Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

August/September 2003

Friedensbewegung in den Medien

Die Aktionen der Friedensbewegung am 27. September fanden einen breiten Widerhall in den Printmedien, allerdings war der Informationsgehalt der Meldungen relativ dürftig (meistens wurden nur widersprüchliche Zahlenangaben und ein paar Parolen genannt). Beispiel 1: Frankfurter Rundschau:

(...) In Berlin gingen nach Polizeiangaben rund 400 Menschen gegen die "Besatzung" Iraks und Palästinas auf die Straße. Die Veranstalter sprachen dagegen von etwa 2000 Teilnehmern. Auch in Wien, Madrid, New York und San Francisco gab es Antikriegsdemonstrationen.
FR, 29.09.2003

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Beispiel 2: In der taz (Berlin-Seite) findet sich unter der Rubrik "… und sonst?" nur die lapidare Bemerkung:

"Es bleibt also noch etwas Zeit, anderes zu vermelden: Hunderte Menschen demonstrierten am Samstag unter dem Motto ´Beendet die Besatzung des Irak - Freiheit für Palästina`".

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Beispiel 3: Die Berliner Morgenpost hebt in ihrer Sonntagsausgabe vor allem hervor, dass die Demo "ohne Zwischenfälle" verlief:

Mit einer Demo von der Wilhelmstraße zum Bahnhof Friedrichstraße haben gestern Mittag etwa 400 Personen gegen die "Besetzung" des Iraks und Palästinas protestiert. Die Kundgebung verlief laut Polizei ebenso ohne Zwischenfälle wie eine Gegendemo des "Bündnisses gegen die antisemitische Internationale", dessen Aufruf etwa 150 Teilnehmer gefolgt waren.
Aus: Morgenpost, 28.09.2003 Umfassend berichtete demgegenüber - wie meistens in solchen Fällen - die "junge Welt":

Die globale Antikriegsbewegung hat sich zurückgemeldet. In mehr als 40 Ländern gingen am Wochenende Zehntausende Menschen wieder auf die Straße. Im Mittelpunkt der Demonstrationen stand die Forderung nach Abzug der US-geführten Besatzungstruppen aus dem Irak sowie der israelischen Armee aus den palästinensischen Autonomiegebieten. Es waren die ersten international koordinierten Proteste seit der Besetzung des Irak durch US-Truppen im April.
Wie schon beim globalen Aktionstag am 15. Februar erwies sich die britische Antikriegsbewegung wieder am mobilisierungsfähigsten. In London zogen am Samstag nach Angaben der »Stop the War Coalition« etwa 100000 Menschen vom Hyde Park zum Trafalgar Square, die Polizei sprach von 20000 Demonstranten. Auf Transparenten wurde der von US-Präsident George W. Bush und dem britischen Premier Tony Blair forcierte Golfkrieg als »illegal, unmoralisch und unvernünftig« bezeichnet.
Auch in anderen europäischen Hauptstädten protestierten Tausende anläßlich des dritten Jahrestages der palästinensischen Intifada gegen die Besatzungsregime im Nahen Osten. In Athen zogen nach Agenturangaben 3000 Kriegsgegner mit den Parolen »Besatzer raus« und »Freiheit für Palästina« vor die US-Botschaft. Weitere Demonstrationen fanden in Saloniki und vor dem US-Marinestützpunkt auf der Insel Kreta statt.
In der Türkei richtete sich der Protest vornehmlich gegen die Regierungspläne, rund 10000 Soldaten in das besetzte ölreiche Nachbarland Irak zu entsenden. In der Hauptstadt Ankara und in Istanbul folgten mehrere tausend Menschen dem Aufruf von Antikriegsgruppen. Auch in Paris, Brüssel, Wien und Berlin sowie anderen deutschen Städten gab es Demonstrationen für Frieden im Nahen Osten. Zentrales Motto hier: Keine deutsche Besatzungshilfe, weder politisch, noch logistisch oder finanziell. In Heidelberg benannten Kriegsgegner das »Mark Twain Village«, ein stark gesicherter Wohnkomplex der US-Streitkräfte im Zentrum der Stadt, in das trefflichere »General Custer Village« um.
In Indien hatten antiimperialistische Gruppen bereits am Freitag zu Protesten mobilisiert. In Kalkutta wurden Puppen von Bush, Blair und deren israelischem Amtskollegen Ariel Scharon verbrannt. Im südkoreanischen Seoul demonstrierten mehrere tausend Menschen gegen die Forderung der USA nach Stationierung südkoreanischer Truppen im Irak. Für Sonntag abend waren zudem Kundgebungen in den US-Städten New York, Los Angeles und San Francisco geplant. Sie sind Auftakt einer Herbstkampagne zum Abzug der US-Truppen. So ruft das amerikanische Antikriegsbündnis ANSWER für einen weiteren Aktionstag am 25. Oktober auf. Unter dem Motto »Bring the troops home now!« wollen die Friedensaktivisten zusammen mit Familienangehörigen von im Irak stationierten GIs in einer Großdemonstration vor das Weiße Haus in Washington ziehen. (...)
Aus: junge Welt, 29.09.2003

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Aber auch im Wiener "Standard" erscheint am 29. September ein Artikel, in dem die Aktionen des 27. September in verschiedenen europäischen Hauptstädten zusammengefasst werden.

London/Paris/Wien - In mehreren europäischen Metropolen, darunter auch in Wien, haben am Samstag zehntausende Menschen gegen die Besatzungspolitik im Irak protestiert. In London zogen nach Angaben der Organisatoren rund 100.000 Menschen vom Hyde Park zum Trafalgar Square. Laut Polizei waren es dagegen nur rund 10.000. Die Demonstranten trugen Schilder, auf denen ein Ende der Kampfhandlungen und der Rücktritt von Premier Tony Blair gefordert wurde.
(...) Bei der Abschlusskundgebung kritisierten unter anderen Londons Bürgermeister Ken Livingstone und Regisseur Ken Loach die Irak-Politik der Regierungen in London und Washington.
(...) Auch in Paris gingen mehrere tausend Menschen auf die Straße, um gegen die Besetzung des Iraks und für Frieden in Nahost zu demonstrieren.
In Istanbul versammelten sich rund 3000 Demonstranten, um gegen die US-Militärpräsenz im Irak zu protestieren. Zugleich gaben sie ihre Unterstützung für die Intifada am Vorabend des dritten Jahrestags des Palästinenseraufstands kund, wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi meldete. In der Hauptstadt Ankara folgten dem Aufruf dagegen nur einige Dutzend Menschen. Mehr als 3500 türkische Polizisten waren im Einsatz. Der Protest richtete sich auch gegen ein mögliches militärisches Engagement der Türkei im Irak. (...)
Proteste gab es auch in Berlin und Brüssel. Etwa 3.000 Kriegsgegner demonstrierten vor der US-Botschaft in Athen. Sie warfen Flaschen auf die Polizei und riefen "Besatzer raus" und "Freiheit für Palästina". (...)
(...) Weitere Demonstrationen fanden in Saloniki und vor dem amerikanischen Marinestützpunkt auf der Insel Kreta statt. Der Sänger Giorgos Dalaras sagte, den Menschen gehe es um große Themen. In kleinen Ländern wie Griechenland könne man dem Leiden anderer nicht gleichgültig gegenüberstehen.
In Wien demonstrieren zwischen 750 und 1000 Menschen "gegen die Besatzung des Irak und für ein Ende der Aggression der israelischen Regierung gegen das palästinenische Volk" . Bei der Abschlusskundgebung auf dem Stephansplatz sprachen unter anderen der SPÖ-Europaabgeordnete Hannes Swoboda, die Grüne Gemeinderätin Susanne Jerusalem und KPÖ-Vorsitzender Walter Baier.
Aus: Der Standard (Online-Ausgabe vom Abend des 27.09.03)

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Die "Strategiekonferenz" der "Kooperation für den Frieden" am Wochenende in Dortmund fand - bislang - nur in der "jungen Welt" Resonanz. Felix Oekentorp, Mitglied des nordrhein-westfälischen Landesverbandes der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) und Sprecher des Ostermarsches Ruhr wurde befragt. Im Folgenden ein paar seiner Antworten:

Auf der Konferenz waren etwas über 70 Menschen aus dem gesamten friedenspolitischen Spektrum sowie der globalisierungskritischen Bewegung anwesend. (...)
Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen Diskussionen und die Entwicklung von Kampagnenideen, mit dem Ziel, von einer bloß reagierenden Antikriegsbewegung wegzukommen und eigenständig inhaltliche Schwerpunkte zu setzen. In diesem Zusammenhang äußerten sich Jürgen Link von der »Diskurswerkstatt« und Horst-Eberhard Richter, Gründer der westdeutschen Sektion der Internationalen Organisation Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW). Beide entwickelten in ihren Beiträgen gleich zu Beginn der Konferenz Beiträge über intelligente Deeskalationsstrategien und setzten wichtige Impulse zu neuen internationalen Anstrengungen im weltweiten Kampf gegen Atomwaffen. (...)
In vielen Beiträgen wurde klar: ein zentraler Punkt der Auseinandersetzung mit der Bundesregierung muß die Frage nach der Finanzierung von Rüstung und Krieg sein. Hierzu haben sich viele verschiedene Initiativen gegründet. Die »Kooperation für den Frieden« beispielsweise empfiehlt ihren Mitgliedsgruppen schon seit längerer Zeit, den Aufruf »Abrüstung statt Sozialabbau« des Friedenspolitischen Ratschlags zu unterstützen. Auch die Postkartenaktion der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsgegner an Bundeskanzler Gerhard Schröder mit der Forderung nach Kürzung des Rüstungsetats fand eine breite Unterstützung. Darüber hinausgehend wurden in einer eigenen Arbeitsgruppe Strategien der Verweigerung von Kriegssteuern weiterentwickelt. (...)
Aus: junge Welt, 29.09.2003

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Über den Aktionstag gegen Krieg und Besatzung schreibt die junge Welt am 27. September u.a.:

Ein Bündnis aus ATTAC, Linksruck, PDS, der »Achse des Friedens«, des Arabischen Kulturvereins und anderer Gruppen will am Sonnabend in Berlin für ein Ende der US-Besatzung im Irak und ein »freies Palästina« auf die Straße gehen und erwartet 5000 Demonstrationsteilnehmer. Die heutige Manifestation sei Teil weltweiter Proteste »gegen die USA und Israel«, so Barbara Fuchs von der ATTAC-Arbeitsgruppe »Gegen den Krieg« am Donnerstag auf einer Pressekonferenz des »Aktionsbündnisses für den 27.9.«. Man wolle insbesondere die Kriegslüge von US-Präsident George W. Bush und des englischen Premierministers Tony Blair thematisieren. (...)
In seinem Demonstrationsaufruf erinnert das Aktionsbündnis daran, daß israelische Regierungsvertreter gegenwärtig die Forderung nach weiterer Vertreibung von Palästinensern nach Jordanien ins Parlament einbringen. Während Gespräche über einen neuen »Friedensplan« geführt würden, sperre die israelische Regierung die Palästinenser mit einem acht Meter hohen, mit Stacheldraht und elektronischen Überwachungssystemen versehenen »Trennzaun« ein. Dieser zementiere den Raub erheblicher Teile des Westjordanlandes. (...)
Aus: jW, 27.09.2003

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Die Berliner taz erlaubt sich eine Charakterisierung des gegenwärtigen Zustands der Friedensbewegung ("Schröder ersetzt Bush", Autor: Matthias Braun). Dabei gerät manches ineinander, was bei genauer Betrachtung auseinander zu halten wäre. Allein schon der erste Satz hält keiner Prüfung stand. Doch die Friedensbewegung ist ja schon froh, wenn sie in überregionalen Zeitungen überhaupt noch erwähnt wird.

Vor gut einem halben Jahr waren Friedensbewegung und Bundesregierung sich einig. "Kein Rums in kein Feld" lautete eine der kreativeren Losungen, unter denen 500.000 Pazifisten Mitte Februar einträchtig neben rot-grünen Politikern gegen den Irakkrieg durch Berlin zogen.
Das soll jetzt anders werden. Am kommenden Wochenende wollen rund 150 Vertreter von Friedensgruppen in Dortmund ein Strategiepapier verabschieden - die "friedenspolitischen Richtlinien". Der Name erinnert nicht zufällig an die "verteidigungspolitischen Richtlinien", die Minister Peter Struck (SPD) vor kurzem erst erneuert hat. Das Papier versteht sich als Gegenentwurf - nicht nur in militärischen Fragen. Auch gegen die geplanten Sozialreformen wollen sich die Pazifisten positionieren. Das Feindbild Schröder soll - wenigstens teilweise - das Feindbild Bush ersetzen.
"Unsere Opposition gegen die rot-grüne Regierung wird stärker werden", sagt Reiner Braun zur taz. Er spricht für die "Kooperation für den Frieden", die das Strategietreffen organisiert. (...)
Sozialreform und militärische Entwicklung miteinander zu verknüpfen, das findet bei vielen Friedensbewegten Zustimmung. Denn nach den großen Demonstrationen fehlte ihnen die Perspektive. "Wir müssen sehen, dass wir auch ohne Massenaufläufe weiterarbeiten", bringt Peter Strutynski vom Friedensratschlag das pazifistische Dilemma auf den Punkt.
Doch ob das Feindbild Schröder ausreicht, alle Gräben in der Friedensbewegung zu überbrücken? (...)
.. auch das Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern bietet Zündstoff. "Uns ist es wichtig, dass die Friedensbewegung sich gegen Waffenlieferungen an Israel wendet und die Besatzung verurteilt", sagte Barbara Fuchs zur taz. Sie ist Sprecherin der Attac-Arbeitsgemeinschaft "Globalisierung und Krieg", die auch einen Vertreter nach Dortmund schicken wird. (...)
Zwei Projekte aber sind weitgehend unstrittig. Der Kampf gegen den Brandenburger Militärübungsplatz "Bombodrom" soll zur bundesweiten Kampagne ausgebaut werden. Und mehrere Friedensinitiativen bereiten derzeit öffentliche Tribunale gegen die Besetzung des Irak vor. (...)
Aus: taz, 26.09.2003

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Das "Neue Deutschland" lässt am selben Tag (26. September) drei Stimmen aus der Friedens- und globalisierungskritischen Bewegung zu Wort kommen. Martin Singe (Komitee für Grundrechte), Peter Strutynski (Bundesausschuss Friedensratschlag) und Carl Waßmuth (Koordinierungskreis von Attac Berlin) stellen ihre kontroversen Positionen zum gegenwärtigen Stand der Friedensbewegung dar. Die drei Artikel haben wir auf unserer Seite dokumentiert: Was bleibt von den Protesten gegen den Irak-Krieg?

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Die wie immer sehr informative Internetzeitung von und für Nichtregierungsorganisationen (NGO) www.ngo-online.de berichtet in ihrer Ausgabe vom 25. September von der Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag zum bevorstehenden Aktionstag gegen Krieg und Besatzung am 27.09.:

ngo-online/25.09.2003 - Für Samstag ruft die Friedensbewegung zu einem "internationalen Aktionstag gegen die Besetzung des Irak und zur Solidarität mit dem palästinensischen Volk auf". Demonstrationen, Kundgebungen, Informationsveranstaltungen und Info-Stände sind auch in vielen deutschen Städten geplant. Die Aktionen sollen dazu beitragen, über die festgefahrene Situation im Irak und über die Ursachen der Gewalteskalation im israelisch-palästinensischen Konflikt aufzuklären, teilte der Bundesausschuss Friedensratschlag mit.
Für den Irak fordert der Friedensratschlag den schnellstmöglichen Abzug der Besatzungstruppen der Kriegsallianz. Nur so könne - zunächst unter Leitung der UNO und möglicherweise der Arabischen Liga - in der irakischen Bevölkerung Vertrauen hergestellt werden. Die jüngste Bekräftigung des Souveränitätsprinzips im Völkerrecht durch Kofi Annan in der UN-Generalversammlung müsse auch für den Irak gelten. Dazu gehöre die unabweisbare Forderung, dass die Kriegsallianz für die von ihr verursachten Schäden des Krieges aufkommen müsse.
Der israelisch-palästinensische Konflikt wird nach Überzeugung des Friedensratschlags nur gelöst werden können, wenn der Gewalt Einhalt geboten wird und den Palästinensern Recht widerfährt. Die Resolutionen des UN-Sicherheitsrats und der UN-Generalversammlung, die den Weg zum Frieden weisen, seien Legion. Es komme nun darauf an sie umzusetzen. Die sofortige sichtbare und unumkehrbare Beendigung der israelischen Besatzung sei der erste Schritt zu einer Friedenslösung. Der Stopp des Mauerbaus, die (Wieder-)Anerkennung des Friedensnobelpreisträgers Arafat als gewählten Palästinenserpräsidenten und die definitive Anerkennung des Zweistaatenprinzips durch Israel seien weitere Bestandteile eines Fahrplans zum Frieden, der diesen Namen auch verdiene. Auf dieser Grundlage könne auch der tödlichen Gewalt palästinensischer Selbstmordattentäter der Boden entzogen werden.
Der Friedensratschlag betonte seine Unterstützung der israelischen Friedensaktivisten, die am vergangenen Wochenende zu Tausenden in Tel Aviv für diese Forderungen im eigenen Land auf die Straße gegangen sind.
Aus: www.ngo-online.de, 25.09.2003

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Am 24. September berichtet Rüdiger Göbel in der "jungen Welt" über den bevorstehenden internationalen Aktionstag gegen die Besatzung im Irak und zur Solidarität mit Palästina. Es heißt dort u.a.:

(...) So heterogen die Antikriegsbewegung weltweit ist, so vielfältig sind ihre Aktionsformen und nationalen Schwerpunkte. So ist im indischen Kalkutta am Freitag eine Massendemonstration geplant. "Wir werden Puppen von Präsident George W. Bush, Premierminister Tony Blair und Ministerpräsident Ariel Scharon verbrennen", erklärte Gauri Sankar Ghatak von der bengalischen Sektion des Antiimperialistischen Forums in Indien. Auf den Philippinen will die Neue Patriotische Allianz mit einer "indoor rally" in der Hauptstadt Manila am Samstag gegen die US-Kriegspolitik und Bushs Besatzungsregime im Irak protestieren. Auch in Seoul, Inchon und anderen südkoreanischen Städten sind Antikriegsdemonstrationen an diesem Tag geplant. "Schluß mit den Attacken gegen Nordkorea und Abzug südkoreanischer Soldaten aus dem Irak" ist das Motto der dortigen Aktivisten. Auch in Japan ruft die Friedensbewegung zu Straßenprotesten auf.
Darüber hinaus finden in praktisch allen arabischen Ländern Solidaritätsaktionen mit dem anhaltenden palästinensischen Aufstand gegen die israelische Besatzung und die US- Militärpräsenz im Irak statt. Auch in zahlreichen europäischen Städten rufen Kriegsgegner zu Aktionen auf. In Polen sind Kundgebungen vor dem Regierungssitz, dem Präsidentenpalast und der US-Botschaft in Warschau geplant. (...)
In Deutschland steht in den meisten Städten die US- Militärpräsenz im Irak im Vordergrund der Proteste, mancherorts, wie in Stuttgart, wird die seit mehreren Jahrzehnten andauernde Besetzung palästinensischer Gebiete nicht einmal thematisiert. Mit die größte Resonanz dürfte der Aufruf der "Achse des Friedens" finden, die für Samstag nachmittag zu einer "blutigen Picketline" von der amerikanischen zur britischen Botschaft in Berlin-Mitte aufruft und anschließend auf dem Potsdamer Platz aus Protest gegen den Bau des israelischen Apartheid-Walls symbolisch ein Mauerwerk niederreißen will. (...)
Aus: junge Welt, 24.09.2003

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Mit einem Tag Verspätung reagierte die "junge Welt" auf eine Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag zur Eskalation im Nahen Osten. Am Ende eines Artikels über die gescheiterte Nahost-Resolution im UN-Sicherheitsrat heißt es in durchaus polemischer Absicht:

(...) Ähnlich indifferent geben sich Friedensgruppen in Deutschland. "Die Roadmap, die von den Vereinigten Staaten, der EU, Rußland und den Vereinten Nationen in der Absicht verabschiedet worden war, die Gewaltexzesse im Nahen Osten zu stoppen und den Friedensprozeß wieder in Gang zu bringen, steht vor dem vollständigen Aus. Die Wiederaufnahme von Anschlägen auf Zivilisten in Israel und jüdische Siedler in den besetzten palästinensischen Gebieten sowie die fortdauernden gezielten Angriffe und Razzien israelischer Truppen auf Menschen und Einrichtungen in den besetzten Gebieten haben die ohnehin geringe Hoffnung auf einen Erfolg des vor zwei Monaten beschlossenen Waffenstillstands zunichte gemacht. Die nahezu unkontrollierbar gewordene Eskalation der Gewalt und die Aufeinanderfolge von Gewalttaten auf beiden Seiten verbieten es, einer der beiden Seiten die alleinige Schuld für die dramatische Zuspitzung der Lage zuzuweisen", heißt es in der jüngsten Erklärung vom Bundesausschuß Friedensratschlag, gerade so, als wäre sie vom Außenministerium in Berlin verfaßt.
Aus: junge Welt, 18.09.2003
Anmerkung:
Auch linke Zeitungen üben sich bisweilen im Handwerk der Manipulation. Oder warum hat der Redakteur der jW sein Zitat just an dieser Stelle abgebrochen und nicht den nächsten Satz wiedergegeben, der lautet: "Der andauernde Konflikt hat historische und strukturelle Ursachen, deren Kern die andauernde Besetzung palästinensischen Landes und die Missachtung der Rechte der Palästinenser durch die israelischen Behörden bilden."? Gut, dass der/die Leser/in im Internet die Möglichkeit hat, die verstümmelte Pressemeldung mit der Original-Presseerklärung zu vergleichen. Hier ist sie: Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag zum Nahost-Konflikt.

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Nun bekommt die Bürgerinitiative "FREIeHEIDe", die seit Jahren gegen das Bombodrom kämpft, Unterstützung - aus dem Unternehmerlager. Dies geht aus dem folgenden Artikel ("Struck muss mit Hausverbot rechnen", Neues Deutschland) hervor, in dem es u.a. heißt:

Über 200 Unternehmer haben im brandenburgischen Rheinsberg ein Bündnis »Pro Heide« ins Leben gerufen. Sie wenden sich gegen den drohenden Bombenabwurf-Platz der Bundeswehr in der Kyritz-Ruppiner Heide.
Freie Heide und Freier Himmel – so heißen die beiden Aktionsgemeinschaften, die sich seit Jahr und Tag gegen eine militärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide in Nordbrandenburg wenden. Die Arbeit der Initiativen ist weithin anerkannt, und dennoch wurde am Montagabend in Rheinsberg ein Unternehmerbündnis gegen das Bombodrom gegründet. Womöglich, hofft Initiator Wilhelm Schäkel, könne mit Hilfe der Wirtschaft verhindert werden, dass das Bombodrom reaktiviert wird.
»Vielleicht war es der Glaube, dass das Bombodrom nicht kommt, was uns so lange zurückgehalten hat«, meint Schäkel. Zwar seien 38 Unternehmer von Anfang an bei der »Freien Heide« dabei. Nun jedoch habe man die Absicht der Bundesregierung schwarz auf weiß und wolle retten, was noch zu retten ist – mit einer 50000 Euro teuren Kampagne, für deren Finanzierung man viele Unternehmer braucht. Die Bombodrom-Pläne zeigen bereits negative Wirkung: »Wir haben allein in Rheinsberg drei große Hotels, die unter Konkursverwaltung stehen«, erklärt Schäkel. Allein das zeige, wie empfindlich die Wirtschaft reagiere. Viele Reiseveranstalter buchen bei Hotels der Region nur noch unter Vorbehalt – wird der Bombenabwurfplatz aktiviert, sind die Bestellungen hinfällig.
(...) Auch auf die Frage einer zivilen Nutzung der Heide hatten sich die Organisatoren eingestellt. Anwesend war ein zugezogener Manager aus der Lüneburger Heide. Er machte klar, dass es durchaus eine zivilwirtschaftliche Nutzung für das landschaftlich interessante Gelände geben kann. So werde Heidekraut aus Dänemark und Schottland importiert, um daraus Bio-Filter zu produzieren. Dabei könnten die Pflanzen in der Kyritz-Ruppiner Heide angebaut werden. Und mit einem von zwei Brandenburgern entwickelten Verfahren könnte man die Munition auf dem Gelände sondieren und beseitigen, das seit Jahrzehnten als militärischer Übungsplatz benutzt wurde. Auch Unternehmer aus Nachbarkreisen hatten sich auf den Weg nach Rheinsberg gemacht, um bei der Allianz gegen das Bombodrom dabei zu sein. Einer schlug unter Beifall vor, dass alle Hoteliers und Pensionsbesitzer ein Hausverbot für Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) aussprechen. Gefordert wurde außerdem, dass Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) für die Region und gegen den Bombenabwurfplatz Partei ergreift. (...)
Aus: Neues Deutschland, 17.09.2003

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Während die meisten Blätter noch schweigen, berichtet die etwas andere Internetzeitung www.ngo-online.de am 16. September ausführlich über die Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag zum Nahost-Konflikt:

Der Bundesausschuss Friedensratschlag ruft die Friedensbewegung auf, am 27. September mit lokalen Aktionen, Kundgebungen, Mahnwachen oder Informationsveranstaltungen auf die hochexplosive Lage im Nahen Osten aufmerksam zu machen und von den Regierenden politische Lösungen zur Eindämmung des Konflikts einzufordern. Der 27. September soll in verschiedenen Ländern als Internationaler Aktionstag gegen den Irakkrieg und für einen gerechten Frieden im Nahen Osten begangen werden.
(Es folgte eine längere Wiedergabe der Presseerklärung)
Aus: www.ngo-online.de, 16. 09. 2003

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Zu den Nachwirkungen der Blockadeaktionen an der Frankfurter Airbase gegen den Irakkrieg brachte die "junge Welt" am 8. September ein Interview mit Martin Singe, Komitee für Grundrechte und Demokratie, einem der Organisatoren. Die Fragen stellte Thomas Klein. Darin heißt es u.a.:

Frage: Sie haben kürzlich darauf hingewiesen, daß es demnächst voraussichtlich zu einer Prozeßlawine wegen Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen den Irak-Krieg kommt. Um was geht es dabei?
Es geht um die Teilnahme an Sitzblockaden vor der Frankfurter Airbase in diesem Frühjahr. In dieser Sache wird den Teilnehmern eine Ordnungswidrigkeit, einigen auch Nötigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen. Insgesamt ist das Vorgehen der Staatsanwaltschaft sehr widersprüchlich und für uns nicht nachvollziehbar.
So haben zum Beispiel die am Nordtor der Frankfurter Airbase stattgefundenen Blockaden, im Gegensatz zu denen am Haupttor, den Vorwurf der Nötigung zur Folge. Gleichzeitig wird der Deal angeboten, 250 Euro zu zahlen, dann könne eine Einstellung des Verfahrens erfolgen, weil staatlicherseits in diesem Fall kein Verfolgungsbedürfnis mehr bestehe. Die Blockierer des Südtors haben direkt einen Strafbefehl erhalten, auch hier lautet der Vorwurf »Nötigung«.
F: Worin haben sich denn die Blockaden an den drei Toren unterschieden?
In nichts. Es wurden jeweils mit Sitzblockaden die Tore zur Airbase dicht gemacht. Allerdings beteiligten sich an den Nebentoren nur ein paar Dutzend Aktivisten, während vorm Haupttor bei drei verschiedenen Terminen mehrere hundert Menschen von der Polizei weggeräumt wurden. (...)
F: Wer fühlte sich genötigt?
Es gibt wohl einige Zeugen, die angeben, genötigt worden zu sein, weil sie mit ihrem Auto nicht oder nur auf Umwegen zur Airbase gelangen konnten. (...)
F: Wie kommt es zum Vorwurf »Widerstand«?
Der Vorwurf wird gegen Blokkadeteilnehmer erhoben, die sich untergehakt oder die Schnürsenkel zusammengebunden haben.
F: Wie bitte?
Zwei Teilnehmern wird vorgeworfen die Schnürsenkel zusammengebunden zu haben.
F: Was hat das mit »Widerstand gegen die Staatsgewalt« zu tun?
Tja, das fragen wir uns natürlich auch. Aber bei zusammengebundenen Schnürsenkeln fängt für die Frankfurter Staatsanwaltschaft offenbar der Widerstand an.
Ob zusammengebundene Schnürsenkel oder nicht: Wir empfehlen allen, Widerspruch einzulegen und es auf einen Prozeß ankommen zu lassen. (...)
Aus: junge Welt, 08.09.2003

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Die dezentralen Aktivitäten der Friedens- und Gewerkschaftsbewegung zum Antikriegstag fanden allenfalls Eingang in die Lokalteile der Zeitungen, in einigen Fällen (z.B. die Aktion des Kasseler Friedensforums) auch in die Regionalprogramme des Fernsehens. Über einige Aktionen berichtete die "junge Welt" in ihrer Ausgabe vom 3. September u.a.:

Etwa 500 Menschen demonstrierten am Montag ... in der verregneten Hamburger Innenstadt. Themenschwerpunkte in den Redebeiträgen waren die Kriegspolitik und der Sozialraub der Bundesregierung. »Wir demonstrieren anläßlich des 64. Jahrestags des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf Polen«, sagte ein Sprecher des Hamburger Forums für Frieden und Völkerverständigung, das wie jedes Jahr die Demonstration organisiert hatte. »Die Lehre aus der deutschen Geschichte kann nur sein: Deutsche Soldaten haben im Ausland nichts zu suchen.«
»Kriegslogik und Sozialabbau sind zwei Seiten einer Medaille«, erläuterte Holger Giebner vom gewerkschaftlichen Arbeitskreis Frieden. »Denn es sind die gleichen propagandistischen Strickmuster, mit denen Kriege gegen andere Länder und Sozialabbau gegen Alte und Kranke inszeniert werden. Ein Trommelfeuer von Bedrohungslügen ŕ la Hufeisenplan in Jugoslawien oder Chemiewaffen im Irak schießt die Köpfe reif für einen imperialistischen Raubzug. Des einen Chemiewaffen-Hussein ist eben des anderen Miami-Rolf.«
Damit spielte der Gewerkschafter auf die derzeitige Hetzkampagne der Bild-Zeitung an. Das Springer-Blatt behauptet, in Miami einen deutschen Sozialhilfeempfänger namens Rolf aufgetan zu haben, der jeden Monat seine Stütze kassiert und am kalifornischen Sonnenstrand verpraßt. »So wird zuerst der Neid geschürt auf eine anwachsende Gruppe von Menschen, die mit weniger als 300 Euro im Monat auskommen muß«, so der Friedensaktivist von der Gewerkschaft, »dann werden die Sozialleistungen gekürzt. Ist mit Hilfe von Miami-Rolf die Sozialhilfe erst einmal abgesenkt, lassen sich auch niedrigere Entgelte in prekären Beschäftigungsverhältnissen besser durchsetzen.«
(...) Demonstrationen gab es am Antikriegstag auch in zahlreichen anderen deutschen Städten. So forderten der »Initiativkreis Wehrmachtsausstellung« und Vertreter der IG Metall in Dortmund »Abrüstung statt Sozialabbau«. Die Initiatoren stellten den milliardenschweren Rüstungsprojekten wie Eurofighter, Militärhubschrauber, Kriegsfregatten und Panzer soziale Alternativen wie preiswerte Wohnungen, Schulen, Kindergärten und Pflegeheime gegenüber. Zu einem Marsch »gegen Geschichtsrevisionismus, Antiamerikanismus und deutsch-europäische Großmachtsambitionen« kamen am Montag etwa 300 Menschen in Leipzig zusammen.
Aus: junge Welt, 3. September 2003

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Wie jedes Jahr am Antikriegstag wurde auch diesmal am 1. September der "Aachener Friedenspreis" verliehen. Die Frankfurter Rundschau berichtete am 2. September in einer kurzen Meldung (Rubrik: "Zur Person"):

Die israelischen Friedensaktivisten haben zusammen mit der deutschen "Initiative Ordensleute für den Frieden" (IOF) den Aachener Friedenspreis 2003 erhalten. Das Friedenspreis-Komitee erklärte zur Begründung, der Holocaust-Überlebende Moskovitz (75) und die Palästinenserin mit israelischem Pass, Espanioly (48), engagierten sich unermüdlich in der Friedensbewegung und im jüdisch-palästinensischen Dialog. Ebenso vorbildlich sei das gewaltfreie Eintreten der IOF für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Abrüstung seit den Protesten gegen den Nato-Raketenbeschluss vor 20 Jahren. (kna)

Die Rheinische Post kündigte einen Tag zuvor die Veranstaltung an:

Der Aachener Friedenspreis geht in diesem Jahr an einen Juden und an eine Palästinenserin. Am Montag werden die israelischen Friedensaktivisten Reuven Moskovitz und Nabila Espanioly mit dem Preis für ihre Bemühungen zur Verständigung zwischen Juden und Palästinensern ausgezeichnet.
Nationale Preisträger sind die Ordensleute für den Frieden. Der Initiative gehören auch Christen und Nicht-Christen an. Den Preis erhalten seit 15 Jahren Männer und Frauen, die zur Verständigung der Menschen und Völker "von unten" beigetragen haben.
Rheinische Post, 1. September 2003 (nach der Online-Ausgabe)

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Volker Macke berichtete am 1. September über einen Friedenskongress, der am 30./31. August in Hannover stattfand:

Die Systemfrage wollten nicht alle sofort stellen. Aber dass Rüstung, Krieg und Sozialabbau zusammengehören und europaweit auch gemeinsam beantwortet werden müssen, war vielen Teilnehmern des Zweiten Friedenspolitischen Kongresses in Hannover bald klar. Irgendwie jedenfalls. Konkretes aber fehlte häufig.
Rot-Grün räume dieser Tage mit einem Gerücht auf, meinte der Soziologieprofessor Arno Klönne, Referent am Samstag im Hannoverschen Pavillon. Nicht soziale Sicherheit sei laut in Berlin regierendem Zeitgeist nötig und möglich, sondern eine andere Sicherheit, eine militärische, meinte der "Ossietzky"-Mitherausgeber. Eine Reihe örtlicher und niedersächsischer Friedensgruppen hatten Experten aus Wissenschaft und Bewegung zum Zweiten Friedenspolitischen Kongress geladen. Die Leitfrage der zweitägigen Debatte: Militärmacht Europa? Die Antwort: Aber sicher. Deutschland versuche sich als Vormacht innerhalb einer aufstrebenden europäischen Militärmacht zu etablieren, sagte der Soziologe. Rot-Grün handele nach dem Motto "Nur der erhält etwas vom Bären, der an der Jagd teilnimmt." Die Enttabuisierung des Militärischen gehe nicht zufällig einher mit dem aktuellen Sozialabbau. Von einem gemeinsamen "Angstrohstoff" als Grundlage beider Phänomene - Sozialabbau und Rüstung - sprach Ellen Diederich vom Internationalen Frauenfriedensarchiv Fasia Jansen in Oberhausen.
Diesen Zusammenhang mochte Heinz Bontrup, Professor für Ökonomie an der Fachhochschule Gelsenkirchen, nicht unterstützen. Rüstungsausgaben seien in den vergangenen Jahren, prozentual aufs Bruttoinlandsprodukt bezogen, eher zurückgefallen. Hatte Deutschland in den achtziger Jahren rund 3,5 Prozent für Rüstung ausgegeben, war es 2001 nur noch rund ein Prozent. Einen Zusammenhang im Wertesystem aber hat der Wirtschaftswissenschaftler dann doch ausgemacht. Sozialabbau sei neoliberale Gläubigkeit ebenso wie die Rüstungslogik.
Diese hält derzeit auch im Weltraum Einzug. Das europäische Navigationssystem Galileo soll künftig ebenso für militärische Zwecke genutzt werden wie Umweltbeobachtungssatelliten. Von den europäischen Militärprogrammen für den Weltraum berichtete Regina Hagen vom International Network of Engineers and Scientists Against Proliferation (INESAP). Die Aufrüstungspläne am Himmel stehen in einem so genannten Grünbuch der Europäischen Kommission. Deutschland mischt dabei ganz vorne mit. Einen speziellen, rein militärischen Radar-Aufklärungssatelliten namens SAR-Lupe entwickelt Deutschland eigenständig - als angehende Führungsmacht in einer europäischen Militärallianz.
Aus: Neues Deutschland, 1. September 2003a

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Noch einmal Afghanistan-Einsatz: Am 29. August berichtete das "Neue Deutschland" über die weit verbreitete Kritik von humanitären Organisationen an der Entscheidung des "Sicherheitskabinetts", das Bundeswehrengagement auf Kundus auszuweiten. Dem Artikel war folgendes Zitat angehängt:

Die Absicht der Bundesregierung, den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan auf Kundus zu erweitern, wird von bedeutenden Teilen der Friedensbewegung abgelehnt. Wenn es wirklich darum ginge, Land und Leuten in Afghanistan beim Aufbau ziviler Strukturen zu helfen, dann gibt es andere Möglichkeiten, als einen weiteren teuren Bundeswehreinsatz zu finanzieren.
Aus einer Erklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag vom 27. August 2003
(ND 29.08.03)

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Im Kontrast dazu diesmal eine unverständliche Schelte der "jungen Welt" an die Adresse der Friedensbewegung. Rüdiger Göbel kritisiert in einem Kommentar die mangelnde Prioritätensetzung:

Der 1. September rückt näher, da melden sich Friedensgruppen in Deutschland aus der Sommerpause zurück. Sie haben nach den heißen Tagen viel zu tun: Kanzler Schröder hat in Afghanistan mit Kundus für die Bundeswehr eine neue Stadt zum Besetzen ausgesucht, und auch im Irak zeichnet sich eine deutsche Unterstützung des US-Besatzungsregimes ab. Konkrete politische Ansatzpunkte sind mithin gegeben. Doch wer online unter www.friedenskooperative.de, dem wohl findigsten Termin- und Recherchedienst der Friedensbewegung im Internet, sucht, stellt schnell fest: Weder die Vorneverteidigung Deutschlands am Hindukusch noch das Kokettieren mit einem deutschen Irak-Einsatz spielen in den Antikriegsaktivitäten im Herbst eine zentrale Rolle. (...)
Offensichtlich liebt man es hierzulande traditionell und behäbig statt aktuell und provokativ. Afghanistan und Irak haben weder Priorität noch Konjunktur. Während zu Jahresbeginn im Angesicht der nahenden US-Invasion am Golf die verschiedensten Gruppen ihre Kräfte bündelten und damit Hunderttausende Menschen auf die Straßen der Republik brachten, verfiel die Friedensbewegung mit dem Fall Bagdads und dem Sturz Saddam Husseins in ihre alten Muster – und sommerliches Nachkriegsschweigen. (...)
Aus: junge Welt, 29.08.2003

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Nun kommen - wie das in Deutschland so üblich ist - die juristischen Nachwirkungen der Antikriegs-Proteste vom Frühjahr. Die Frankfurter Rundschau berichtete z.B.:

Vier Monate nach Ende des Irak-Konflikts rechnet die deutsche Friedensbewegung mit einer Prozesslawine gegen Kriegsgegner. Mehr als 1300 Menschen, die sich im Frühjahr an gewaltfreien Widerstandsaktionen vor der US-Airbase in Frankfurt am Main beteiligt hatten, hätten inzwischen Bußgeldbescheide über jeweils 118,50 Euro erhalten, teilte das Netzwerk Friedenskooperative am Mittwoch in Bonn mit. Zusätzlich seien gegen einige der Beteiligten wegen des Vorwurfs der Nötigung und gegen Koordinatoren der "Resist The War"-Kampagne wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz Strafbefehle erlassen worden. Nahezu alle Betroffenen hätten Einspruch gegen die Bescheide eingelegt.
Die Friedensbewegung bewertete das Vorgehen der Behörden als Einschüchterungskampagne, die nicht den erwünschten Erfolg gebracht habe. Alle Betroffenen würden sich vor Gericht "gegen die erhobenen Vorwürfe zur Wehr setzen". Erstmals seit den achtziger Jahren werde es wieder Massenprozesse wegen gewaltfreien Widerstandes gegen Krieg geben. Erste Prozesse seien bereits für September geplant. Die Beschuldigten wollten darin deutlich machen, dass der Irak-Krieg gegen Völkerrecht und Grundgesetz verstieß.
Aus: FR, 28.08.2003

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Die Entscheidung des "Sicherheitskabinetts" der Bundesregierung vom 27. August 2003, das Bundeswehrmandat über Kabul hinaus auszuweiten, wird in den meisten Medien breit dargstellt. Die Kritik der Friedensbewegung fand seltener Eingang in die Medien. Die Internetzeitung www.ngo-online schreibt bereits am selben Tag:

(...) Der Kundus-Einsatz der Bundeswehr soll nach dem Willen der Bundesregierung im Rahmen eines erweiterten Mandats für die Internationale Schutztruppe ISAF erfolgen. Notwendig dafür ist aber eine Entscheidung des UN-Sicherheitsrates, da die rund 5000 ISAF-Soldaten laut UNO-Beschluss bisher nur in der afghanischen Hauptstadt Kabul aktiv werden dürfen.
Durch die Entscheidung zugunsten von ISAF sollen die deutschen Soldaten nicht unter dem "Anti-Terror"-Mandat "Enduring Freedom" operieren, was wegen der einfacheren Kommandostrukturen zunächst in Bundeswehrkreisen befürwortet worden war.
(...) Die PDS kritisierte, durch das deutsche Engagement sollten US-Ressourcen für den Irak-Krieg freigesetzt werden: "Nicht die Stabilisierung von Afghanistan, sondern die Aufbesserung des Verhältnisses zu den USA ist der zentrale Punkt der Entscheidung der Bundesregierung", sagte Wolfgang Gehrcke, Mitglied des Bundesvorstandes der Partei. Gerade zivile Hilfsorganisationen machten darauf aufmerksam, dass die Verknüpfung ihrer Arbeit mit Militäreinsätzen neue Gefährdungspotentiale für zivile Helfer schaffe. Zudem fehle eine langfristige politische Konzeption für die Unterstützung der Demokratie in Afghanistan. Auch die CDU bemängelte das Fehlen eines politischen Gesamtkonzeptes. Selbst FDP-Chef Guido Westerwelle bemerkte, die deutsche Politik müsse aufpassen, dass das Militärische "nicht zum Ersatz für die Außenpolitik" werde.
"Wenn es wirklich darum ginge, Land und Leuten in Afghanistan beim Aufbau ziviler Strukturen zu helfen, dann gibt es andere Möglichkeiten, als einen weiteren teuren Bundeswehreinsatz zu finanzieren", sagte auch Peter Strutynski, Sprecher des Bundesausschuss Friedensratschlag. Es gibt in Afghanistan Regionen wie Charikar, in der Provinz Parwan, in denen Hilfsorganisationen willkommen seien und in einem sicheren Umfeld arbeiten könnten. Das Geld sei dafür viel besser eingesetzt. (...)
Aus: ngo-online, 27.08.2003 (URL: http://www.ngo-online.de/ganze_nachricht.php4?Nr=6796)

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In der "jungen Welt" erschien am 26. August 2003 ein Interview mit dem Friedensaktivisten Roland Blach (Landesgeschäftsführer der DFG-VK Baden-Württemberg und Mitorganisator der am 31. August in Ramstein beginnenden Fahrradtour "Atomwaffen abschaffen"). Auszüge darausInterview führte Thomas Klein):

Frage: In diesen Tagen ist bekannt geworden, daß die US-Streitkräfte Interesse an einer neuen Waffe bekunden – der Hafnium-Bombe. Diese könne eine ungeheure Zerstörungskraft entwickeln und falle, so das Pentagon, nicht unter die Rubrik Nuklearwaffe, weil sie ohne Kernspaltung detoniere. Ist vor diesem Hintergrund die Forderung nach Abschaffung der Atomwaffen noch zeitgemäß?
Blach: Ja, ganz einfach deshalb, weil wir sowohl die nukleare als auch die konventionelle Forschung und Hochrüstung ins Visier nehmen. Schließlich gibt es hier eine ganz bedrohliche Entwicklung. Die Stichworte bunkerbrechende Waffen, Mininuklerarwaffen und was da sonst noch alles in der Entwicklung ist oder bereits produziert wird, stehen dafür, daß zukünftig konventionelle und atomare Kriegsführung immer mehr vermischt werden sollen.
Unsere Zielsetzung bei der »Atomwaffen abschaffen«-Tour geht ja ein bißchen weg von der atomaren Rüstung. Uns geht es natürlich auch darum, die fatalen Konsequenzen in politischer und waffentechnologischer Hinsicht aufzuzeigen, die sich aus dem von der US-Regierung propagierten »Krieg gegen den Terror« ergeben.
F: Welche Konsequenzen meinen Sie konkret?
Sogar der präventive Einsatz unterschiedlicher Atomwaffen auch gegen Staaten, die nicht selbst Atomwaffen besitzen, ist mittlerweile offizieller Bestandteil der US-Regierungspolitik. Und mit der Entwicklung solche Waffen wie die sogenannten Miniatombomben wird die Schwelle zu einem Einsatz dieser grauenvollen Waffen leichter überschritten und damit ein Atomkrieg wieder wahrscheinlicher. Wir fordern in diesem Zusammenhang auch von der Bundesregierung, die atomare Teilhabe, die durch den Einsatz von Tornados in Büchel stattfindet, umgehend zu beenden.
(...) F: Sind dabei auch solche Aktionen wie »Zivile Inspektionen« vorgesehen, die in der Vergangenheit bereits mehrfach durch Polizeieinsätze beendet wurden?
Ja, wir kündigen schon jetzt an, daß zivile Inspekteure die Militärstandorte Ramstein, Spangdahlem und Büchel aufsuchen werden. Wir wollen alles bezüglich Produktion, Transport, Lagerung und Einsatz von Massenvernichtungswaffen überprüfen. Und wir setzen dabei auf volle Kooperation seitens der Militärs, der Polizei und der Behörden vor Ort.
Aus: junge Welt, 26.08.2003

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Gert Julius berichtet am 26. August in der "jungen Welt" über die Tagung des Bundesausschusses Friedensratschlag vom vergangenen Wochenende u.a.:

Die Teilnehmer des am vergangenen Samstag in Kassel tagenden Bundesausschusses Friedensratschlag diskutierten vier Stunden lang die aktuelle politische Lage. Zunächst ging es um die Haltung der Bundesregierung zum Bombodrom in der Prignitz nahe Wittstock. Die Anwesenden waren sich in Anbetracht der Tatsache, daß den Anwohnern und Gästen 1700 Überflüge im Jahr drohen und noch nicht feststeht, in welcher Größenordnung den Bündnispartnern der BRD Überflugrechte eingeräumt werden, einig. Diese Belastung ist unzumutbar für alle.
(...) Für Empörung sorgte ... die Nachricht aus dem Verteidigungsministerium, derzufolge die Aufstockung der KSK-Einheiten (»Kommando Spezialkräfte«) der Bundeswehr von derzeit 450 auf etwa 1000 Soldaten geplant ist. Ausschußsprecher Peter Strutynski wertete das Aufstellen weiterer Militäreinheiten zu Interventionszwecken als fortgesetzten Bruch der Verfassung, die eine Aufstellung von Streitkräften ausschließlich zu Zwecken der Landesverteidigung vorsieht.
(...) Einvernehmen bei den Anwesenden bestand in der Absicht, die bereits eingeleitete und gut laufende Unterschriftenkampagne »Abrüstung statt Sozialabbau« in den nächsten Wochen weiterzuführen. Hierzu sollten insbesondere der Antikriegstag am 1. September, viele Protestveranstaltungen und Infotische genutzt werden.
Aus: junge Welt, 26.08.2003

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Über dieselbe Versammlung veröffentlichte die Internetzeitung www.ngo-online einen großen Teil der Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag (URL: http://www.ngo-online.de/ganze_nachricht.php4?Nr=6768).
Die geplante Aufstockung der KSK-Verbände von 450 auf 1.000 Soldaten wird von der Friedensbewegung natürlich abgelehnt. In den Zeitungsberichten vom 25. August spiegelt sich diese Kritik aber nur ausnahmsweise wider. Hier ein Auszug aus einem Artikel der inn Kassel erscheinenden Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen (HNA):

(...) Empört meldet sich noch am Wochenende die Friedensbewegung zu Wort: "Seit November 2001 operiert das KSK in Afghanistan in einer verfassungspolitischen Grauzone", kritisiert der Kasseler Peter Strutynski, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag. Eine auf geheime Kommadosachen in aller Welt getrimmte Eliteeinheit sei aber das Gegenteil dessen, was Rot-Grün in ihrem Regierungsprogramm mit "Außenpolitik ist Friedenspolitik" versprochen habe. (...)
Aus: HNA, 25.08.2003

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Was von einem nahmhaften deutschen "Bewegungsforscher" schon über die Großdemonstration am 15. Februar 2003 in Berlin wurde, wird nun auch in einer Schweizer Untersuchung bestätigt: Friedensdemonstranten sind überwiegend "Linke". Darüber berichtete jedenfalls die - österreichische "Tiroler Tageszeitung":

Zürich (APA) - Die große Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer war gegen den Krieg der USA im Irak. An den großen Demonstrationen in der Schweiz im Februar und März beteiligten sich aber fast ausschließlich Menschen, die politisch links stehen. Die Schweizer Friedensbewegung ist klar eine linke Bewegung, hält eine Studie über die Anti-Irakkrieg-Demonstrationen fest. "Das ist insofern überraschend, als fast die ganze Bevölkerung in der Schweiz den Krieg ablehnte", sagt Michelle Beyeler, Mitarbeiterin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich.
Für die sehr kleine Beteiligung von Bürgerlichen hat die Politologin Beyeler eine Vermutung: Die Ausschreitungen von WEF-Gegnern Ende Jänner in Bern hätten viele Nicht-Linke davor abgeschreckt, an den Anti-Krieg-Demonstrationen teilzunehmen. Zudem hätten durchwegs linke Gruppierungen zur Kundgebung aufgerufen. Die Befragung ergab, dass Jugendliche, Angestellte des öffentlichen Sektors, Akademiker sowie politisch Interessierte und vor allem politisch links Stehende an den Demonstrationen überdurchschnittlich präsent waren.
Aus: Tiroler Tageszeitung (online), 24. August 2003

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Vom Hiroshima-Tag am 6. August machte die hiesige Presse nicht viel Aufhebens. Lediglich über die Gedenkfeier in Japan selbst wurde kurz berichtet - meist in Form eines Fotos mit entsprechendem Untertext. In Österreich kündigte der "Kurier" wenigstens die Aktivitäten der Friedensbewegung an. Der in dem Artikel erwähnte Sprecher der Friedensbewegung, Alois Reisenbichler, ist den "Friedensratschlags"-Besuchern kein Unbekannter, gehört er doch schon seit Jahren zu den Stammgästen in Kassel.

(...) Die Wiener Friedensbewegung wird zusammen mit der Hiroshima-Gruppe Wien der Opfer der US- amerikanischen Atombombenabwürfe auf Hiroshima (6.8) und Nagasaki(9.8) gedenken. Die Feier wird am Mittwoch um 17.00 Uhr auf dem Wiener Stephansplatz beginnen und mit einem Laternenmarsch zum Teich vor der Karlskirche gegen 20.30 Uhr beendet werden.
Nach Angaben des Sprechers der Wiener Friedensbewegung Alois Reisenbichler werden 200 bis 300 Personen erwartet; prominente Friedensaktivisten werden Grußbotschaften präsentieren.
(...) Reisenbichler befürchtet, dass die Vereinigten Staaten den Bau von "Super-A-Bomben" für den Einsatz in ihrem "Krieg gegen Terror" planen. Weiters betonte er, wie wichtig ein globales Verbot von A-Bomben sei. Die Vorhaben der Regierung der USA zeige, wie dringend die Aktualität des morgigen Engagements gegen Atomwaffen und Atomkrieg sei.
Auch die KPÖ fordert hinsichtlich des Hiroshima- Gedenktages ein weltweites Abrüsten und die Vernichtung aller Atomwaffen. "Es kann es nur eine sichere Welt geben, wenn das Prinzip der Gewaltfreiheit die internationalen Beziehungen bestimmt. Das Verhalten der EU ist skandalös, die sich an der Bildung einer EURO-Armee orientiert und das neutrale Österreich immer mehr die Militarisierung der eigenen Außen- und Sicherheitspolitik vorantreibt", so KPÖ-Vorsitzender Walter Baier.
Aus: Kurier, 5.08.2003

In Deutschland wurde vor allem in den Regional- und Lokalblättern über die Aktivitäten der Friedensbewegung berichtet. Die Frankfurter Rundschau brachte immerhin am 6. August auf der Dokumentationsseite die jüngste Rede vom emeritierten Physikprofessor Joseph Rotblat, in der er auf die Gefahr eines neuen nuklearen Wettrüstens aufmerksam macht. Die "junge Welt" berichtete am 6.August u.a.:

Am heutigen Mittwoch und am kommenden Sonnabend gedenkt die Friedensbewegung in aller Welt der Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki vom 6. und 9. August 1945. "Auch 58 Jahre nach der atomaren Katastrophe gibt es keinen Grund zur Entwarnung", heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag. Nach Angaben der Organisation lagern allein in den Arsenalen der fünf "offiziellen Atommächte" - USA, Frankreich, Großbritannien, Rußland und China - insgesamt rund 35000 Atombomben. Jede einzelne davon verfüge über eine vielfache Zerstörungskraft der vergleichsweise "kleinen" Hiroshima-Bombe.
Auf ein wieder gewachsenes Gefahrenpotential, nicht zuletzt ausgehend von den USA, verweisen die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW). Die im Rahmen der Nationalen Sicherheitsstrategie der US-Regierung geplante Entwicklung von einsetzbaren Atomwaffen bedeute nichts anderes als eine atomare Erpressung der Welt, kritisierte Horst-Eberhard Richter, Gründungs- und Ehrenvorstandsmitglied der deutschen IPPNW-Sektion, gestern in einer Pressemitteilung. Washington bedrohe jedes Land mit Gewalt, "das die Übermacht der USA gefährde". "Die Falken in Politik und unter den US-Militärs ebnen den Weg zu neuen Atomwaffen wie Bunker-Buster gegen tiefliegende Bunker oder taktische Mininukes mit einer Sprengkraft von fünf Kilotonnen TNT", beklagte Richter.(...)
Als besonders makaber empfindet es Richter, daß sich ausgerechnet zu den Jahrestagen von Hiroshima und Nagasaki Vertreter des Pentagon und des US-Energieministeriums auf einer Militärbasis in Nebraska treffen werden, um trotz Atomtestmoratorium die Erprobung kleiner Atomwaffen zu besprechen. Vorausgegangen sei ein Vorstoß der Regierung Bush, mit dem das einzige unabhängige Prüfungsorgan US-amerikanischer Atomwaffenpolitik, das beim Energieministerium angesiedelte "National Nuclear Security Administration Advisory Committee" (NNSA), in aller Stille aufgelöst wurde. Kritik übt die IPPNW auch an Deutschland, das sich tatkräftig als Erfüllungsgehilfe der einzig verbliebenen Supermacht verdient macht. Entsprechend fordert die Ärzteorganisation von der Bundesregierung, die fortgesetzte Teilhabe eines deutschen Tornado-Geschwaders am NATO-Nuklearwaffen-Kontingent, die Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) mit der zunehmenden Bedrohung durch "unberechenbare Staaten mit Atomwaffen" rechtfertigt, umgehend zu beenden.
Mit den vielfältigen Aktionen zum 6. und 9. August will die Friedensbewegung ein Zeichen setzen für den überfälligen Beginn einer weltweiten atomaren Abrüstung. Dabei geht es sowohl darum, die Weiterverbreitung von Nuklearwaffentechnologie und atomwaffenfähigem Material zu verhindern, als auch die Atomwaffenstaaten endlich zu drastischen Abrüstungsschritten zu drängen.

Aus: junge Welt, 6. August 2003


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