FREIe HEIDe übergab Mahnsäule im Reichstag
Seit 1992 versucht die Bürgerinitiative FREIe HEIDe den 145 qkm großen
Bombenabwurfplatz der Kyritz-Wittstock-Ruppiner Heide frei zu bekommen, frei
von einer militärischen Nutzung. Das riesige Gebiet wurde in den 50er Jahren
von den Sowjetrussen beschlagnahmt. 40 Jahre hatten die Anwohner unter
Tiefflügen und Bombenexplosionen zu leiden. Die Bundeswehr besetzte das
Gebiet nach Abzug der Russen, widerrechtlich meinen die Kommunen und Städte,
die im Grundbuch eingetragen sind. Sie prozessieren gegen die Bundeswehr,
nunmehr in der dritten Instanz. 1994 schien eine Wende zum Guten möglich. Da
versprach Rudolf Scharping (SPD) im Wahlkampf, das Gelände freizugeben,
falls die SPD an die Macht käme. An dieses Versprechen wollte die FREIe
HEIDe erinnern und machte sich zum Reichstag auf. In einem 5-tägigen
Fußmarsch vom 1. -5. Juni 2000 legten sie 105 km von Neuglienicke bis nach
Berlin zurück. In einer Kutsche transportierten sie ein Kunstwerk, das sie
dem Parlamentspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) übereichen wollten. Thierse
sagte ab, doch kam es zu einer Reihe von aufschlussreichen Gesprächen mit
anderen Politikern.
Das Kunstwerk gestaltete der Rägeliner Künstler Wolfgang Dicks. Das aus
einem Baumstamm herausgehauene Werk zeigt ein kauerndes Mädchen mit
aufgerissenen Augen, dass sich die Hände an die Ohren presst. Hinter der
Figur reckt sich eine Hand mit gespreizten Fingern als Ausdruck der
Siegeszuversicht der FREIen HEIDe. Das Kunstwerk wurde von den 25
Mitgliedern der BI der SPD-Fraktion übergeben.
Bei den Gesprächen im Reichstag mit Mitgliedern der Bundestagsfraktion von
Bündnis 90/die Grünen beklagten sich die verteidigungspolitische Sprecherin
Angelika Beer und die Potsdamerin Sylvia Voss darüber, dass sie aufgrund des
Koalitionsvertrages und anderen Umständen nicht einmal das Recht hätten,
parlamentarische Anfragen einzubringen. Während des Gespräches beauftragten
sie einen anwesenden PDS-Abgeordneten aktiv zu werden.
Skandalöses Demokratie-Verständnis
Richtig laut und unangenehm wurde das anschließende Gespräch mit dem
Staatssekretär im Auswärtigen Amt Walter Kolbow (SPD). Kolbow war auch schon
zu Zeiten der CDU-Regierung Mitglied des verteidigungspolitischen
Ausschusses. Kolbow zeigte zwar "Verständnis" für den Unwillen der
Anwohner über den Lärm der Tiefflieger. Allerdings müsse es in einer
"wehrhaften Demokratie" auch eine "gerechte Lastenverteilung" geben.
"Soldaten müssen nun einmal irgendwo üben, und irgendjemand wird dadurch
immer gestört", so Kolbow. Er verwies auf das ausstehende Revisionsverfahren
vor dem Bundesverwaltungsgericht und die Bundeswehr-Reform. Eine
Entscheidung könne erst fallen, wenn diese beiden Dinge geklärt seien. Die
Bundeswehr werde sich an die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes
halten und nicht das Verfassungsgericht anrufen.
Grundsatzdebatten über Sinn und Unsinn von militärischen Einsätzen lehnte er
ab. Als er an das Wahlversprechen von Rudolf Scharping erinnert wurde
entgegnete er, es wäre doch ein ganz normaler Vorgang in einer Demokratie,
dass im Wahlkampf abgegebene Versprechen nicht eingehalten würden. Als
daraufhin Scharping als Lügner bezeichnet wurde und auch an seine Lügen im
Jugoslawienkrieg erinnert wurde ("Hufeisenplan") wurde Kolbow sehr laut und
wollte den Diskutanten des Raumes verweisen.
Krisenreaktionskräfte sollen in Wittstock trainieren
Auf der 62. Protestwanderung der FREIen HEIDe in Rossow am 25. Juni wurde
ein Schriftsatz des Bundesverteidigungsministeriums an das
Bundesverwaltungsgericht verlesen. Danach hält das Ministerium das Bombodrom
in Brandenburg für "unverzichtbar". Deutschland verfüge über kein eigenes
Bombodrom und die Piloten müssten daher bisher im Ausland üben. Das
NATO-Bombodrom von Nordhorn in Niedersachsen stehe unter der Aufsicht der
Briten, das NATO-Bombodrom von Siegenburg in Bayern unter der Aufsicht der
USA. In Brandenburg sollen nach diesem Schriftsatz die Krisenreaktionskräfte
trainieren. Die Sprecher in Rossow waren empört und kündigten ihren
entschiedenen Widerstand an: "Wir wollen nicht, dass von unserem Boden
Krieg ausgehen soll!"
Hans-Peter Richter
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