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Widersprüche werden deutlich

Das Fortbestehen von UN-Strafmaßnahmen löst Verärgerung im Iran aus

Von Knut Mellenthin *

Der UN-Sicherheitsrat (UNSC) hat am Montag einstimmig eine Resolution verabschiedet, die dazu beitragen soll, den Streit um das iranische Atomprogramm zu beenden. Durch die unter der Nummer 2231 laufende Resolution werden alle früheren UNSC-Beschlüsse zu diesem Thema – insgesamt sieben, von denen vier mit Sanktionen verbunden waren – aufgehoben und ersetzt.

Resolution 2231 soll jedoch erst in Kraft treten, wenn die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) offiziell bestätigt, dass Iran allen Verpflichtungen nachgekommen ist, die sich aus dem am 14. Juli in Wien vereinbarten Abkommen mit der sogenannten Sechsergruppe ergeben. Das kann nach vorherrschenden Schätzungen bis zu sechs Monate dauern. Insbesondere geht es dabei um die iranische Zusage, rund 15.000 für die Anreicherung von Uran benötigte Gaszentrifugen abzubauen und unter Kontrolle der IAEA einzulagern.

Den Wiener Vereinbarungen zufolge soll Iran seine ohnehin geringe Anreicherungskapazität für die Dauer der nächsten zehn Jahre auf ein Drittel reduzieren. In dieser Zeit dürfen ausschließlich Zentrifugen eines aus den 1970er Jahren stammenden, ineffektiven und störanfälligen Modells verwendet werden. Iran darf die Anreicherung nur noch in der Anlage in Natanz betreiben. Die Anreicherung in Fordo, der Komlex liegt in Bunkern tief unterhalb eines Bergmassivs und ist daher militärisch schwer anzugreifen, muss für die Dauer von 15 Jahren eingestellt werden. Darüber hinaus darf sich dort in dieser Zeit generell kein nukleares Material befinden.

Einige vom UNSC verhängte Sanktionen fallen auch künftig nicht ganz fort, sondern wurden in die neue Resolution 2231 integriert. Allerdings wurde ihr Inhalt zum Teil abgeschwächt. So soll das im Juni 2010 ausgesprochene totale Waffenembargo gegen die Islamische Republik noch fünf Jahre weiterbestehen. Der Sicherheitsrat kann aber Ausnahmen gestatten. Ebenfalls noch fünf Jahre soll das Einfuhrverbot für iranische Waffen gelten. Die 2010 beschlossene Auflage, die Irans Arbeit an der Entwicklung ballistischer Raketen einschränkt, soll sogar acht Jahre in Kraft bleiben. Allerdings wurde am Wortlaut eine möglicherweise wichtige Veränderung vorgenommen: Bisher war Iran jede Aktivität in Zusammenhang mit ballistischen Raketen verboten, »die in der Lage sind, Atomwaffen zu transportieren«. In der Resolution 2231 heißt es statt dessen nur noch, die Raketen müssten eigens zu dem Zweck konstruiert sein, Nuklearköpfe zu tragen, was selbst dann, wenn es zuträfe, kaum zu beweisen wäre.

Die Regierung in Teheran hat in einer drei Seiten langen Stellungnahme, die kurz nach Verabschiedung der Resolution 2231 veröffentlicht wurde, ausdrücklich alle dort enthaltenen Beschränkungen abgelehnt. Iran lasse sich hinsichtlich seiner Selbstverteidigung keine Vorschriften machen, heißt es dort. Und weiter: Die Bestimmungen des UNSC-Beschlusses seien nicht Teil der Wiener Vereinbarungen. Das ist zweifelsfrei richtig und ist dort ausdrücklich festgeschrieben. Folglich, so die iranische Position, stelle das Nichtbefolgen der neuen UNSC-Restriktionen keinen Verstoß gegen die Vereinbarungen dar.

Ein potentieller Sprengsatz in der Resolution 2231 ist die »Snapback«-Klausel: Letztlich bedeutet sie, dass jedes der fünf ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieder – China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA – durch eine Beschwerde über angebliche Verstöße Irans gegen das Wiener Abkommen die Reaktivierung sämtlicher alter UN-Sanktionen erzwingen kann. Zwar ist eine Vermittlungszeit von 60 Tagen vorgeschrieben. Nach deren erfolglosem Ablauf würden aber alle Sanktionen automatisch wieder in Kraft treten. In den Wiener Vereinbarungen ist Irans Ankündigung festgehalten, dass es sich in einem solchen Fall ganz oder teilweise nicht mehr an seine Verpflichtungen aus dem Abkommen gebunden fühlen würde.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 22. Juli 2015


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