schon am späten Nachmittag mit 70.000. Immerhin ist der Protest in London der taz ein eigener Artikel wert. Darin heißt es u.a.:

(...) Zu der Massenkundgebung gegen Bush waren rund 100.000 Teilnehmer erwartet worden. Die Polizei schätzte die Zahl gestern auf 30.000 Teilnehmer, britische Medien sprachen von 75.000 Demonstranten, die Veranstalter nannten 200.000. (...)
Der Protestzug führte am Parlament und an Blairs Amtssitz vorbei zum Trafalgar Square. Dort wurde unter lauten "Buh"- Rufen eine sechs Meter hohe Bush-Statue aus Pappmaché enthüllt, die eine Raktete in den Händen hielt. Darauf stand "First Strike" - Erstschlag. "Bush und Blair haben den Krieg geplant und zuerst angegriffen", sagte ein Demonstrant, der seit Jahrzehnten Labour-Mitglied ist. "Kein Wunder, dass es Anschläge in Instanbul gibt." Die Demonstranten stürzten den Papp-Präsidenten später und sprangen jubelnd auf ihm herum. Die Aktion spielte auf den Sturz des Standbildes von Saddam Hussein durch US-Soldaten in Bagdad an. (...)
taz, 21.11.2003

In der Frankfurter Rundschau war man bemüht, in einem längeren Hintergrundbericht über den Staatsbesuch der Demonstration etwas mehr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Peter Nonnenmacher schreibt - ebenfalls auf Seite 3 - in seinem Beitrag "Der Widerhall der Bomben" u.a.:

(...) Verstärkte Ängste und die martialischen Reaktionen beider Regierungschefs angesichts der Bomben von Istanbul beinflussten sichtlich den Protestmarsch zehntausender friedlicher Demonstranten, die auf den gestrigen Tag eine Großkundgebung gegen Bush und den Irak-Krieg angesetzt hatten. Sie sahen sich in die Defensive gedrängt. Zwar wand sich im Laufe des Nachmittags noch immer eine stattliche Schlange durch die Stadt, über Westminster Bridge am Parlament und an Downing Street vorbei zum Trafalgar Square, wo die Demonstranten lärmend eine Bush-Statue vom Sockel hievten - in Anspielung auf den berühmten Sturz des Saddam-Hussein-Denkmals in Bagdad. Schüler und Studenten, Peaceniks, Moslems und verärgerte Bürger der älteren Generation winkten mit Bannern und Plakaten, auf denen der Name "Bush" mit einem grellen Blutfleck unterlegt war.
Aber Tony Blair hatte den Demonstranten bei seinem Auftritt mit dem US-Präsidenten bereits den Wind aus den Segeln zu nehmen gesucht, als er darauf bestand, dass es ein Zurückweichen vor "kaltblütigen Mördern" wie denen von Istanbul nicht geben dürfe - ein Appell an trotzige britische Instinkte, an den alten Bulldoggen-Charakter der Nation. Gefragt, ob dieser Anschlag nicht der britischen Verbindung mit den USA im Irak-Krieg gegolten habe, entgegnete er, der Anschlag habe "allen gegolten, die sich den Terroristen in den Weg stellen".
Im Demonstrationszug sah man die Sache anders - nämlich als verhängnisvolle Folge einer britisch-amerikanischen Politik, die nach Ansicht der Kriegsgegner mehr Terror produziert hat als sie hat verhindern können oder je verhindern wird. "Das war doch zu erwarten", meinten Teilnehmer der Kundgebung bitter. "Das haben uns Bush und Blair eingebrockt. Und nächstes Mal wird es uns hier in London treffen."
Aus: FR, 21. November 2001

"Very british" kommt The Guardian daher, wenn er die von den Organisatoren genannte Zahl ins Spiel bringt: Die 200.000 seien kaum zu wiederlegen, heißt es dort. Auszüge aus dem Artikel:

(...) The Stop the War Coalition, the Muslim Association of Great Britain and CND had predicted that more than 100,000 people would turn out to protest at the state visit of the president of the United States.
Yesterday the organisations claimed that more than 200,000 took part, and it was difficult to argue that they were wrong. Scotland Yard, however, gave an estimate of 70,000.
As the procession made its way down Holborn and over Waterloo bridge, the road was filled with banners and flags as far as the eye could see. (...)
When the front of the march arrived in Trafalgar Square there seemed to be several thousand protesters waiting to greet them. And, as the speeches started, the organisers claimed that the tail of the march was only just leaving the starting point in Malet Street.
"This is probably one of the largest demonstrations that London has ever seen on a weekday, it is massive," said Lindsay German, convener of the Stop the War Coalition.
At first George Bush gently rocked, then he began to sway, before finally the figure started toppling, slowly but inexorably on to the pavement below.
The symbolic end of the five-metre (17ft) tall effigy - a riposte to the pulling down of the statue of Saddam Hussein in Baghdad - brought the biggest cheer of the day: louder than the boos when the seemingly never ending procession made its way past Downing Street; bigger even than the shouts and whistles that rang out when Britain's sixth anti-war demonstration in a year began its snaking path through London to Trafalgar Square.
Yesterday was by far the biggest turnout since the million-plus march in February; along with the crowds, the anger and conviction were back with a vengeance. (...)
The Guardian, 21. November 2001

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Gegen die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Rahmen von "Enduring Freedom" protestierten verschiedene Gruppierungen der Friedensbewegung. Deren Argumentation findet sich zwar in so manchem skeptischen Kommentar wieder, die Berichterstattung in den Medien fand aber überwiegend unter Ausschluss der Friedensbewegung statt. Einige Ausnahmen gab es aber. So hieß es in der Internetzeitung www.ngo-online.de u.a.:


(...) Mit großer Mehrheit verlängerte der Bundestag in Berlin am Freitag das Mandat der Bundeswehr bis November 2004. Das Mandat sieht die Bereitstellung von bis zu 3100 Soldaten vor. Die FDP-Fraktion und die beiden PDS-Abgeordneten stimmten mit Nein. Aus der Friedensbewegung kam massive Kritik. Es gebe nicht einmal eine Bilanz über Erfolg und Misserfolg der Mission in den letzten zwei Jahren. Die durch den Beschluss massiv erhöhte Personalstärke von jetzt 3100 statt bisher 710 Mann lasse befürchten, dass die Regierung an Bundeswehreinsätze über die genannten Einsatzgebiete hinaus denkt, dies der Öffentlichkeit aber nicht mitteilen wolle.
"Es ist ein Armutszeugnis für die politische Kultur in der Bundesrepublik Deutschland, dass im Vorfeld dieser Entscheidung praktisch keine Diskussion über Sinn und Zweck des angeblichen Antiterroreinsatzes stattgefunden hat", kritisierte Jürgen Grässlin, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft DFG-VK. Dies bedeute einen weiteren Schritt der Entdemokratisierung in Deutschland. Die Entsendung deutscher Soldaten ins Ausland stelle zwangsläufig eine kriegerische Maßnahme dar, die nicht an der Öffentlichkeit vorbei beschlossen werden dürfe.
(...) "Wieso will die Bundesregierung dann ein Mandat für über 3000 Soldaten?", fragt Grässlin. Die Regierung erhalte so faktisch eine Generalvollmacht und damit freie Hand, 2400 Soldaten in weitere Kriegseinsätze zu schicken, ohne dafür auf eine ausdrückliche Zustimmung des Parlaments angewiesen zu sein. "Dieses Vorgehen soll offenbar vorwegnehmen, was mit dem geplanten Entsendegesetz angestrebt ist", prognostiziert Grässlin. Sowohl der bereits vor drei Wochen vorgestellte Entwurf des SPD-Abgeordneten Gernot Erler als auch der diese Woche präsentierte FDP-Entwurf ließen keinen Zweifel daran, dass mit dem Gesetz die Entscheidungsbefugnisse des Parlaments eingeschränkt werden sollen. (...)
Der Bundesausschuss Friedenratschlag nannte zudem den Haushaltsansatz "unseriös". Er beziehe sich nur auf 710 eingesetzte Soldaten. Aus welchen Haushaltstiteln die übrigen 2390 Soldaten finanziert werden, falls sie gebraucht werden, sei unklar. Die Beteiligung an "Enduring Freedom" kostet Deutschland nach derzeitiger Planung rund 3,1 Milliarden Euro. Laut Informationen der "Bild"-Zeitung nannte Staatssekretär Walter Kolbow diese Zahl dem Verteidigungsausschuss. Allein der Einsatz der Marine werde mit 1,8 Milliarden Euro veranschlagt.
www.ngo-online.de (14.11.2003)

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Und das "Neue Deutschland" berichtete über den Brief des "Friedensratschlags" an die Abgeordneten u.a.:

Die Friedensbewegung hat alle Abgeordneten der rot-grünen Regierungskoalition aufgefordert, am heutigen Freitag im Bundestag gegen die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Rahmen des Antiterrorkrieges um ein Jahr zu stimmen. In einem Brief des Bundesausschusses Friedensratschlag heißt es, den kriegskritischen Abgeordneten und der mehrheitlich kriegsunwilligen Bevölkerung werde die Verlängerung mit dem Argument schmackhaft gemacht, der Personalumfang würde sich um 800 Soldaten verringern. Da zur Zeit aber lediglich 300 Bundeswehrsoldaten im Rahmen von "Enduring Freedom" sowie 410 Soldaten im Rahmen der NATO im Mittelmeer eingesetzt seien, liefe der Beschluss auf mehr als eine Vervierfachung der aktuell eingesetzten Soldaten hinaus. (...) Der Friedensratschlag hegt den Verdacht, die Bundesregierung wolle sich mit ihrem Antrag eine "allgemeine Ermächtigung zum Krieg erschleichen". Damit würde sich das Parlament selbst entmachten. (...)
Aus: ND, 14.11.2003

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Ein weltweites Bündnis aus Friedensorganisationen und anderen NGOs (genauer: 85 Organisationen aus 42 Ländern) hat den Streubomben und vergleichbarer Munition den Kampf angesagt. Vorbild für das Bündnis: die Landminen-Kampagne Ende der 90er Jahre. Die Gründungsversammlung in Den Haag - sie fand wenige Tage vor einer UN-Sitzung in Genf zum selben Thema statt - fand ein breites Medienecho.

Mehr als 80 Nichtregierungsorganisationen aus aller Welt haben am Donnerstag eine Koalition gegen Streumunition gegründet. Zur in Den Haag gegründeten "Cluster Munition Coalition" (CMC) gehören nach eigenen Angaben die katholische Friedensbewegung Pax Christi sowie "Human Rights Watch" und "Handicap International". Ziel sei es, ein weltweites Verbot der Streumunition zu erreichen, mehr Mittel für die Opfer zu erhalten und die Staaten, die Streumunition einsetzten, zur Verantwortung bei der Räumung nach einem Konflikt heranzuziehen.
Durch nicht explodierte Sprengkörper entstehe große Gefahr für die Zivilbevölkerung. So seien allein in Irak seit Mai mindestens 1000 Kinder Opfer geworden.
Ab Montag wollen nach CMC-Angaben in Genf 90 UN-Staaten über ein Zusatzprotokoll zur UN-Waffenübereinkunft verhandeln, um zusätzlichen Schutz vor Blindgängern und Sprengkörpern zu erzielen.
Aus: Frankfurter Rundschau, 14.11.2003

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Zum Ausscheiden des Vorsitzenden der "Zentralstelle KDV", Ulrich Finckh, brachte die Frankfurter Rundschau ein großes Porträt auf Seite 3 (Autor: Pitt von Bebenburg). Insgesamt ein sympathisches Porträt des unermüdlichen Pazifisten. Ein paar Auszüge:

(...) Nach 32 Jahren gibt er den Vorsitz ab in der "Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen e.V.", kurz Zentralstelle KDV genannt. Seine Stellvertreterin Barbara Kramer soll ihm folgen. Hätte Finckh auf der anderen Seite Karriere gemacht, bei der Bundeswehr, dann wäre ihm das Brimborium eines "Großen Zapfenstreichs" sicher. Doch die Welt des Militärs ist nicht die des Pazifisten Finckh. Also ist es eine schlichte "Mitgliederversammlung", bei der er am Freitag verabschiedet wird. (...)
Finckh hat vor kurzem seinen 76. Geburtstag gefeiert. Vor zwölf Jahren ist der Vater von fünf Kindern als Bremer Gemeindepfarrer in Rente gegangen - aber nicht in den Ruhestand. Täglich war er im Büro der Zentralstelle anzutreffen oder für die Organisation unterwegs. Unermüdlich hat er Stellungnahmen verfasst, auf Tagungen seine kräftige Stimme erhoben, Einfluss genommen. (...)
Sein hartnäckiges Engagement hat einen ganz persönlichen Hintergrund. Mit 15 Jahren musste Ulrich Finckh, Jahrgang 1927, für Nazi-Deutschland in den Krieg ziehen. Erst wurde er als Luftwaffenhelfer "an die Front geschmissen", dann beorderte ihn die Marine nach Stralsund. 1945, kurz vor Kriegsende, geriet der junge Mann als Infanterist in amerikanische Gefangenschaft. Sein Anker war die evangelische Kirche, deren "illegale Pfarrer" aus dem Niemöller-Kreis ihm schon während der Nazizeit halfen, eine moralische Haltung zu festigen. Viel später notierte er: "Das Erleben von Unrecht und Krieg verpflichtet dazu, Krieg zu verhindern, und zwar nicht mit kriegerischen, sondern mit friedlichen und rechtlichen Mitteln." Das war das Versprechen des Ulrich Finckh.
(...) Acht Bundeswehrpiloten verweigerten im Jugoslawien-Krieg den Dienst, einer von ihnen wurde krank entlassen. Es war ein langer Weg, bis die anderen sieben ihre Anerkennung erreichten. "Das war wie früher", klagt Finckh.
Es erinnerte ihn an die sechziger Jahre, als Kriegsdienstverweigerer vielfach als feige Vaterlandsverräter abgestempelt wurden. Manche Reaktionäre malten damals angesichts von wenigen tausend Verweigerern bundesweit den Notstand an die Wand. Finckh, zu der Zeit Studentenpfarrer in Hamburg, sprang ihnen bei. Aus dieser Sicht ist verblüffend, was inzwischen selbstverständlich erscheint: "Heute haben wir 190 000 Anträge auf Kriegsdienstverweigerung", staunt Finckh, "und alles bleibt friedlich."
Aus: Frankfurter Rundschau, 13.11.2003

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Auch wenn es wieder "still" um die Friedensbewegung geworden ist (bzw. wenn die Medien meinen, die Friedensbewegung wieder ignorieren zu müssen), gibt es vor allem auf lokaler Ebene immer wieder Zeichen ihrer lebhaften Existenz. Heute etwas aus dem Mannheimer Morgen. Eva Ehret schreibt über einen Prozess um eine Kasernen-Blockade während des Irakkriegs u.a.:

Zum juristischen Nachspiel zweier Sitzblockaden vor der Spinelli-Kaserne hatten sich gestern vor dem Amtsgericht ein Grüppchen Friedensaktivisten und eine Handvoll Presseleute eingefunden. Sie wollten an der Verhandlung gegen einen 50-Jährigen teilnehmen, der Einspruch eingelegt hatte gegen zwei Bußgeldbescheide wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.
Enttäuschung dann vor dem Gerichtssaal: Richter Thomas Palm gab bekannt, der Termin sei aufgehoben, da der 50-Jährige wegen einer plötzlichen Erkrankung in die Klinik eingeliefert worden sei. (...)
Mit ihren Spruchbändern hatten sich die Irak-Kriegsgegner vor dem Eingang zum Amtsgericht postiert. Auf einem Banner war ein Satz des französischen Schriftstellers Paul Valéry zu lesen: "Der Krieg ist ein Massaker von Leuten, die sich nicht kennen, zum Nutzen von Leuten, die sich kennen, aber nicht massakrieren."
Die gestrige Verhandlung sollte der Auftakt einer Reihe von Prozessen um die Räumungen von Kasernen-Blockaden im März diesen Jahres sein. Damals hatten die Demonstranten die drei Tore der Spinelli Barracks am Aubuckel versperrt.
Nach dreimaliger Aufforderung führte die Polizei die Räumung durch: "In Form von einfacher körperlicher Gewalt" wurden die Kriegsgegner vom Torbereich weggeführt, wie es in einem der Bußgeldbescheide heißt. Insgesamt 18 Bußgeldbescheide zwischen 200 und 300 Euro und Polizeirechnungen erhielten die Friedensaktivisten. Alle legten Einspruch ein, gegen drei wurde das Verfahren eingestellt.
Zwei Personen müssen sich in Strafverfahren wegen Nötigung verantworten. Torsten Engelhardt, ebenfalls Empfänger eines Bußgeldbescheids, sagte in einem Gespräch mit dem "MM", die Friedensaktivisten hätten mit den Blockaden das Demonstrationsrecht genutzt, um auf die völkerrechtswidrige Vorbereitung und Führung eines Angriffskrieges von deutschem Boden aus aufmerksam zu machen. (...)
Aus: Mannheimer Morgen, 08.11.2003

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Der Skandal um die antisemitischen Äußerungen des CDU-Abgeordneten Hohmann hat Kreise gezogen und schließlich auch den Chef des "Kommandos Spezialkräfte" der Bundeswehr erreicht. Auch ein Fall für die Friedensbewegung, wie deren Reaktionen zeigt (siehe: "Friedensbewegung begrüßt die Entlassung des Generals Günzel ..."). Die Stellungnahmen aus der Friedensbewegung fanden mitunter sogar Eingang in die Medien: Die alternative Internetzeitung www.ngo-online.de berichtete ausführlich über die Presseerklärung des Bundesausschusses.
Olaf Meyer befasste sich in einem Artikel in der jungen Welt ("Mit der Faust in der Tasche") mit dem Vorleben des Generals. Am Ende hieß es:


(...) Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Reinhold Robbe (SPD), sagte am Mittwoch im Deutschlandfunk: »Wenn wir noch mehr solcher Leute in der Bundeswehr-Führung haben, dann haben wir ein Problem«. Der Bundesausschuß Friedensratschlag forderte am Mittwoch die Auflösung des Kommandos Spezialkräfte, mindestens jedoch seine Überprüfung. Die dreijährige Führungstätigkeit Günzels in dieser »verschworenen Gemeinschaft«, die »grundsätzlich verdeckt« arbeite und sich »parlamentarischer und erst recht öffentlicher Kontrolle« entziehe, habe zweifellos Spuren hinterlassen, heißt es in einer Erklärung des Friedensratschlages.
Aus: junge Welt, 06.11.2003

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In der taz vom 6. November schreibt Bettina Gaus zum Thema "Ganz viele Einzeltäter - und wenige klare Ursachen" u.a.:

(...) Der kritische Soldaten-Arbeitskreis "Darmstädter Signal" bemängelte gestern, dass es demokratische gesinnten Offizieren im Zusammenhang mit dem Fall Günzel offenbar am "Mut zur Meldung" gemangelt hatte - schließlich könnten dessen Überzeugungen seinem Umfeld nicht verborgen geblieben sein. Das ist vermutlich richtig. Interessant wäre eine bundeswehrinterne Untersuchung der Frage, welchen Anteil daran die neue restriktive Informationspolitik hat, die mit Einrichtungen wie dem KSK und den künftigen militärischen Aufgaben einhergeht.
taz, 6.11.2003

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Selbst in der "Frankfurter Neue Presse" war die Stellungnahme des Friedensratschlags zitiert:

(...) Der Verteidigungsminister dürfte einer gefährlichen Täuschung aufsitzen, wenn er meint, es handle sich bei Günzel nur um einen einzelnen verwirrten General, der einer noch verwirrteren Auffassung eines CDU-Bundestagsabgeordneten zugestimmt hat", erklärte der Bundesausschuss Friedensratschlag gestern in Kassel. Auch mehrere Koalitionspolitiker forderten eine Untersuchung. (...)
Frankfurter Neue Presse, 6. November 2003

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Der Fall Günzel wird auch in der Internetzeitschrift Telepolis behandelt. Harald Neuber schreibt unter der Überschrift "Ideologische Wiederbewaffnung" u.a. über die Traditionspflege in der Kaserne des Herrn Günzel:

(...) In der Calwer-Bundeswehrkaserne unter dem Kommando von Reinhard Günzel treffen sie sich regelmäßig zu Kameradschaftsabenden. Wie der Abrüstungsexperte Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung berichtet, ist in der Kaserne sogar ein "Traditionsraum" für die Wehrmachtskameraden eingerichtet, die von amtierenden Offizieren der Calwer Bundeswehr "betreut" werden. Dazu Pflüger:
Die 78. Sturm- und Infanteriedivision der Wehrmacht war 1943 die einzige Sturmdivision. Sie gehörte zu den Speerspitzen von Hitlers Wehrmacht.
Wenn die KSK-Eliteeinheit nun die Patenschaft für die "alten Kameraden" der Wehrmachtselite übernehme, würden bewusst historische Zusammenhänge hergestellt. Wie die das Denken der geheim operierenden Elitesoldaten bestimmen, zeigt der Brief Günzels an den CDU-Abgeordneten Martin Hohmann. Ihm hatte der General zu der "Wahrheit und Klarheit" in seiner Rede gratuliert. Die nämlich höre man "in unserem Land nur noch sehr selten".
Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag geht noch weiter und fordert das Verteidigungsministerium auf, nicht daran festzuhalten, dass es bei Günzel nur "um einen einzelnen verwirrten General, der einer noch verwirrteren Auffassung eines CDU-Bundestagsabgeordneten zugestimmt hat" (Verteidigungsminister Struck) handelt:
Immerhin hat General Günzel drei Jahre lang das im baden-württembergischen Calw stationierte Kommando Spezialkräfte (KSK) geführt. Diese Truppe, die unter anderem seit knapp zwei Jahren an völlig undurchsichtigen Kampfhandlungen in Afghanistan beteiligt ist, hat seit ihrem Bestehen eine eigene "corporate identity" als zu allem entschlossene "Elitetrupppe" der Bundeswehr entwickelt, arbeitet grundsätzlich verdeckt und entzieht sich parlamentarischer und erst recht öffentlicher Kontrolle. Es wäre interessant zu erfahren, welche Spuren die Tätigkeit des KSK-Chefs in dieser verschworenen Gemeinschaft hinterlassen hat.
Aus: Telepolis, 5.11.2003;
http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/co/16017/1.html


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Die bundesweite Demonstration am 1. November in Berlin gegen die Sozialabbaupolitik der rot-grünen Bundesregierung war beeindruckend. Neben Attac, einer Reihe von Gewerkschaftsorganisationen und der PDS hatten auch Friedensorganisationen zu der Demo aufgerufen, wie die Frankfurter Rundschau in ihrem Bericht wenigstens anmerkt:

(...) Kaum zu glauben. Doch am Schluss, bei der Kundgebung am Gendarmenmarkt, da waren es deutlich über 70 000. Denn so viele passen auf diesen Platz. Die Berliner Polizei bestätigte: Rund 100 000 sollen es insgesamt gewesen sein bei der Demo gegen den "Sozialkahlschlag". , zu der neben Attac auch Untergliederungen von Verdi und IG Bau, Teile der Friedensbewegung sowie Sozial-Initiativen aufgerufen hatten. Mit nur 20 000 hatten die Initiatoren gerechnet. Kein Wunder, dass sie hernach stolz das "Wunder von Berlin" ausriefen. (...)
Aus: FR, 3. November 2003

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Am 25. Oktober berichtete die Frankfurter Rundschau über den Prozess gegen zwei katholische Priester der "Initiative Ordensleute für den Frieden", einer von beiden: Gregor Böckermann, die angeklagt waren, während des Irakkriegs am Karfreitag den Zaun zur US-Air-Base durchgeschnitten zu haben, u.a.:

(...)"Ehrenwert" nannte der vorsitzende Richter am Ende die Tat der Angeklagten "und ließ Milde walten: 300 Euro Geldstrafe wegen Sachbeschädigung." (...)
Wirklich zufrieden ist Böckermann mit dem Urteilsspruch aber nicht, er wollte freigesprochen werden. Und er betonte: Das Geld werde er sicherlich nicht bezahlen, weil es nicht an eine gemeinnützige Organisation fließe, sondern an den Stat. Und den wolle er nicht auch noch dafür belohnen, dass er sich am Irak-Krieg beteiligt habe. Statt dessen werde er lieber für 30 Tage ins Gefängnis gehen. (...)
Selbst der vorsitzende Richter erklärte in ungewöhnlicher Deutlichkeit in seiner Urteilsbegründung, der Irak-Krieg sei auf Lug und Trug aufgebaut gewesen. Das versöhnte am Ende auch die vielen Zuhörer, die - zum Teil mit Friedensschals um den Hals - anfangs sehr lautstark ihre Sympathie für die Angeklagten bekundet hatten.
Im Zusammenhang mit den Protesten gegen den Irak-Krieg ermittelt die Staatsanwaltschaft noch gegen 160 Beschuldigte.
Aus: Frankfurter Rundschau, 25. Oktober 2003

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Am 25. Oktober demonstrierte die US-amerikanische Kriegsopposition eindrucksvoll, dass mit ihr zumindest außerparlamentarisch weiter zu rechnen ist. Wie immer bei Großdemonstrationen gehen die Agenturmeldungen über die Teilnehmerzahlen stark auseinander. Häufiger war von mehreren Tausend die Rede, von "rund zehntausend" (wie in der folgenden Meldung, oder von 100.000, wie die "junge Welt" am 27. Juni berichtete. In den überregionalen Tageszeitungen hierzulande herrschte allerdings großes Schweigen, daher hier eine Agenturmeldung (AFP):

Mit rund zehntausend Teilnehmern hat am Morgen des 25. Oktober (Ortszeit) in Washington eine Großdemonstration gegen den Irak-Krieg und gegen US-Präsident George W. Bush begonnen. Die ersten Redner bezichtigten Bush wegen seiner Rechtfertigung des Krieges mit der Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen der "Lüge". "Die Welt sagt Nein zum Krieg", hieß es auf mehrsprachig verfassten Transparenten. Die Demonstration wurde von den Vereinen UFPJ ("Gemeinsam für Frieden und Gerechtigkeit") und ANSWER (Jetzt handeln, um den Krieg zu stoppen") organisiert. Auch im kalifornischen San Francisco war im Laufe des Tages eine Demonstration geplant.

Ausführlicher berichtete Reuters von dem Großereignis:

Mit Transparten wie "Irak = Vietnam" und "Geld für Arbeit, nicht für Krieg" haben am Samstag in Washington und San Fransciso zehntausende Menschen gegen die US-Besatzung im Irak demonstriert.
Es war die erste große Friedensdemonstration in den USA, seit dem von US-Präsident George W. Bush Anfang Mai erklärten Ende der Hauptkampfhandlungen im Irak. Die Veranstalter in Washington sprachen von etwa 100.000 Teilnehmern aus 145 Städten. Polizisten vor Ort gaben die Zahl dagegen mit 20.000 bis 30.000 an. Die Polizei von Washington gibt keine offiziellen Schätzungen über die Zahl der Teilnehmer bei Demonstrationen heraus.
"Wir müssen Bush klar machen, dass unsere Kinder getötet werden", sagte der Vater eines im Irak gefallenen Soldaten. Andere bezeichneten Bush angesichts der im Irak nicht gefundenen Massenvernichtungswaffen als Lügner. "Massenvernichtungswaffen: Eine Menge heißer Luft", stand auf Ballons, die die Menschen mit sich führten. "Wir müssen damit aufhören, uns über das Leiden in anderen Ländern sorgen zu machen und Milliarden von Dollar für den Irak auszugeben, so lange das Geld hier für Arbeitsplätze gebraucht wird", sagte ein Bürger Washingtons, der angab, dass sein Bruder in Bagdad stationiert sei.
Ein Jahr vor der Präsidentenwahl steht Bush angesichts der Entwicklung im Irak innenpolitisch erheblich unter Druck. Die Kosten des Einsatzes verschlingen Milliardensummen und beinahe täglich kommt es im Irak zu Angriffen auf US-Soldaten. Seit Anfang Mai wurden dort 108 US-Soldaten getötet. Hatten sich damals in Umfragen noch rund 80 Prozent der Befragten für Bush ausgesprochen, sind es nach einer Erhebung aus diesem Monat nur noch 56 Prozent.

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Am selben Tag fand auch eine Antikriegs-Demonstration in Brüssel statt. Sie hatte es in sich, wie die harsche Reaktion der Sicherheitskräfte zeigt. AP meldete (und manche Zeitung brachte es in einer Drei- oder Vierzeilennachricht):

Die belgische Polizei hat am Samstag vor dem militärischen Hauptquartier der NATO rund 500 Demonstranten festgenommen, darunter ein halbes Dutzend Abgeordnete. Etwa 20 Personen gelang es kurzzeitig, auf das Gelände rund 50 Kilometer südlich von Brüssel vorzudringen, ehe sie von den Sicherheitskräften gestoppt worden seien, erklärten die Behörden. Vor dem NATO-Hauptquartier protestierten etwa 1.000 Menschen gegen die Bedrohung durch Atomwaffen. Ihnen standen über 2.300 Sicherheitskräfte gegenüber.

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Über eine bevorstehende Aktion zum Thema "Landminen" berichtet die Frankfurter Rundschau in ihrem Frankfurt/Hessen-Teil u.a.:

Fahrradkuriere aus Frankfurt und aus Kabul werden am kommenden Donnerstag, 16. Oktober, zwischen 10 und 12.30 Uhr vor der Hauptwache ihre Geschicklichkeit messen. Das Besondere: Die Kabulis sind Minenopfer. Unterstützt von der Hilfsorganisation Medico International, hat ein afghanisches Reha-Projekt die Kriegsversehrten mit Prothesen und speziellen Fahrrädern ausgestattet.
Unter dem Motto "Cycling for Peace" informiert Medico an dem Aktionstag über ihre weltweite Kampagne gegen Landminen und die Kooperation mit lokalen Initiativen für den Aufbau friedlicher sozialer Strukturen in Afghanistan. Die behinderten Kuriere fahren in Kabul für dort tätige internationale Organisationen, die beim Wiederaufbau des von fast 24 Jahren Krieg zerrütteten Landes helfen. Zwei der Ausnahmeradler werden am Donnerstag in Frankfurt dabei sein. (...)
Aus: FR, 14.10.2003

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Auch die nächste Meldung gehört zum Thema "Landminen". Die Kampagne gegen Landminen hat eine prominente Fürsprecherin gewonnen: Anne Will:

Die Tagesthemen-Moderatorin unterstützt die Kampagne "Eine Million Unterschriften für ein Verbot aller Landminen" eines Initiativkreises aus 17 beteiligten Organisationen. Die Journalistin habe die Gefahr, die von Minen ausgehe, kürzlich selbst erlebt, als sie in Sri Lanka Projekte der Hilfsorganisation Kindernothilfe besuchte, berichtet der Initiativkreis. "So lange nicht alle Landminen verboten sind, so lange werden täglich Menschen getötet oder verstümmelt", sagte Will demnach. Die Unterschriften, die der Initiativkreis für das Verbot von Landminen sammelt, sollen der Bundesregierung übergeben werden.
Aus; FR, 14.10.2003

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Das Treffen des Bundesausschusses Friedensratschlag am 11. Oktober fand verschiedentlich Eingang in die Medien. Die alternative Internetzeitung www.ngo-online.de berichtete ausführlich über die Presseerklärung des Bundesausschusses. Breiten Raum nahm das Ereignis auch in der "jungen Welt" ein. Dort heißt es u.a.:

(...) Konkret vereinbart wurde in Kassel eine Mobilmachung gegen die Sozialabbaupläne von Bund und Ländern. Die kürzlich in Gang gesetzte Unterschriften-Sammlung »Abrüstung statt Sozialabbau« stoße bundesweit auf gute Resonanz, berichteten Teilnehmer des Treffens. In dem Appell wird gefordert, die Mittel für Militär, Rüstung und Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zu streichen und die freiwerdenden Mittel für soziale Zwecke einzusetzen.
Man sei sich darüber im Klaren, daß selbst eine Reduzierung der Rüstung auf Null die großen Löcher in den Sozialkassen nicht stopfen könne, räumte der Sprecher des Bundesausschusses, Peter Strutynski, ein. Dazu bedürfe es weiterer Maßnahmen etwa beim Subventionsabbau oder zur stärkeren Besteuerung der Superreichen. Gleichwohl könne die Kürzung der »nutzlosen Rüstungsausgaben« ein wichtiger Schritt zu mehr sozialer Gerechtigkeit in Deutschland sein. In den kommenden Wochen will die Friedensbewegung auch bei den Gewerkschaften um Unterstützung für ihre Position werben. Auf den bevorstehenden Gewerkschaftstagen der IG Metall und von ver.di sollen Delegierte konkret angesprochen werden.
Widerstand kündigte die Friedensbewegung auch gegen die Verabschiedung der EU-Verfassung in der jetzigen Form an. (...) Das Friedenstreffen rief alle »demokratischen und friedensorientierten« Abgeordneten sowie die Parteien in Europa auf, sich der Militarisierung der EU zu widersetzen und Nein zur EU-Verfassung zu sagen.
Aus: junge Welt, 14. Oktober 2003

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Das Treffen war auch dem "Neuen Deutschland" ein eigener Artikel wert. Dort hieß es u.a.:

(...) Die Verleihung des Friedensnobelpreises an die iranische Rechtsanwältin Schirin Ebadi stand zwar nicht auf der Tagesordnung des Treffens, spielte aber in den Diskussionen am Rande der Tagung eine Rolle. Viele Teilnehmer begrüßten die Entscheidung des Komitees, weil es eine bekennende Muslimin und Menschenrechtlerin ausgezeichnet habe, die immer für Gewaltlosigkeit und für zivile Konfliktlösungen eingetreten sei. Ebadi hatte den Irak-Krieg als völkerrechtswidrig kritisiert und lehnt auch jede gewaltsame äußere Einmischung in die Angelegenheiten ihres eigenen Landes Staates ab.
Kritisch wurde in Kassel indes angemerkt, dass der weltweite Widerstand gegen den Irak-Krieg vom Preiskomitee unberücksichtigt blieb. »Dieses einzigartige Engagement von Millionen und Abermillionen Menschen in der ganzen Welt hätte durch eine Teilung des Preises eine besondere Würdigung verdient«, heißt es in einer Erklärung des Treffens.
Für den 6. und 7. Dezember lud der Bundesausschuss Friedensratschlag zu einem großen »Friedenspolitischen Ratschlag« nach Kassel ein. Dabei sollen die Erfahrungen aus dem Irak-Krieg ausgewertet und Möglichkeiten diskutiert werden, Konflikte in der Welt durch nicht-militärische Maßnahmen zu lösen. Zum »Ratschlag« erwarten die Veranstalter Friedensforscher, ehemalige UN-Repräsentanten und OSZE-Koordinatoren sowie Vorsitzende oder Sprecher von Gewerkschaften und sozialen Bewegungen.
Aus: ND, 14.10.2003

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Aus dem Ausland ist wieder "Bewegendes" zu berichten. In Italien marschierten am 12. Oktober 300.000 Menschen für den Frieden. Die "junge Welt berichtete u.a.:

Rund 300000 Menschen beteiligten sich am Sonntag in Italien am »Friedensmarsch von Assisi«. Damit war die Demonstration unter der Losung »Für ein Europa des Friedens« die größte Kundgebung der italienischen Antikriegsbewegung seit den Protesten gegen den Angriff auf den Irak. Die traditionelle »marcia della pace«, vergleichbar mit den »Ostermärschen« in Deutschland, führte von Perugia in die 24 Kilometer entfernte Kleinstadt Assisi.
Der langgezogene Demonstrationszug setzte sich bereits um neun Uhr morgens in Bewegung. Auf Transparenten wurde das Ende der Besatzung des Iraks gefordert und die »Militarisierung Europas« angeprangert. Flavio Lotti, Sprecher der italienischen Friedenskoordination, nannte die Demonstration »einen Appell der Bevölkerung gegen den Krieg«: »Da die Kriege überall auf der Erde weitergehen, darf auch die Friedensbewegung nicht nachlassen.« (...)
Aus: jW, 13.10.2003

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Auch in Zeiten, in denen die Friedensbewegung nicht mit zentralen Großdemonstrationen von sich reden macht, ist sie aktiv - und wird zumindest von den regionalen Medien wahrgenommen. Jüngstes Beispiel die Aktion des Darmstädter Friedensforums anlässlich der "Woche der Raumfahrt", worüber die Frankfurter Rundschau in einem Artikel über eine von der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA gesponsorten Ausstellung "Mensch und Kosmos" in Darmstadt berichtet. In dem Artikel heißt es u.a.:

Am Rande: Dieser Tage demonstrierten in der von der UN ausgerufenen Woche der Raumfahrt Mitglieder des Darmstädter Friedensforums vor dem Haupteingang der ESA. Wie Forumssprecherin Regina Hagen der FR sagt, protestierte man keinesfalls gegen die zivile Nutzung der Raumfahrt. Hier stimme man mit der 1975 von der ESA unterzeichneten Konvention überein. Sie besage, dass die Agentur "ausschließlich zu friedlichen Zwecken" arbeite. Die Europäische Kommission habe jedoch im Januar die künftige Aufgabe der ESA umdefiniert - durch die Zusammenlegung von ziviler und militärische Missionen.
Aus: Frankfurter Rundschau (Lokalausgabe Darmstadt/Offenbach), 8. Oktober 2003

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Ebenfalls in der Frankfurter Rundschau erschien am 10. Oktober ein Artikel (Verfasser Jörg Schindler) über die internationale Kampagne "Waffen unter Kontrolle", aus dem wir im Folgenden zitieren:

Der Londoner Trafalgar Square glich am Donnerstagmittag einem Gräberfeld; im senegalesischen Dakar formierten sich Bürger zu einem Protestmarsch; Begles Village in Frankreich wurde kurzzeitig um Schauplatz eines "die-in"; Hong Kong, Manila und Katmandu, Spanien, Mali und Australien erlebten mehr oder weniger groß angelegte Demonstrationen. In rund 60 Ländern weltweit hatten Amnesty International (AI), Oxfam und das Internationale Aktionsnetzwerk gegen Kleinwaffen (Iansa) Menschen mobilisiert, um für ein gemeinsames Ziel zu streiten: "Waffen unter Kontrolle!"
Dass die Hilfsorganisationen ihre Kampagne ausgerechnet jetzt starteten, hat gute Gründe: Jährlich sterben nach AI-Angaben 500 000 Menschen durch Klein- und Leichtwaffen - darunter immer häufiger Zivilisten und Kinder. Der weltweite Markt für diese Art von Waffen entziehe sich weitgehend internationaler Kontrolle: zu groß das Angebot, zu lukrativ das Geschäft mit der Gewalt. Kein neues Problem, aber eines, das an Brisanz zunehme. (...)
Hauptadressaten der Kampagne sind die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats: USA, Frankreich, Großbritannien, Russland und China. Der exklusive Club sei nicht nur für 88 Prozent aller Waffenexporte verantwortlich, "er bremst auch bei den Kontrollen, wo er bremsen kann", sagte AI-Rüstungsexperte Mathias John. Aber auch Deutschland spiele, trotz rot-grüner "Rhetorik", eine unrühmliche Rolle. Die Bundesregierung genehmige immer wieder Waffenexporte in Länder, wo gravierende Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung seien, etwa die Türkei oder Nepal. Zudem seien die jährlichen Rüstungsexport-berichte in einzelnen Punkten oft auffällig vage, so John - "da wird viel verschleiert".
Dies ist eine Einschätzung, die das Berliner Informationszentrum für transatlantische Sicherheit teilt: Dort wurde am Donnerstag eine Studie vorgestellt, die Deutschland als großzügigen Waffenlieferanten Israels anprangert. Ein Teil dieser Lieferungen, so die Autoren, werde geheim gehalten, ein anderer verstoße offensichtlich gegen das Kriegswaffenkontroll- und das Außenwirtschafts-gesetz. Die großen Kirchen übten an dieser Praxis am Donnerstag Kritik. Unhaltbare Zustände, finden auch Oxfam, AI und Iansa. Sie fordern bis spätestens 2006 ein internationales Abkommen zur Kontrolle des Waffenhandels. Das Ziel sei ehrgeizig, jedoch machbar, wie die Konvention über das Verbot von Antipersonenminen zeige: Seit diese 1997 verabschiedet wurde, handele kein Land mehr offen mit den Minen. Um Ähnliches auch für Kleinwaffen zu erreichen, soll öffentlich Druck gemacht werden: Im Internet unter www.controlarms.org können Waffengegner Stellung beziehen. Eine Million Stimmen sind das Ziel.
Aus: FR, 10.10.2003


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