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7. bis 20. April 2003

Friedensbewegung in den Medien

Ab Karfreitag finden wieder Ostermärsche im ganzen Land statt. Rundfunk und Fernsehen berichten in ihren Hauptnachrichtensendungen. Die Presse folgte am Tag darauf:

An den Ostermärschen der Friedensbewegung haben sich zum Start am Karfreitag mehrere hundert Menschen beteiligt. Im Mittelpunkt der Demonstrationen, Mahngänge und Gedenkfeiern stand nach Angaben des zentralen Ostermarschbüros die Forderung nach Ächtung des Krieges gegen Irak.
Am Rande eines Friedensgottesdienstes am US-Luftwaffenstützpunkt auf dem Frankfurter Flughafen nahm die Polizei drei "Ordensleute für den Frieden" fest. Nach Polizeiangaben hatten sie zwei Zäune durchgeschnitten.
In Dresden startete eine mehrtägige Fahrradtour für den Frieden. In Dortmund legten Kriegsgegner an den Gräbern von Zwangsarbeitern Kränze nieder. An einem "Kreuzzug" für die Rechte von Flüchtlingen in Hamburg beteiligten sich mehrere hundert Menschen.
Insgesamt wollen die Ostermarschierer an den Feiertagen mit rund 100 Aktionen für Frieden demonstrieren. Der Sprecher Willi van Ooyen zeigte sich mit der Resonanz des ersten Tages zufrieden.
Frankfurter Rundschau, 19.04.2003

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In verschiedenen überregionalen Zeitungen wurde Mitte der Woche auf die bevorstehenden Ostermärsche aufmerksam gemacht. In der Süddeutschen Zeitung hieß es unter der Überschrift "Ostermärsche im Zeichen des Krieges" u.a.:
>br> (...) Bundesweit seien über die Feiertage mehr als 90 Aktionen geplant, teilte das Ostermarschbüro in Frankfurt mit. Im Vorjahr waren es 70. "Die Menschen sind durch die riesigen Anti-Kriegs-Aktionen im Februar und März politisiert", sagte Ostermarschbüro-Sprecher Willi van Ooyen. Zwar werde die Beteiligung nicht an die Zahlen von vor zweit Monaten heranreichen, als allein in Berlin 500.000 Kriegsgegner demonstrierten. Das Bewusstsein und der Protestwille seien jedoch geweckt. (...)
Süddeutsche Zeitung, 16.04.2003

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Auch am Wochenende (12./13. April) fanden wieder zahlreiche Demonstrationen gegen den Irakkrieg statt. Weniger in Deutschland, mehr in anderen Ländern. In der Süddeutschen Zeitung hieß es dazu u.a.:

Ungeachtet des sich abzeichnenden Endes des Irak-Krieges sind am Wochenende in aller Welt wieder Hunderttausende Menschen gegen den Krieg auf die Straße gegangen. (...) Demonstrationen fanden unter anderem in Berlin, London, Paris, Madrrid, Rom, Mexiko-Stadt und Dhaka statt. (...)
In Berlin ließ der Protest der Kriegsgegner nach. Am Samstag kamen unter dem Motto "Friede statt Besatzung" etwa 12.000 bis 15.000 Menschen zusammen. (...) Redner wandten sich bei der Abschlusskundgebung vor allem gegen die Rolle der USA im Irak-Konflikt. (...)
In London gedachten Zehntausende Kriegsgegner in einer Schweigeminute vor dem Parlament der Opfer des Krieges. (...) Die Veranstalter sprachen von über 150.000 Teilnehmern, die Polizei nannte die Zahl 20.000. (...)
Zu vereinzelten Ausschreitungen kam es in Rom, wo sich ebenfalls Zehntausende Menschen versammelten, um gegen den Golfkrieg und für Frieden in der Welt zu demonstrieren. Die Politik der USA wurde scharf kritisiert. (...)
In Paris forderten rund 11.000 Menschen den Rückzug der von den USA geführten alliierten Truppen aus dem Irak. (...)
Fast 50.000 Menschen protestierten in Bangaldesch gegen den Krieg. (...) Auf Plakaten hieß es, mit ihren Angriffen hätten die USA und Großbritannien Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. (...)
Süddeutsche Zeitung, 14.04.2003

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Zur Berliner Kundgebung gab es gleich mehrere Artikel, die sich mit dem geringeren Zulauf befassten. Die Berliner Zeitung etwa berichtete:

Die Demonstration gegen den Irak-Krieg am Sonnabend ist deutlich kleiner ausgefallen als die Proteste der vergangenen Wochen. Die Polizei zählte rund 12 000 Menschen, die vom Lützowplatz in Tiergarten zur Siegessäule und weiter zum Brandenburger Tor zogen. Die Veranstalter vom Bündnis "Achse des Friedens Berlin" sprachen von 20 000 Teilnehmern, die an diesem weltweiten Protesttag in Berlin auf die Straße gingen. Vorher waren es 50 000 Menschen.
Die Veranstalter hatten vorab auf das nahende Ende des Irak-Krieges reagiert und ihr Motto geändert. Statt "Stoppt den Krieg" lautete es nun "Friede statt Besatzung". Zwei Schülerinnen kritisierten bei der Kundgebung am Brandenburger Tor "eine Weltordnung, die von einem Hegemon dominiert wird" und forderten die alliierten Streikräfte auf: "Raus aus dem Irak." Friedensforscher Otfried Nassauer verlangte, dass die UN-Waffeninspektoren in den Irak zurückkehren.
Greenpeace hatte einen Kuchen in Form eines Panzers gebacken, von dem die Demonstranten gegen eine Spende probieren konnten. Verschiedene Bands spielten auf der Bühne und verwandelten die Demonstration in ein Straßenfest. Die Organisatoren zeigten sich von der Teilnehmerzahl enttäuscht. "Durch die aktuellen Bilder sind viele Kriegsgegner entmutigt", sagte Carl Waßmuth von Attac.
Berliner Zeitung, 14.04.2003

Die taz zählte so auf, wer alles gekommen war:

Zunächst wirkte es wie eine seltsame Ungleichzeitigkeit: Während die militärische Seite des völkerrechtswidrigen Kriegs gegen den Irak glücklicherweise zu Ende geht und man sich vor dem Fernseher darüber aufregt, dass die Besatzer es ein paar Tage lang nicht einmal für nötig hielten, Krankenhäuser zu beschützen, protestierten die Antikriegsgruppen, die sich in der "Achse des Friedens" organisiert hatten, vermutlich ein letztes Mal gegen den Krieg im Irak. 5.000 wie Presseagenturen meldeten, 20.000 nach Angaben der Veranstalter, hatten sich am Samstagnachmittag vor der CDU-Zentrale am Berliner Lützowplatz versammelt und waren von dort aus zum Brandenburger Tor gezogen. Pazifisten, Sozialisten, Greenpeace-Aktivisten, Trotzkisten, Friedensbewegungsveteranen, Schüler, Attac-Aktivisten und viele Einzelne, die sich von keiner Organisation repräsentiert fühlten, protestierten noch einmal gegen den Krieg, der nicht dadurch gerechtfertigt ist, dass er von den Alliierten gewonnen wurde. (...)
taz, 14.04.2003

In der Frankfurter Rundschau hieß es über diese Demonstranten u.a.:

(...) Klar waren sie gekommen, um sich zu beschweren. Mehr noch aber, um sich zu zeigen. Um da, dabei und zusammen zu sein. Um vor dem Brandenburger Tor Ska zu tanzen und durchgesagt zu bekommen, dass anderswo auch Leute auf der Straße sind. Um auf dem Boden sitzend Flugblätter zu lesen, sich Protest-T-Shirts zu kaufen und sich generationsübergreifend zuzunicken. Die unter zwanzig und die über sechzig - es scheint, als würde die neue Friedensbewegung außer von den Protestfunktionären vor allem von ihnen getragen. Von jenen, die - schon oder noch - außerhalb der Erwerbsfunktionalität stehen. Von jenen, deren Denken sich nicht immer auch gleich rechnen muss. Und so ungerichtet die Politisierung im individuellen Fall auch sein mag, eines lässt sich man über diese Gruppe mit Bestimmtheit sagen: ihr Wachstum ist garantiert.
FR, 14.04.2003

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Am vermeintlichen Ende des Irakkriegs versuchen die Medien die Stimmung und Mobilisierungsfährigkeit der Friedensbewegung einzufangen. In der Frankfurter Rundschau ("Gegen Krieg, für neue Ordnung" von Pitt von Bebenburg) liest sich das so (Auszüge):

(...) Die deutsche Friedensbewegung rechnet auch nach einem Ende der schweren Kämpfe um Bagdad mit bis zu 100000 Anti-Kriegs-Demonstranten an diesem Wochenende. Anlass zum Protest gebe es sogar "unabhängig davon, ob der Krieg offiziell für beendet erklärt wird", sagt Carl Waßmuth von der Organisation Attac. Neben zahlreichen dezentralen Veranstaltungen ist eine Großdemonstration in Berlin geplant, die um 14 Uhr am Lützowplatz gegenüber der CDU-Zentrale starten und zum Brandenburger Tor ziehen soll.
Die Organisatoren fordern wie schon seit Wochen einen sofortigen Stopp des Krieges und eine Sperrung des deutschen Luftraums für das US-Militär. Am Donnerstag fügten sie den Slogan "Friede statt Besatzung" hinzu. Die Friedensbewegung besitze nach ihrem massiven öffentlichen Auftreten in den vergangenen Wochen "eine großartige Chance", politische Konzepte für die Zukunft mit zu entwickeln, meint Fred Klinger von Pax Christi. Der Protest richte sich gegen den Versuch der USA, weitere Länder der Region unter ihre Kontrolle zu bringen. Auch deswegen lehne die Friedensbewegung "jede fremdbestimmte Nachkriegsordnung" für Irak ab, fügt Attac-Mann Waßmuth hinzu.
Der Kasseler Politikprofessor Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag schlägt vor, die "Anti-Haltung" der Friedensbewegung durch konkrete Vorschläge für eine Friedensordnung zu ergänzen. So solle das Ziel, Massenvernichtungswaffen zu beseitigen, weiter verfolgt werden. Waffeninspektoren sollten "auch in die USA, nach Großbritannien, Frankreich, Russland, China, selbstverständlich auch nach Deutschland" geschickt werden. Zudem solle sich die Friedensbewegung stark machen für die Vereinten Nationen und fordern, dass der UN-Sicherheitsrat den Krieg verurteilt, weil er sonst "nachträglich legitimiert und die neue Weltordnung nach US-Muster anerkannt" würde.
Ob diese politischen Überlegungen die Menschen wie in den vergangenen Wochen wieder massenhaft auf die Straße bringen, ist in der Friedensbewegung umstritten. Carl Waßmuth meint mit Blick auf die Kontinuität der Proteste, derzeit sei "kein schlechterer Mobilisierungszeitpunkt als zu Beginn des Krieges". Dagegen sagt Peter Strutynski, die Friedensbewegung werde sich einstellen "auf das quantitative Nachlassen des Protestes, das sich bereits angekündigt hat", und "die künftigen Aktionsformen dem veränderten politischen Umfeld anpassen". (...)
Frankfurter Rundschau, 11.04.2003

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Der Berliner "Tagesspiegel" fragt nach dem Zuspruch bei den nächsten größeren Friedensdemonstrationen:

(...) Am kommenden Samstag ruft die „Achse des Friedens Berlin“ zu einer Großdemonstration auf und schließt sich so einem weltweiten Protesttag gegen den Irak-Krieg an. Die Demonstration finde statt, versichert Jens-Peter Steffen vom Friedensbündnis. „Aber es ist eine weitere Losung hinzugekommen: Friede statt Besatzung“, sagte Steffens. Die Bilder feiernder Iraker, die Alliierte als Befreier begrüßen, zeigten nicht die ganze Wahrheit. „Es gibt auch andere arabische Stimmen“, so Steffens, ohne ins Detail zu gehen. Auch Peter Strutynski vom bundesweiten friedenspolitischen Ratschlag in Kassel sieht ebenfalls keinen massenhaften Zuspruch der Iraker zu den alliierten Soldaten. „Bagdad ist eine Fünf-Millionen-Stadt und einige sind sicherlich froh, dass nicht mehr geschossen wird“, vermutet Strutynski.
Malte Kreutzfeldt, Presseprecher von Attac Deutschland, warnt vor einer nachträglichen Legitimierung des Krieges. „Die Bilder jubelnder Menschen dürfen nicht über die wahren Kriegsgründe hinwegtäuschen“, sagte er dem Tagesspiegel. Die weiteren Proteste sollten nun dazu dienen, vor weiteren Kriegen zu warnen, die die amerikanische Regierung schon längst geplant habe.
Tagesspiegel, 11.04.2003

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Am Montag, den 7. April, trafen sich wieder 30.000 (dreißigtausend!) Menschen zur Leipziger Montagsdemo. Ein Phänomen!

Friedensgebet und Montagsdemo - die Leipziger lassen nicht locker, ihren Protest gegen den Krieg im Irak deutlich zu machen: Gestern zogen wieder rund 30 000 Menschen - allerdings weniger als in der Vorwoche - von der Nikolaikirche über Grimmaische Straße, Petersstraße und Ring bis zum Augustusplatz. Mit dabei sind stets etliche Iraker, so auch Abdulla Mohammed (40). "Es ist für mich ein so ungerechter Krieg, mit dem sich, wie ich finde, die Amerikaner nicht nur gegen den Irak und Saddam wenden, sondern gegen die ganze Welt. Sie wollen ihre Macht ausloten", begründet Mohammed seine Demo-Teilnahme.
Mit Frau und Kind lebt er seit einem Jahr in Leipzig, floh aus politischen Gründen, wie er sagt, vor Saddams Regime. Der studierte Physiker stammt aus der Mitte Iraks, aus Diyala. Ein Lebenszeichen von den Angehörigen dort erhielt er zuletzt vor einem Monat. "Jetzt habe ich es allerdings auch vermieden, anzurufen - um niemanden zu gefährden, denn die Leitungen werden vielleicht doch noch von Saddam-Leuten abgehört. Ich mache mir aber große Sorgen, sitze mit meiner Frau fast nur noch vorm Fernseher", sagt er. Und wenn er die Bilder so sehe, glaubt er, "dass die Menschheit immer mehr verroht". (...)
In diesen Tagen habe er allerdings auch "eine zutiefst beeindruckende Erfahrung" gemacht: die vielen Leipziger Montagsdemonstranten. "Da kommt so viel Mitmenschlichkeit jedes Mal 'rüber", findet Mohammed. Meint jedoch zugleich: "Die Menschen sollten aber auch - wenn der Krieg mal vorbei ist - gegen die weiteren Bestrebungen der USA auftreten, überall das Sagen zu haben. Ich wünschte mir eine vom Volk gewählte, demokratische Regierung für mein Land und nicht die einer Partei, die die USA favorisiert. Nur dann würde ich auch mit meiner Familie zurückkehren."
Mit Flugblättern ermunterten die in Leipzig lebenden Iraker auch gestern Abend wieder die Demonstranten, ihr Heimatland und das Vormachtstreben der Bush- Administration auch nach dem hoffentlich baldigen Ende des Militärschlages im Blick zu behalten.
Leipziger Volkszeitung, 8. April 2003

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Eine zwei Kilometer lange Menschenkette gab es am Wochenende in Essen.

Über 1000 Teilnehmer reihen sich am Samstag in eine Menschenkette in der City ein. Im City-Center und auf der Kettwiger Straße stehen die unterschiedlichsten Menschen nebeneinander.
Ob es tatsächlich 1000 Teilnehmer sind, die sich laut Polizei am Samstag in der City in die Menschenkette gegen den Irak-Krieg einreihen, oder doch gut doppelt so viele, wie die Veranstalter vom Essener Friedensforum zählen: Allein die bunte Mischung der Demonstranten, die sich um kurz nach 12 Uhr von der Porschekanzel zum Rathaus und zurück sowie die Kettwiger Straße entlang bis Karstadt Hören und Lesen aneinander reihen, hat man bei früheren Demonstrationen so nicht gesehen. "Altgediente" Friedensaktivisten stehen auf der rund zwei Kilometer langen Strecke neben muslimischen Frauen mit Kopftüchern, SPD- und Gewerkschaftsfunktionäre wechseln sich ab mit Passanten, für die der Einkaufsbummel ein paar Minuten in den Hintergrund rückt. (...)
Die Vielfalt der Teilnehmer zeigt sich bereits eine Stunde früher um 11 Uhr, als die Aktion mit einer Kundgebung an der Porschekanzel beginnt. Dort ist das Teilnehmerfeld noch recht überschaubar und bei Weitem noch nicht so bunt gemischt, wie ein Blick auf die Rednerliste vermuten lässt. Es sprechen neben zwei Schülern der Gesamtschule Holsterhausen DGB-Chef Eckart Löser und Faruk Sen, Leiter des Zentrums für Türkeistudien. Superintendent Michael Heering und Hans-Georg Kleine-Limberg vom Katholikenausschuss beten gemeinsam, Juliane Pilz spricht für das Friedensforum. Auf viel Beifall trifft die Rede von Alt-Oberbürgermeister Peter Reuschenbach.
Neue Ruhr Zeitung, 8. April 2003

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Wieder eine Meldung aus der Provinz, diesmal aus Bad Saulgau.

Unter dem Motto "Kinder brauchen Frieden" demonstrierten gestern Schüler des Berufsschulzentrums Bad Saulgau gegen den Krieg im Irak.
Die Idee dazu hatte die Ausbildungsklasse "Kinderpflege II". Obwohl der Demonstrationszug vom Berufsschulzentrum zum Marktplatz sich erst nach Unterrichtsschluss in Bewegung setzte, beteiligten sich zahlreiche Schülerinnen und einige Schüler. Auf den von Schülern mitgeführten Transparenten standen Slogans der "alten" Friedensbewegung, wie "No war!", umrahmt von "Peace"-Zeichen. An Passanten wurden Flugzettel ausgeteilt. Auf dem Marktplatz stimmten die Demonstranten dann Friedenslieder an. Sprecherin Jessica Rieder: "Wir wollen ein Zeichen setzen." Die beiden Pfarrer, Christoph Grosse und Wolfgang Knor, ermunterten die jungen Leute dazu, sich für den Frieden auf der ganzen Welt einzusetzen.
Schwäbische Zeitung, Online, 8. April 2003

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Auch am dritten Wochenende während des Irakkrieges gingen in vielen Ländern Demonstranten auf die Straße.

(...) In London zogen mehrere tausend Kriegsgegner erstmals auch vor die US-Botschaft. Auf ihren Plakaten wurden US-Präsident George W. Bush und Premierminister Tony Blair als die "Achse des Bösen" bezeichnet. Die Teilnehmer forderten den Rücktritt Blairs.
In Spanien protestierten 25.000 Kriegsgegner in Valencia gegen den Militärangriff der USA und Großbritanniens, in Madrid nahmen mehrere hundert Menschen an einer Aktion "Küssen für den Frieden" teil, zu der Künstler und Schauspieler eingeladen hatten. (...)
In Brasilien zogen rund 4.000 Demonstranten durch das Stadtzentrum von Rio de Janeiro und skandierten vor dem US-Konsulat Parolen. Die Organisatoren riefen zum Boykott US-amerikanischer Produkte auf. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva sagte, die USA sollten die Milliarden, die sie für den Irak-Krieg ausgeben, lieber zur Bekämpfung des Hungers in der Welt bereitstellen. (...)
Aus: Frankfurter Rundschau, 07.04.2003

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Und in Deutschland gönnte sich die Friedensbewegung laut Thomas Klein von der "jungen Welt" eine "Schöpferische Pause", so die Überschrift zu seinem Artikel:

Die Friedensbewegung in Deutschland hat sich am Wochenende eine schöpferische Pause gegönnt. Zwar wurde in einigen Städten auch am Samstag und Sonntag zu kleineren Antikriegsaktionen aufgerufen, insgesamt strömten aber deutlich weniger Menschen auf Straßen und Plätze als noch in den Wochen zuvor.
In Heidelberg zogen am Samstag mehrere tausend Menschen aus der Innenstadt zum Hauptquartier der US-Streitkräfte. In München gingen bei zwei Demonstrationen insgesamt 1200 Menschen auf die Straße. An mehreren Demonstrationen in Hamburg beteiligten sich am Samstag insgesamt knapp 500 Menschen. In Köln demonstrierten etwa 250 Menschen. In Karlsruhe war ursprünglich eine Kundgebung und die symbolische Umbenennung der Kriegsstraße in Friedensstraße geplant. Aufgrund von Bauarbeiten und einer parallel stattfindenden Großveranstaltung erteilte die Stadt dem Anliegen jedoch eine Absage. Rund 1000 Menschen demonstrierten in Darmstadt.
Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung erklärte auf Anfrage von junge Welt: »Natürlich ist es ein bißchen tragisch, daß ausgerechnet an dem Wochenende, an dem am meisten gestorben wurde, am wenigsten gelaufen ist.« Man müsse allerdings berücksichtigen, »daß es eine Konzentration auf den 12. April gibt«. Von Antikriegsaktivisten aus den USA ausgehend wird dieser Tag als weltweiter, gemeinsamer Aktionstag der »Internationale des Friedens« vorbereitet. Der Bundesausschuß Friedensratschlag hat angeregt, auch hierzulande möglichst flächendeckend Aktionen unterschiedlichster Art und Intensität durchzuführen. Dabei soll vor allem die deutsche Kriegsbeteiligung, das heißt die Entsendung von AWACS-Flugzeugen, die Stationierung von Spürpanzern in Kuwait und der Schutz von US-Militäreinrichtungen durch Bundeswehrsoldaten im Mittelpunkt der Proteste stehen, kündigte Pflüger an.
junge Welt, 7. April 2003

Es kommt immer auf die Sichtweise an. In der Frankfurter Rundschau - aber auch in anderen Zeitungen - wird der Rückgang der Zahl der Demonstranten betont. "Lediglich" ein paar Tausend seien es am Wochenende gewesen.

Am dritten Wochenende seit Beginn des Irak-Krieges haben sich bundesweit weniger Menschen als zuvor an Friedensdemonstrationen beteiligt. Lediglich einige tausend Kriegsgegner gingen am Samstag auf die Straße. An den vorherigen Wochenenden hatten jeweils zehntausende Menschen gegen den Einmarsch der USA und Großbritanniens in Irak protestiert.
Vor dem US-Militärstützpunkt in Heidelberg legten etwa 2000 Menschen einen Kranz nieder und gedachten mit Blumen der Opfer des Krieges. In Mannheim nahmen nach Angaben der Polizei rund 250 Menschen an einer Mahnwache gegen den Krieg teil. In der Karlsruher Innenstadt bildeten rund 80 Friedensaktivisten ein überdimensionales "Peace-Zeichen". In Nordrhein-Westfalen gingen bei 40 Anti-Kriegs-Demonstrationen nach Angaben der Polizei rund 3000 Menschen auf die Straße. Die landesweit größte Kundgebung gab es in Essen, an der sich gut 1500 Demonstranten beteiligten.
Weitere Kundgebungen wurden am Samstag unter anderem aus München (800 Teilnehmer), Braunschweig (250), Köln (250), Bielefeld (250), Bremen (200) und Gütersloh (200) gemeldet.
FR, 07.04.2003


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