Wort zum Sonntag
Nachfolgend ein mutiges "Wort zum Sonntag" vom 13. November 1999, gesprochen von der evangelischen Theologin Mechthild Werner
Schwerter zu Pflugscharen
Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen... Kein Volk wird wider das
andere das Schwert erheben und sie werden nicht mehr lernen, Krieg zuführen.
Eine Vision der Bibel: Kein Mensch hält mehr eine Waffe in der Hand - kein
Schwert mehr, nur noch den Pflug. Die Felder werden bestellt und Frieden
wächst. Was für ein Traum.
Die Wirklichkeit sieht anders aus. Gerade lief ein Film über Stalingrad:
Glocken zu Granaten hieß es da, im zweiten Weltkrieg. Seit jeher wurde
Friedensgerät zu Kriegswerkzeug. Pflugscharen zu Schwertern. Felder zu
Schlachtfeldern. Und Geistliche nicht selten zu Feldgeistlichen, die die
Schwerter segneten, ihrer eigenen Vision misstrauten.
Der Volkstrauertag morgen erinnert an die Kriege, die von deutschem Boden
ausgingen - an die Toten - besonders an die, die im Feld "gefallen" sind.
Gefallen, als wären sie gestolpert und wurden doch erschossen, zerfetzt,
verstümmelt. Seit Kain seinen Bruder erschlug, immer wieder: Felder mit Blut
getränkt. Massengräber in der Erde, Minen darunter. Und die Felder liegen
brach. Nicht nur in Tschetschenien.
Die Völker werden nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Was für eine Vision. Die
Kinder der Welt lernen das Friedenshandwerk. Doch wer bringt es ihnen bei?
"Setz dich durch, schlag zurück, hau drauf! " So rufen manche Eltern ihren
Kleinen im Sandkasten zu. Dazu der tägliche kill und overkill in Fernsehen und
Computerspielen. Jugendliche wie der Junge in Reichenhall sind so gewaltbereit
wie die Erwachsenenwelt. Und die lehrt sie, andere aus dem Feld zu schlagen -
von der Schule bis in den Beruf.
Auch die Politik setzt auf Gewalt. Als letztes Mittel, heißt es. Wie im Kosovo.
Gewalt wurde gegen Gewalt gesät, doch Frieden ist nicht gewachsen. Jetzt ist
das zerstörte Feld wieder den Diplomaten und Blauhelmen überlassen. Und den
Friedensdiensten. Gruppen wie Pax Christi, die im Zeichen der Pflugscharen
arbeiten. Sie bringen Feinde zusammen. Menschen, die sich vor lauter Hass nicht
in die Augen sehen können, lernen, einander anzusehen, zuzuhören und vielleicht
sogar zu verstehen. Sie lernen, Aggressionen auszuleben, ohne auf den anderen
loszugehen. Das geht. Auch wenn es schwer ist und nicht immer gelingt. Viele
Pflänzchen der Versöhnung werden wieder zertreten. Aber dennoch pflügen die
peaceworker in vielen Ländern beständig weiter am Frieden. Und nur so wächst
er - langsam, aber sicher.
Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und sie werden nicht mehr
lernen, Krieg zu führen.
Was für eine Vision. Eines Tages, so verspricht uns der Gott der Bibel, wird
Frieden sein.
Diese Aussicht kann die Wirklichkeit verändern. Könnte nicht gerade unser Land
mit dieser Vision ins nächste Jahrtausend gehen? Diesmal ein "einig Vaterland"
ohne Waffen, ohne Wehrdienst, nur mit zivilem Friedensdienst. Ich sehe es vor
mir: Wie die peaceworker üben wir uns im Vermitteln, schulen unsere Kinder im
Nachgeben und Zuhören. Wir rackern uns ab am Frieden, ackern, damit jedes Volk
sein Recht und sein Brot bekommt. So kann wahr werden, was auch am Hauptgebäude
der Vereinten Nationen steht:
Schwerter zu Pflugscharen.
Davon träumt alle Welt: Dass unsere Kinder und
Kindeskinder eines Tages das Kriegführen verlernen.