Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

24. bis 31. März 2003

Friedensbewegung in den Medien

Wieder ein Wochenende voller Proteste gegen den Irakkrieg. Die Frankfurter Rundschau zählt eine Reihe der größten Demonstrationen auf:

Allein in Berlin versammelten sich am Wochenende 50000 Menschen rund um die Siegessäule. Zwischen Osnabrück und Münster bildeten 35 000 Kriegsgegner am Samstag eine 50 Kilometer lange Friedenskette. Auch in Stuttgart legten 6000 Menschen einen fünf Kilometer langen Ring rund um das Oberkommando der US-Streitkräfte in Europa. In Dresden gingen 8000 Friedensaktivisten auf die Straße. Hunderte Kriegsgegner blockierten in Frankfurt fünf Stunden lang die Airbase der US-Luftwaffe; 120 Personen wurden vorläufig festgenommen. In Hannover versammelten sich rund 3500 Kriegsgegner.
Mehr als 150 000 Demonstranten zogen am Sonntag in der indonesischen Hauptstadt Jakarta vor die Botschaften der USA und Großbritanniens sowie das UN-Büro. Ein Redner verlangte, US-Präsident George W. Bush wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor ein internationales Tribunal zu stellen.
Die Polizei von Seoul zählte 30 000 Kriegsgegner, die auch gegen die Entscheidung der südkoreanischen Regierung protestierten, Sanitäts- und Instandhaltungseinheiten an den Golf zu entsenden. An Pekings Universität demonstrierten chinesische Studenten mit Fotos von verletzten Irakern. Die Regierung hatte die Kundgebung erlaubt - eine große Ausnahme in dem kommunistischen Land. Rund 300 000 Menschen demonstrierten in der marokkanischen Hauptstadt Rabat.
In Paris gingen am Samstag laut Polizei 18 000 Menschen auf die Straße; die Organisatoren sprachen von etwa 60 000.
"Wir werden den Krieg stoppen", skandierten rund 15000 Kriegsgegner in Athen. Zuvor hatten Demonstranten rote Farbe auf die Fenster eines Schnellimbisses geschmiert. Bereits in der Nacht zuvor war ein anderes Restaurant der US-Kette Ziel eines Granatenanschlags.
In Südafrika wurde die Zahl der Demonstranten in Kapstadt auf mehr als 10 000 geschätzt.
FR, 31.03.2003

Und die taz ergänzt:

(...) In der iranischen Hauptstadt Teheran nahmen am Samstag ebenfalls Hunderttausende an einer Kundgebung teil. In der ägyptischen Hafenstadt Said demonstrierten 10.000 Kriegsgegner. Im jordanischen Irbed versammelten sich trotz offiziellen Demonstrationsverbots 50.000 Menschen. Bei einer Kundgebung im türkischen Istanbul kam es zu Ausschreitungen. Die Polizei setzte Schlagstöcke und Tränengas ein und nahm 32 Menschen fest. (...)
In Lateinamerika kam es in Bogotá, Buenos Aires, Caracas, Mexiko-Stadt und Santiago zu Demonstrationen. In der südkoreanischen Hauptstadt Seoul versammelten sich nach Polizeiangaben 30.000 Menschen zu einer Friedenskundgebung.
In Italien demonstrierten rund 90.000 Menschen. Die größten Kundgebungen gab es in Turin, Neapel und Bologna. Durch Paris zogen nach Polizeiangaben 18.000 Menschen, die Organisatoren sprachen von 60.000. In Spanien fanden Demonstrationen mit rund 50.000 Teilnehmern statt, sogar auf den Ferieninseln Mallorca, Teneriffa und La Palma. In Moskau kam es mit 5.000 Teilnehmern zur bislang größten russischen Demonstration gegen den Irakkrieg. (...)
taz, 31.03.2003

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Einen Bericht über die Demonstration in Rostock entnahmen wir dem "Neuen Deutschland".

In Rostock demonstrierten am Sonnabend über 7000 Menschen gegen den Irak-Krieg. Aufgerufen hatten das Rostocker Friedensbündnis und das Aktionsbündnis »Nein zum Krieg«. Das Bild prägten Regenbogenfahnen, Friedenstauben-Luftballons und die fantasiereichen Aktionen von Rostocker Schülern. Ein Bierstand führte pro verkaufte Flasche 50 Cent auf ein Hilfskonto für irakische Kinder ab, das Rostocker Volkstheater lud zu einer neuen Veranstaltungsreihe ein: Jeden Sonntag um elf Uhr will man im Foyer des Großen Hauses über den Irak-Krieg reden und alternative Informationen austauschen. Während der Kundgebung auf dem Universitätsplatz im Anschluss an den Protestzug sprach der Iraker Hikmat Al-Sabty. Er befürchtet, dass sich der Krieg schnell zu einem echten Glaubenskrieg ausweiten könnte, der dann nicht nur von Moslems in den arabischen Staaten, sondern in aller Welt geführt würde. Peter Deutschland vom DGB Nord erinnerte an vergangene »Blitzkriege«, die jahrelanges unermessliches Leid über die Völker gebracht hätten, und nannte es eine »fixe Idee«, in militärischer Gewalt ein Mittel zur Bewältigung globaler Probleme zu sehen. Der Irak-Krieg müsse Ausgangspunkt für eine neue Politik sein, die auf friedliche Konfliktlösung im Rahmen der Vereinten Nationen setzt. Die Liedermacherin Barbara Thalheim stellte die Gefährlichkeit des US-Präsidenten in einem Liedtext dar: »Im Fernsehen spricht ein Mann mit einer Vision – Gandhi, Mandela, Luther-King in einer Person – dieser Mann sagt unverstellt: Gott segne die Welt.« Gleichzeitig sei es wichtig, immer wieder zu sagen, dass die Kritik nicht den Amerikanern, sondern der US-Regierung gilt. Auch der Schriftsteller Hermann Kant äußerte die Vermutung, dass sich George W. Bush tatsächlich als Heilsbringer empfindet. Kant zeigte eine fatale Entwicklung auf: Im derzeitigen Kriegsgebrüll der USA habe seine Lust zu sagen, dass er mit dem Diktator Saddam Hussein wenig am Hut haben wolle, in bestürzender Weise nachgelassen. Das sei ein zentraler Schaden, der eindeutig auf die Kappe des »Heidentäufers« Bush gehe.
ND, 31.03.2003

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Und über die eindrucksvolle Menschenkette Münster-Osnabrück war in der "jungen Welt" zu lesen:

Zwischen Osnabrück und Münster wurde mit Bezug auf den Westfälischen Frieden 1648 am Sonnabend eine 50 Kilometer lange Menschenkette gebildet. In den Tagen davor erlebten die beiden Städte und die Orte an der Strecke eine beispiellose Mobilisierung. Nicht nur Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Friedensinitiativen, ATTAC-Ortsgruppen, Schüler- und Studentenorganisationen unterzeichneten den Aufruf. Auch Sport- und Angelvereine, Chöre und Feuerwehren, Schulen und Krankenhäuser beteiligten sich an der Vorbereitung. Alleine in den letzten drei Tagen vor dem Wochenende erklärten rund 10000 Menschen telefonisch oder im Internet ihre Bereitschaft zur Teilnahme.
Einzelne Initiativen übernahmen die Verantwortung für bestimmte Streckenabschnitte und wiesen den Teilnehmern ihren Platz in der Kette zu. Die Anreise erfolgte mit Autos, Fahrrädern, Rollschuhen, Skateboards oder zu Fuß. Wer wollte, konnte einen kostenlosen Bus-Shuttle in Anspruch nehmen. Ganze Familien reihten sich in die Menschenkette ein. Jugendliche Mitglieder eines Reitvereins hatten ihre Ponys mit zur Demo gebracht und den Tieren das Friedenszeichen oder Parolen gegen den Krieg aufs Fell gepinselt. Evangelische und katholische Pfarrer waren dabei, auch eine Gruppe Nonnen hatte sich eingereiht.
Ob die Menschenkette wirklich an allen Stellen geschlossen war, wußte hinterher niemand genau zu sagen. Auch die Fernsehbilder am Abend lieferten keine Klarheit. Wo Lücken drohten, knoteten die Teilnehmer weiße Bänder zwischen sich.
junge Welt, 31.03.2003

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Natürlich gab es am Wochenende auch wieder eine Blockade am Airport Frankfurt, diesmal mit einer neuen Variante des Protestes: Autofahrer bummelten über die Autobahn:

Die Protestaktionen vor dem US-Luftwaffenstützpunkt am Frankfurter Flughafen verliefen nach Darstellung der Polizei und der Veranstalter überwiegend friedlich. Die Kampagne Resist (Widerstand) hatte zu einer 24-stündigen Sitzblockade aufgerufen, obwohl die Behörden dies zuvor untersagt hatten. Nach Polizeiangaben blockierten rund 1100 Demonstranten zwei Stunden lang das Haupttor der Airbase. Resist sprach am Sonntag von 2500 Teilnehmern, die das Tor sieben Stunden lang blockiert hätten. 1000 Menschen (andere Quellen nannten 100!) seien von der Polizei weggetragen worden.
Schon vor zwei Wochen hatte die Polizei eine Resist-Blockade der Airbase mit etwa 900 Menschen aufgelöst. Resist begründet die Proteste damit, die Airbase als zentrale Drehscheibe des US-amerikanischen Truppenaufmarsches sei ein hochsymbolischer Ort für eine Demonstration gegen den Irak-Krieg. Am Samstagmorgen hatten rund 20 Anti-Kriegs-Demonstranten mit ihren Autos die Autobahn 3 am Frankfurter Kreuz in beiden Fahrtrichtungen mehrmals kurzfristig blockiert. Die Autos seien abgeschleppt und die Demonstranten vorübergehend festgenommen worden, teilte die Polizei mit. Der Verkehr staute sich auf mehreren Kilometern.
Direkt im Flughafen demonstrierten am Mittag rund 100 Menschen. Nach einer Kundgebung im Terminal 1 zogen sie zur US-Airbase. Zu befürchteten Behinderungen am Flughafen kam es nicht, wie ein Verkehrsleiter auf Anfrage mitteilte. (...)
FR, 31.03.2003

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Aus den vielen Demos des Wochenendes sei noch eine letzte herausgegriffen: Sie fand in Hamburg statt mit 6.000 Teilnehmern (laut Veranstalter). Das Hamburger Abendblatt berichtete u.a.:

Rund 4000 Hamburger haben am Sonnabend friedlich gegen den Irak-Krieg protestiert. Die Demonstrierenden hatten sich um 12 Uhr am Stephansplatz versammelt und waren von dort über Gänsemarkt, Jungfernstieg und Ballindamm bis zur Kreuzung Kennedybrücke und Alsterufer gezogen. Ihr Ziel war das amerikanische Generalkonsulat am Alsterufer - das Gelände war durch ein großes Polizeiaufgebot und Wasserwerfer abgesperrt. Mit Rufen wie "George Bush, Terrorist" und dem immer wieder laut erschallenden "Stopp, Stopp, Stopp den Krieg" äußerten die vor allem jugendlichen Kriegsgegner ihren Protest. Die Abschlusskundgebung fand vor der Absperrung der Polizei am Alsterufer statt. Organisiert worden war die Demo vom "Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung", ein eingetragener Verein. Wolfgang Kirstein (63) vom Forum forderte, "den völkerrechtlich nicht vertretbaren Krieg sofort zu beenden". Auf vielen Spruchbändern wurde die Bundesregierung aufgefordert, den USA die Überflugrechte über Deutschland zu verweigern. (...)
Hamburger Abendblatt, 31.03.2003

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Die Phantasie der Kriegsgegner kennt keine Grenzen. Nun sollen es Büroklammern richten, schreibt die Frankfurter Rundschau:

Wer im April in Bayern einen Gottesdienst besucht, soll - zusätzlich zur Kollekte - eine Büroklammer in den Klingelbeutel werfen. Dazu rufen Friedensgruppen auf, die damit den Anti-Kriegs-Kurs der Kirchen unterstützen wollen. Massenhaft eingeworfene Büroklammern seien ein "Danke ! Weiter so !" an die Adresse der Bischöfe, heißt es in dem am Freitag bekannt gewordenen Appell der Aktion "Zusammenhalten für den Frieden" (...).
Die "Friedenszeichen" sollen in den Kirchengemeinden in Einmachgläsern gesammelt, gezählt und Anfang Mai an das Nürnberger Evangelische Forum für den Frieden gemeldet werden. (...)
FR, 29.03.2003

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Auch die "Mütter gegen den Krieg" sind wieder aktiv. Hier mit einem Fußmarsch von Frankfurt (Oder) nach Berlin.

Am Wochenende hatte Brigitte Grimm aus Eisenhüttenstadt die Idee zur Friedensstafette und schon am Donnerstag machten sich die Initiative »Mütter gegen den Krieg« und weitere Kriegsgegner auf den Weg von der Stadt an der polnischen Grenze nach Berlin zur US-Botschaft.
Die weiße Friedenstaube aus Pappe und das blau-weiße Transparent der »Mütter gegen den Krieg« vorne weg leuchten schon von weitem. Die kleine Gruppe der Friedensmarschierer schlängelt sich am Rande der Bundesstraße 112 entlang. Es ist warm, ein bisschen neblig und staubig. Autos fahren vorbei und hupen, bekunden so ihre Sympathie für die Aktion. Sie sind in Eisenhüttenstadt mit einer halben Stunde Verspätung um 10.30 Uhr losgelaufen und auch jetzt kommen sie nicht so richtig schnell vorwärts, denn sie werden von der Presse umlagert. Fotografen rennen vor und knipsen, Radiosender halten den Teilnehmern die Mikrofone unter die Nase, ein Kamerateam wuselt auch noch dazwischen herum.
(...) Am heutigen Samstag ist das Ziel Erkner, und morgen wollen sich die Marschierer um 12 Uhr mit weiteren Fraueninitiativen in Berlin an der Friedensglocke im Volkspark Friedrichshain treffen. Von da aus soll die amerikanische Botschaft angesteuert werden. »Mal sehen, wie weit wir rankommen werden«, ist Brigitte Grimm gespannt.
Aus: Neues Deutschland, 29. März 2003

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Es konnte nicht ausbleiben, dass auch die Regierungsparteien von Kriegsgegner aufgesucht würden. Am 28. März waren die GRÜNEN dran. Das "Neue Deutschland" berichtet u.a.:

Vor der Bundesgeschäftsstelle der Grünen forderten Demonstranten gestern die Schließung des deutschen Luftraums für Kriegsteilnehmer und den Abzug der deutschen Soldaten aus Kuwait und der Türkei.
Reinhard Bütikofer steht in der Nachmittagssonne vor der mit einer großen weißen Schleife geschmückten Bundesgeschäftsstelle der Grünen in Berlin-Mitte. (...) Rund 100 Demonstranten haben sich vor ihm aufgebaut. Sie rufen Parolen wie »Bütikofer: Nein heißt nein, Luftraum sperren, das muss sein« oder »Nein zu sagen reicht nicht aus, holt die Panzer aus Kuwait raus«. (...) Und von ihm, dem Bundesgeschäftsführer der kleineren deutschen Regierungspartei, verlangen sie nun eine Stellungnahme.
(...) Jede glaubwürdige Opposition gegen den Krieg, doziert der Politiker, müsse sich zuerst »in aller Deutlichkeit« zu einer »Absage an die Diktatur im Irak« verstehen. Unruhe entsteht, aber der erfahrene Debattenredner lässt sich nicht aus dem Konzept bringen: »Denken Sie doch mal strategisch«, rät er den Demonstranten. Und schon wenig später fällt der Satz, dessentwegen die Protestler gekommen sind: Ein »fundamentaler Bruch der transatlantischen Beziehungen« müsse auf alle Fälle verhindert werden. »Man muss darauf achten, die USA gerade jetzt nicht aus dem Völkerrecht zu entlassen«. Das Publikum johlt: »Die haben sich doch längst verabschiedet«, erregt sich ein älterer Demonstrant. Doch davon ungerührt setzt der Grüne Spitzenmann zu einer »friedenspolitischen Begründung« der Regierungsposition an: Zwar sei der Irak-Krieg zu verurteilen, doch könne er sich an vielen anderen Konfliktherden der Welt – »denken Sie nur an Israel und Palästina oder an Kaschmir« – eine friedliche Lösung ohne die USA nicht vorstellen.
Ein paar Pfiffe noch, dann löst sich die Kundgebung in Wohlgefallen auf. (...)
ND, 29.03.2003

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"Protest gegen Krieg findet mehr Sympathisanten" ist ein Artikel überschrieben, der von weiteren Protesten in Deutschland berichtet. Wieder spielen Schüler eine Hauptrolle. Auszüge:

(... ) Unter dem Motto "Frieden - ein Zeichen für Bildung!" zogen in Dresden etwa 10.000 Fünft- bis Zwölftklässler vom Albertplatz über die Elbe zum Theaterplatz, wo sie sich zum internationalen Peace-Zeichen gruppierten. Zur Demonstration mit abschließender Kundgebung hatte der Stadtschülerrat aufgerufen.
Während ihres Friedensmarsches durch die Dresdner Altstadt skandierten die jungen Demonstranten unter anderem "USA - internationale Völkermordzentrale". Auf Plakaten und Transparenten forderten sie "Stoppt den Krieg", "Tod den Kindermördern" oder "Stoppt den Irren". Das Regionalschulamt hatte den Schuldirektoren freigestellt, über einen Unterrichtsausfall oder eine Verschiebung der Stunden zu entscheiden. In Kiel gingen etwa 3.500 Schüler zu friedlichen Protesten gegen den Krieg auf die Straße - damit war die Beteiligung doppelt so groß wie erwartet.
Nach den Zusammenstößen bei der Hamburger Schülerdemonstration ist ein Polizist angezeigt worden. Der Sprecher der Innenbehörde, Thomas Model, sagte am Donnerstag, es sei eine Anzeige gegen unbekannt wegen Körperverletzung eingegangen. Opposition und Demonstranten hatten den Polizeieinsatz vom Montag als unverhältnismäßig kritisiert. (...)
Die bayerischen katholischen Bischöfe äußerten sich zum Abschluss ihres Frühjahrstreffens lobend über die Proteste Jugendlicher gegen den Irak-Krieg. (...)
Frankfurter Rundschau, 28.03.2003

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Die Proteste gegen den Irakkrieg werden zum Teil heftiger. Immer häufiger kommt es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die Meldungen darüber sind mit Vorsicht zun genießen. Die Gewalt geht nicht unbedingt immer von den Kriegsgegnern aus, und wer sagt, dass sich an manchen Krawallen nicht ganz andere Kräfte beteiligen. Die Presse vermag das kaum auseinanderzuhalten - vor allem nicht bei Agenturmeldungen aus fernen Ländern, wie der folgende Bericht beweist.

Teilweise gewaltsam haben Kriegsgegner in vielen Teilen der Welt am Mittwoch erneut ihrer Empörung über den Irak-Krieg Luft gemacht. Bei Krawallen in Spanien, Australien und Südkorea wurden insgesamt mindestens 22 Menschen verletzt. Die Polizei nahm Dutzende Demonstranten fest. Proteste gegen den Irak-Krieg gab es auch in Libanon, Bahrain und Indonesien.
In Barcelona verwüsteten Kriegsgegner Kaufhäuser und US-Schnellrestaurants. Zudem sei es zu versuchten Plünderungen gekommen. Die Polizei setzte Schlagstöcke und Tränengas ein, wie das Fernsehen berichtete. Ähnliche Szenen wurden aus Saragossa gemeldet. Allein in Madrid protestierten nach Angaben der Veranstalter mehr als 200.000 Menschen gegen den Krieg. Die Polizei sprach dagegen nur von rund 10.000 Teilnehmern.
In der australischen Hafenstadt Sydney bewarfen Demonstranten Sicherheitskräfte mit Steinen und Flaschen. Rund 10.000 Schüler, viele in Schuluniform, protestieren gegen den Irak-Krieg. 30 Demonstranten wurden festgenommen. 19 Menschen wurden verletzt. In Perth bewarfen Kriegsgegner das US-Generalkonsulat mit Farbbeuteln und Tomaten. Aus Brisbane wurden fünf Festnahmen gemeldet.
Auch in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul kam es zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Kriegsgegnern, als diese versuchten, auf das Gelände der US-Botschaft zu gelangen. Die Polizei nahm 30 Studenten in Gewahrsam. Drei weitere Demonstranten kletterten auf das sechs Meter hohe Werbeschild eines McDonald's-Schnellimbisses.
Frankfurter Rundschau, 27.03.2003

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Die Kunde von den Leipziger Montagsdemonstrationen drang sogar nach Österreich. Der Wiener "Standard" berichtet von der 11. Montagsdemo:

Bis zu 50.000 Menschen haben sich nach Angaben der Veranstalter an der ersten Leipziger Montags-Demonstration nach Beginn des Irak-Kriegs beteiligt. Die Teilnehmer forderten ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen im Irak. Die Polizei sprach von gut 25.000 Demonstranten. Es war die elfte Friedenskundgebung in der Tradition der Leipziger Montagsdemonstrationen des Wendeherbstes 1989, an die seit dem 13. Januar angeknüpft wird.
Der Protestmarsch durch die Innenstadt startete im Anschluss an das Friedensgebet in der Nikolai-Kirche. Nikolai-Pfarrer Christian Führer hatte im Friedensgebet von einem "völkerrechtswidrigen Angriffskrieg" gesprochen, den er einen Rückfall in die Steinzeit nannte. (...)
der Standard, 25.03.2003

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Gerade aus den Ferien zurück, zeigten Hamburgs Schüler, dass auch sie gegen den Irakkrieg sind. Dass es dabei zu gewalttätigen Ausschreitungen mit der Polizei (Innensenator Schill!) kam, war von den Organisatoren nicht beabsichtigt. Die Nachrichtenagentur AP meldet am 24. März gegen 18 Uhr u.a.:

Nach einer Friedensdemonstration von mehr als 20.000 Schülern ist es am Montag in Hamburg zu schweren Krawallen gekommen. Vor dem US-Konsulat setzten Polizisten Wasserwerfer und vereinzelt auch Schlagstöcke gegen die Kriegsgegner ein. Diese hatten laut Polizei zum Teil Flaschen, Steine und Eier auf die Beamten geworfen hatten. 21 Personen wurden vorläufig festgenommen, vier kamen in Gewahrsam. Es gab mehrere Verletzte, darunter drei Polizeibeamte.
Zuvor waren die Demonstranten am ersten Tag nach den Schulferien mit Plakaten, auf denen sie unter anderem «Disarm Bush» und «Keine Überflugrechte» forderten, zunächst friedlich in einem Sternmarsch durch die Innenstadt gezogen. Ursprünglich sollte der Protestzug an der SPD-Landeszentrale in der Nähe des Hauptbahnhofes enden. «Wir waren aber so überwältigt von der Menge der Teilnehmer, dass einige noch weiter machen wollten», erklärte die 23-jährige Lucy Redler, Sprecherin der Organisation «Jugend gegen Krieg».
An der Absperrung zum US-Konsulat wurden die zu dem Zeitpunkt rund 8.000 Demonstranten dann von etwa 900 Polizisten mit Wasserwerfern empfangen. Der Aufforderung, die Demonstration aufzulösen, hätten die Schüler auch nachkommen wollen, erklärte Redler. «Wir haben per Megafon durchgesagt, dass wir friedlich bleiben wollten und dass wir uns zurückziehen würden.»
Nach Polizeiangaben zogen nicht alle Demonstranten ab. Es sei zu Stein- und Flaschenwürfen auf die Polizisten gekommen, die daraufhin die Wasserwerfer einsetzten. Der Polizei zufolge hatten sich gewaltorientierte Jugendliche, Kurden und Palästinenser an die Spitze des Zuges gesetzt und die Stimmung aufgeheizt. Die Einsatzkräfte drängten die Demonstranten weg vom Konsulat.
Nach Augenzeugenberichten waren viele Schüler schon halb auf dem Rückweg, als die Polizei eingriff. Mit der Härte der Polizei hatten viele offenbar nicht gerechnet: «Ich hatte nicht gedacht, dass die mit Wasserwerfern kommen», sagte eine 15-Jährige. Und eine andere Schülerin rief am Ende: «Mein Gott, ich will doch nur noch nach Hause.» Demonstrationsteilnehmer berichteten davon, dass vereinzelt Schüler mit Schlagstöcken verprügelt wurden.
Lucy Redler betonte, sie habe ein solches Polizeiaufgebot bei einer Schülerdemonstration noch nicht erlebt. «Gerade Bilder von Krawallen wollten wir nach unserer großen und friedlichen Demo doch vermeiden», erklärte sie nach den Ausschreitungen.
Der Hamburger Innensenator Ronald Schill verteidigte das Vorgehen der Polizei. «Wir werden gegen Demonstranten, die Steine werfen, hart und unnachgiebig vorgehen», sagte Schill im NDR. «Etwas anderes erwarten die Bürger von uns nicht.» (...)
AP-Meldung, nach www.yahoo.de, 24.03.2003

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Auch am Wochenende vom 22. und 23. März demonstrierten in Deutschland Hunderttausende Menschen gegen den Irak-Krieg. Hier ein Überblick aus der Frankfurter Rundschau sowie aus der "jungen Welt".

Neben Aufrufen zu einem Ende der Angriffe skandierten Demonstranten vor der US-Botschaft im Zentrum Berlins auch anti-amerikanische Parolen. Einige Dutzend junger Leute legten sich vor der Polizeikette um das Botschaftsgelände auf die Straße, um ihre Solidarität mit irakischen Bombenopfern auszudrücken. Vor dem Außenministerium in Berlin-Mitte verlangten die Friedensdemonstranten, den Luftraum über Deutschland für US-Militärflugzeuge zu sperren und deutsche Soldaten aus der Golf-Region zurückzuziehen. (...)
Mit Plakaten wie "Krieg ist Massenmord" oder "Während Bagdad brennt, fliegt Georgie Boy ins Wochenende" protestierten die Demonstranten in Hamburg gegen die Angriffe. An den Protesten nahmen auch irakische, kurdische und iranische Gruppen teil. Ein Redner verlas ein Grußwort des Sängers und Unicef-Botschafters Harry Belafonte.
Mindestens 25000 Kriegsgegner waren in Nordrhein-Westfalen unterwegs. In Köln beteiligten sich nach Polizeiangaben etwa 12000 Demonstranten an einer Veranstaltung vor dem Dom. Sprecher des Deutschen Gewerkschaftsbundes forderten auf einer Kundgebung in Wuppertal, US-Präsident George W. Bush müsse "wie andere Kriegsverbrecher" vor das Tribunal in Den Haag. In Düsseldorf stellten sich tausende Menschen mit bunten Luftballons zum Wort "PEACE" (Frieden) auf. Nach einem Demonstrationszug durch die Innenstadt zogen die knapp 10000 Teilnehmer zu den Rheinwiesen gegenüber dem Landtag und bildeten den fast einen Kilometer langen Schriftzug in den Farben grün, rot, gelb, orange und blau.
Verdi-Chef Frank Bsirske kritisierte den Irak-Krieg vor mehr als 10000 Demonstranten in Stuttgart als völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Vor der US-Kommandozentrale für Europa in Stuttgart-Vaihingen setzte die Polizei gegen einige Demonstranten Schlagstöcke ein, als diese versuchten, Absperrungen zu durchbrechen. In Heidelberg protestierten rund 7000 Menschen vor dem Hauptquartier der US-Landstreitkräfte in Europa.
Kriegsgegner blockierten das Haupttor des US-Luftwaffenstützpunkts Spangdahlem in der Eifel. Die Polizei sprach von rund 100 Teilnehmern. Während der Blockadeaktion kam es zu einem Zwischenfall, als etwa 20 Demonstranten zwei am Stützpunkt vorbei fahrende Lastzüge des US-Militärs anhielten und sich vor den Fahrzeugen auf die Straße setzten. Die Polizei trug die Blockierer weg; die Betroffenen erhielten Platzverweise, und ihre Personalien wurden aufgenommen.
FR, 24.03.2003

(...) Die meisten Antikriegsaktivisten gingen in Berlin und Frankfurt am Main auf die Straße. In Berlin versammelten sich etwa 50000 Menschen, die vom Alexanderplatz aus an der britischen und der US-Botschaft vorbei zum Brandenburger Tor zogen. Besonders hervor taten sich dabei abermals Tausende Schüler, die bereits am Tag X zu Zehntausenden durch Berlins Straßen gezogen waren. »USA – internationale Völkermordzentrale«, war unter den Jugendlichen die am eifrigsten skandierte Parole.
Noch mehr Menschen kamen in Frankfurt zu verschiedenen Demonstrationen zusammen. Hier fand gleich fast ein Dutzend verschiedener Demonstrationen auf einmal statt. Allein anläßlich des kurdischen Neujahrsfests Newroz, zu dem Kurden aus allen Landesteilen angereist waren, fanden sich nach Angaben des Veranstalters, der Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland (YEK-KOM), 50000 Menschen in der Main-Metropole ein. Die Teilnehmer forderten die Freilassung des in der Türkei im Gefängnis einsitzenden Vorsitzenden der kurdischen Arbeiterpartei, Abdullah Öcalan, und »ein freies Kurdistan«. Wütenden Protest lösten unter den Versammelten die Meldungen über den vermeintlichen Einmarsch türkischer Truppen im Nordirak aus.
Zeitgleich gab es im Frankfurter Stadtgebiet eine Reihe weiterer Antikriegskundgebungen. Die größte mit mehr als 10000 Demonstranten fand auf dem Römerberg statt. Zur Teilnahme hatten das Frankfurter Bündnis gegen den Krieg, Parteien, Kirchen und Gewerkschaften aufgerufen. Verschiedene Redner warnten unter anderem vor einer drohenden humanitären Katastrophe im Irak. Weiterhin wurde harsche Kritik an der Kriegsberichterstattung geübt. Insbesondere in US-Medien werde der Krieg »in eine glänzende Reality-TV-Show verwandelt«.
Auf einer Kundgebung in Kassel nannte der Friedensforscher Werner Ruf den laufenden Krieg »Teil eines Gesamtkonzepts«. Danach sei der Irak-Krieg keine isolierte Aktion, vielmehr gehe es im Rahmen eines umfassenden Plans der US-Regierung darum, die Kontrolle des Öls vom Persischen Golf bis zum Kaspischen Meer zu erlangen. Aufgrund der weltweiten Proteste sei es aber fraglich, ob die USA in naher Zukunft weitere Kriege gegen andere Länder führen könnten.
Auch in anderen Städten, so in Düsseldorf, München, Köln, Wuppertal, Erfurt, Würzburg, gingen Tausende gegen den Krieg auf die Straße. Große Demonstrationen gab es unter anderem in Hamburg mit 25000 und Stuttgart mit 10000 Teilnehmern. Im Rahmen einer Großdemonstration durch die Stuttgarter Innenstadt rief Frank Bsirske, Chef der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die Bundesregierung dazu auf, dem US-Militär die bisher gewährten Überflugrechte zu entziehen. »Das Grundgesetz billigt eine Unterstützung von Krieg nur im Verteidigungsfall«, so Bsirske. Bei dem Schlag von Briten und Amerikanern gegen den Irak handele es sich aber klar um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. In der baden-württembergischen Landeshauptstadt protestierten zudem etwa 1000 Kriegsgegner vor der europäischen Kommandozentrale der US-Streitkräfte. Dabei kam es zu kleineren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizeikräften.
Mehrere hundert Menschen versammelten sich am Samstag vor dem US-Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem in der Eifel und blockierten das Haupttor. Hierbei gab es zahlreiche Festnahmen und Anzeigen wegen Nötigung. »Wir wollen Sand im Getriebe der Kriegsmaschinerie sein und fordern ein sofortiges Ende des Krieges und keine deutsche Kriegsbeteiligung«, kommentierte ein Blockierer die Aktion des zivilen Ungehorsams und forderte zu einer weiteren Sitzblockade am nächsten Samstag vor der US-Airbase Frankfurt auf. Auch vor dem Heidelberger Hauptquartier der US-Landstreitkräfte in Europa demonstrierten nach Angaben der Veranstalter 8000 Menschen gegen die Kriegspolitik der Bush-Administration.
Aus: junge Welt, 24.03.2003

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In Stuttgart versammelten sich wieder über 10.000 Menschen zum friedlichen Protest. Die Stuttgarter Zeitung (Christine Keck) berichtete u.a.:

Die Kriegsgegner haben am Samstag erneut den Schlossplatz bevölkert. Rund 10 000 Menschen beteiligten sich nach Angaben der Polizei an einem Protestmarsch samt Kundgebung.
Verdi-Vorsitzender Frank Bsirske zeigt sich kampfbereit: "Wir setzen dem Kriegskurs der amerikanischen Rechten unseren Widerstand entgegen." Als prominentester Redner ergreift er als erster das Wort und verurteilt vehement den Alleingang der USA: "Das ist ein Umsturz kollektiver Sicherheitsstrukturen zu Gunsten eines unverhohlenen Anspruchs auf Vorherrschaft."
Nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Völkerrechts fordert Bsirske ein. Für ihn ist es nicht hinnehmbar, dass die Bush-Regierung das Angriffsverbot der UN-Charta aus den Angeln hebt und "ein völkerrechtswidriges Verbrechen" begeht. Gehandelt werde nach dem Nützlichkeitsprinzip und einem imperialen Gusto.
Auch Prälat Martin Klumpp kann nicht verstehen, warum ein Land die "vorsätzliche Tötung von Menschen" vorantreibt. Der Vertreter der evangelischen Kirche ruft die Grausamkeit von militärischen Angriffen in Erinnerung. "Wir treten ein für die Überwindung jeden Terrors", betont Klumpp.
(...) Riad Ghalaini, der Landesvorsitzende des Zentralrats der Muslime, schließt sich der USA-Schelte an und kritisiert "die verderbliche Verführung der Macht". Die Vereinigten Staaten diktierten ungeniert ihren Willen. Und keiner stelle sich ihnen entgegen. Fast in einem Atemzug bricht Ghalaini den Stab über Saddam Hussein. In den Freitagsgebeten in vielen Moscheen werde er als Massenmörder entlarvt.
So souverän wie ihre Vorredner steht die 16-jährige Franca Gröner am Mikrofon. Solle noch einer von der unpolitischen Jugend sprechen, schimpft die Elftklässlerin. Die Schülerdemo mit 15 000 Teilnehmern am Tag des Kriegsbeginns habe das Interesse bewiesen. Gröner macht klar: "Das war kein lustiger Ausflug, wir wussten genau, warum wir auf die Straße gegangen sind." An die Gewerkschaften geht ihr Appell, die Arbeit niederzulegen. Der Streik müsse ausgeweitet werden. Radikaler sind da die Forderungen von Attac-Unterstützerin Heike Hänsel. Ein Regimewechsel in den USA sei die Lösung des Konflikts. Ein Weg, den viele amerikanische Pazifisten gerne beschreiten würden. (...)
Stuttgarter Zeitung, 24.03.2003

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Selbst die Wirtschafts- und Finanzzeitung "Handelsblatt" nimmt sich dieser Tage hin und wieder der Protestbewegung gegen den Krieg an. Im folgenden Artikel ("`Verdunkelte Websites´" gegen den Krieg"), den wir auszugsweise zitieren, geht es um die Webpräsenz der Friedensewegung:

(...) Die Anti-Kriegs-Proteste via Interenet formieren sich inzwischen weltweit. So rief die internationale Friedensorganisation "Answer" in den USA auf seiner Internet-Seite zu weiteren Demonstrationen und Protesten auf, um diesen "brutalen, illegalen und kriminellen Aggressionskrieg" zu stoppen. Das deutsche "Netzwerk Friedenskooperative", ein Zusammenschluss von Kriegsgegnern, hatte per Internet und Handzetteln für den "Tag X" zu rund 350 Kundgebungen und Demonstrationen in ganz Deutschland aufgerufen. Die neue "Internationale des Friedens" werde nicht durch eine weltweite Organisation geschaffen, sondern "durch die globale Kommunikation Tausender und Abertausender lokaler Friedensinitiativen via Internet", teilte der Bundesausschuss Friedensratschlag,ein Zusammenschluss verschiedener deutscher Friedensgruppen, mit.
Handelsblatt, 24.03.2003

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Auch die neutrale Schweiz ist längst nicht mehr unberührt von Antikriegs-Protesten. Am Samstag, den 22. März war Großkampftag; Christine Brand berichtete im St-Galler Tagblatt u.a.:

Bern. Nahezu 50 000 Menschen sind am Samstag für einen sofortigen Stopp des Krieges auf die Strasse gegangen. Ein Stück multikulturelle Schweiz hat friedlich demonstriert. Ganz am Rande kam es zu Ausschreitungen.
(...) Mütter haben ihren kleinen Kindern Peace-Zeichen auf die Wangen und Natelnummern auf die Hände gemalt - für alle Fälle. Hunderte regenbogenfarbene Fahnen wehen im Wind. "Machthunger macht Hunger", steht auf einem Transparent geschrieben. Auf Holzstöcken werden Bretzeln spazieren getragen. US-Präsident Bush war einmal ein Stück Bretzel im Halse stecken geblieben.
Gegen 50 000 Menschen sind in Bern auf der Strasse, um für den sofortigen Stopp des Krieges zu demonstrieren. Jung und Alt aus allen Landesteilen marschieren mit. Ein Stück multikulturelle Schweiz quetscht sich auf den Bundesplatz und zelebriert ein friedliches Miteinander. Die rund 200 Linksextremisten, die vor dem Bundeshaus die Gitter stürmen, einige Gummigeschosse, Tränengas- und Wassersalven provozieren, ernten nicht mehr als verärgertes Kopfschütteln der grossen Mehrheit. (...) Die Schweiz hat eine neue Friedensbewegung. Das Phänomen, dass sich dermassen viele Menschen mobilisieren lassen, ist wohl durch verschiedene Faktoren zu erklären: die soziale Unsicherheit, die Situation der Finanzmärkte, das Thema Sicherheit generell.
Michelle Beyeler, Politologin an der Universität Zürich, ist daran, Motivation und Zusammensetzung der Demonstrierenden zu eruieren. Sie hat an der ersten grossen Friedenskundgebung vom 15. Februar 1200 Fragebogen verteilt und ist nun daran, die rund 640 zurückgeschickten Bogen auszuwerten. Rund die Hälfte der Fragebogen ist bearbeitet. "Es zeigt sich bereits deutlich, dass an der Demonstration ein sehr gemischtes Publikum teilgenommen hat", sagt Michelle Beyeler. Vertreter praktisch aller sozialen Schichten haben mitdemonstriert. Rund ein Drittel der Demonstrierenden war unter 25-jährig. Das Durchschnittsalter liegt bei 35 Jahren. 70 Prozent der Befragten gaben an, stark oder sehr stark an der Politik interessiert zu sein. Michelle Beyeler erklärt weiter: "Die meisten Demonstrierenden schätzten ihre politische Einstellung links oder stark links ein." Die Gründe, die die Menschen bewogen haben, sich auf die Strasse zu begeben, sind vielfältig. "Die meisten wollten ein Zeichen setzen, Solidarität zeigen", erklärt Beyeler. Dass eine Demonstration jedoch kaum einen Krieg zu verhindern oder zu stoppen vermag, ist den meisten Demonstrierenden bewusst.
Neben der zentralen Kundgebung in Bern wurde auch in anderen Schweizer Städten gegen den Irak-Krieg demonstriert. In der Stadt Zürich gingen rund 1000 Angehörige kurdischer Vereinigungen in der Schweiz für ein unabhängiges Kurdistan und gegen den Krieg in Irak auf die Strasse.
In Genf versammelten sich am Morgen rund 200 Christen, Juden und Moslems zu einem gemeinsamen Gebet. In Lugano demonstrierten etwa 2500 Menschen gegen den Krieg. Die bewilligte Demonstration wurde von linken Parteien und Gewerkschaften organisiert. In Chur und in Winterthur waren es jeweils rund 700 Menschen, die ihrem Unmut über den Waffengang durch die Amerikaner und Briten Luft machten. (...)
St. Galler Tagblatt, 24.03.2003

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Und noch eine Meldung aus dem neutralen Österreich:

Zehntausende Menschen gingen am Samstag in Wien bei einem "Sternmarsch" unter dem Motto "Stoppt den Krieg" auf die Straße, um gegen den Angriff der USA auf den Irak zu protestieren. Während die Polizei 25.000 Teilnehmer zählte, sprachen die Organisatoren von rund 50.000 Personen. Mit einer Kundgebung am Ballhausplatz ging die friedliche Veranstaltung am Abend zu Ende. In der Michaelakirche fand ein Gottesdienst statt. (...)
der Standard, 24.03.2003


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