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Iglesias und "grummelnder Zwerg"

Podemos hält nichts von einer Wahlfront mit Vereinter Linker und "Ahora en Común"

Von Ralf Streck, San Sebastián *

»Ahora en Común« macht in Spanien unter Führung der Vereinten Linken nun Druck auf Podemos, um gemeinsam den Konservativen die Macht zu nehmen.

In Spanien wird die Lage vor den Parlamentswahlen verworrener. Neben der Empörten-Partei »Podemos« (Wir können es) hat sich am späten Freitag in Madrid die Plattform »Ahora en Común« (Jetzt gemeinsam) gebildet. Die Initiative geht auch von der Vereinten Linken (IU) aus, doch ebenso die grüne Partei »Equo« und einzelne Podemos-Aktivisten glauben, dass nur die Vereinigung der Linken eine Chance bietet, im Herbst der griechischen SYRIZA zu folgen und stärkste Kraft im Land zu werden.

Der Name der Veranstaltung war Programm: »Kannst du dir alle gemeinsam vorstellen? Auf dem Weg zur Volkseinheit«. Der designierte IU-Chef Alberto Garzón bestritt, dass die IU hinter dem Vorgang steckt. »Wir haben hat mit dem Aufruf nichts zu tun«, sagte er. Da er die zentrale Figur der Vorstellung war, nehmen ihm das nur wenige ab. Er versuche nur für eine gemeinsame Kandidatur zu werben, wie sie in Madrid, Barcelona, Saragossa oder Santiago de Compostela bei den Kommunalwahlen im Mai erfolgreich waren. Dort konnten »Bürgerkandidaturen« unter der Führung von Persönlichkeiten der Empörten-Bewegung die Macht übernehmen.

So setzt sich der Name aus den Namen der Aushängeschilder »Ahora Madrid« und »Barcelona en Común« zusammen. »Das ist keine Initiative gegen Podemos«, sagte Garzón. Es gehe um die soziale Ordnung. »Die steht über allem, über Namen und Parteiabzeichen.« Das klingt einleuchtend, doch die Sache hat bei näherer Betrachtung einen Haken. Die IU spielte in diesen Kandidaturen meist nur eine marginale Rolle. In Madrid wurde Ahora Madrid von der lokalen IU-Führung aktiv bekämpft. Das führte zu Spaltungen. Zwei von der Basis gewählte Kandidaten für die Regionalparlamentswahlen traten aus, weil sie von Lokalfürsten für ihren Vereinigungskurs mit Podemos gemobbt wurden.

Podemos-Generalsekretär Pablo Iglesias lehnt ein Bündnis ab. Er hatte schon das Angebot der IU für ein Zusammengehen schroff abgewiesen. Er will sich nicht mit dem Apparat einer Partei herumschlagen, die zudem so schwach ist, dass sie aus vielen Regional- und Stadtparlamenten geflogen ist. Er setzt auf eine Vereinigung an der Basis. Er bot Garzón und den IU-Mitgliedern an, die nicht nur »im eigenen Saft mit roten Sternen schmoren« wollen, sich auf den Podemos-Listen zu bewerben und von den Sympathisanten als Kandidaten basisdemokratisch bestätigen zu lassen.

Podemos lehnt die »Linksfront« ab, will über die traditionelle linke Wählerschaft hinaus wählbar sein. Nur so sei ein Wahlsieg möglich. Wenig diplomatisch sprach Iglesias am Samstag nach der Vorstellung von Ahora en Común von »Erpressung«, der er nicht nachgeben werde. »Wir sind kein Rettungsring für niemand.« Dass er die IU meinte, war klar. Er nannte die zerstrittene und gespaltene Partei einen »grummelnden Zwerg«. Es könne nicht um die Rettung der »alten Linken gehen, sondern darum, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen«. Dabei habe die IU versagt, die bisweilen sogar die rechte Volkspartei (PP) unterstützt hat.

Wichtig war für Iglesias, dass auch der Podemos-Führer und interne Kritiker Pablo Echenique allein Podemos »für das beste Werkzeug für einen politischen Wandel« hält. Der hat in Aragon mehr als 20 Prozent bei den Regionalwahlen geholt. Podemos sei »der beste Ort für Aktivisten und für eine Veränderung der Gesellschaft«. Er wandte sich auch an Podemos-Aktivisten, die neben einigen Führungspersonen der Bürgerkandidaturen auch Ahora en Común befürworten, wie der Abgeordnete im Madrider Regionalparlament Isidro López oder lokale Führungsmitglieder aus Madrid wie Diego Pacheco oder Luis Alegre. Dass der Wunsch nach einer breiten Front groß ist, hat mit der Analyse der Wahlen im Mai zu tun. Da Podemos und IU bei den Wahlen zum Regionalparlament gegeneinander antraten und die IU aus dem Parlament flog, war die Rechte im Vorteil. Mit Hilfe der neuen rechten »Ciudadanos« (Bürger) gelang es der PP, die Hauptstadtregion zu halten und damit eine der wenigen Regionen, wo sie noch regieren kann. Ein Bündnis mit der IU hätte das verhindert. Viele befürchten, dies könne sich auf nationaler Ebene wiederholen, weshalb sie für Ahora en Común werben.

* Aus: neues deutschland, Montag, 13. Juli 2015


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