Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Keine Lösung in Bangkok

Flüchtlingskonferenz in Thailand blieb hinter Erwartungen zurück

Von Thomas Berger *

Die Flüchtlingskatastrophe in Südostasien hält an. Am Dienstag schickte Myanmar ein am Freitag aufgebrachtes Boot mit 727 Menschen an Bord zurück auf hohe See. Dies sei der Wunsch der Menschen gewesen, berichteten myanmarische Medien laut der Nachrichtenagentur dpa.

Noch am Freitag hatte Vertreter von 17 Staaten der Region und der Vereinten Nationen auf einer Konferenz in Bangkok über eine Lösung der aktuellen Krise beraten. Doch der Gipfel blieb hinter den Erwartungen der UN zurück. Zwar verständigte man sich auf weitere Maßnahmen zur Rettung von Menschen auf hoher See. Vage blieb hingegen, wie Fluchtgründe bekämpft werden könnten. Dies liegt zum einen am Unwillen von Indonesien und Malaysia, die Menschen aufzunehmen, zum anderem an der harten Haltung von Myanmar, die Ursachen der massenhaften Auswanderung zu beseitigen.

Dass Htin Linn, ein ranghoher Vertreter des myanmarischen Außenministeriums, angesichts der aus der Hauptstadt Naypyidaw kommenden Boykottandrohungen überhaupt an dem Treffen teilnahm, kann als Erfolg gewertet werden. Der Preis dafür war hoch: Der Begriff »Rohingya« blieb auf der Konferenz ausgespart.

Die nationale Minderheit der Rohingya macht einen großen Teil der Bootsflüchtlinge in Südostasien aus. Rund 1,3 Millionen Menschen werden der muslimischen Gruppe zugerechnet. Sie siedeln seit 150 Jahren im heutigen Myanmar, doch werden ihnen bis heute die Bürgerrechte verweigert, weswegen sie als als staatenlos gelten.

Kritik an der Haltung Myanmars äußerte der stellvertretende UN-Flüchtlingskommissar, Volker Türk. Er monierte, dass nicht über das Problem beraten werde könne, wenn nicht über die Verfolgung der Rohingya als wichtigster Fluchtgrund gesprochen werde.

»Myanmar muss die volle Verantwortung für all seine Einwohner übernehmen. Ihnen Bürgerrechte zu gewähren, sollte dabei das Ziel sein«, erklärte Türk. Htin Linn wies die Kritik zurück: »Sie können nicht mein Land allein bei dieser Frage illegaler Migration per Boot herausgreifen«, entgegnete er den Delegierten der UN, denen er vorwarf, »uninformiert« zu sein.

Thailands Außenminister und Vizepremier General Tanasak Patimapragorn sprach sich dafür aus, die Fluchtursachen zu betrachten. Er nutzte die Gelegenheit und kündigte an, Thailand werde der US-Luftwaffe sein Territorium für Operationen zur Verfügung stellen. Vordergründig soll es darum gehen, die Boote aufzuspüren. Bislang starten die US-Flugzeuge von Malaysia aus. Geschätzt wird, dass sich noch immer zwischen 2.500 und 3.900 Flüchtlinge auf hoher See befinden.

Seit 2012 sollen laut einem am Dienstag in Bangkok vorgestellten Bericht der Organisation Arakan Project über 153.000 Menschen aus Bangladesch und Myanmar geflohen sein. Die meisten wollten über Thailand nach Malaysia oder Indonesien. Die drei Staaten drängen nun darauf, keine weiteren Vertriebenen mehr aufzunehmen.

Mit der Entdeckung von Massengräbern in Südthailand Anfang Mai erhielt das Thema internationale Beachtung. Im zurückliegenden Monat konnten 3.500 Bootsflüchtlinge gerettet werden. Teilweise trieben sie bereits wochenlang auf dem Meer. Mehrfach wurden sie von den Küstenwachen der Anrainerstaaten zwar mit Vorräten versorgt, doch anschließend erneut zurück auf hohe See geschickt.

Über die Zustände in den Aufnahmelagern im thailändisch-malaysischen Grenzgebiet berichtete am Montag abend die malaysische Nachrichtenagentur Bernama unter Berufung auf Überlebende. Flüchtlingsfrauen der Minderheit der Rohingya sollen Opfer von Gruppenvergewaltigungen geworden sein. Augenzeugen erklärten, dass sie in einem Lager in Thailand beobachtet hatten, wie junge Frauen nachts von den Wachmännern an einen geheimen Ort gebracht und dort vergewaltigt worden sind. Berichte über ähnliche Verbrechen gebe es laut der Nachrichtenagentur AFP auch über nahegelegene Lager auf der malaysischen Seite der Grenze.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 03. Juni 2015


Zurück zur Seite "Migration, Flucht, Asyl"

Zur Seite "Migration, Flucht, Asyl" (Beiträge vor 2014)

Zur Asien-Seite

Zur Asien-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage