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Tsipras holt neue Minister in sein Kabinett

Vertreter des linken SYRIZA-Flügels verlieren ihre Ämter: Lafazanis und Stratoulis müssen gehen / Regierungssprecherin wird Olga Gerovasili *

Berlin. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat bei einer Regierungsumbildung Vertreter des linken Flügels seiner Partei aus ihren Ämtern entlassen. In den Medien wurden die Politiker, die sich in der Woche bei der Abstimmung über das umstrittene Gläubiger-Paket gegen den SYRIZA-Chef gestellt hatten, als »rebellische Abweichler« und »linke Rebellen« bezeichnet - zuvor war die Linke Plattform von SYRIZA in denselben Medien mit weniger wohlwollenden Worten bedacht worden. Die Entlassenen »werden durch enge Mitarbeiter und Vertraute des Regierungschefs ersetzt«, hieß es in einer Nachrichtenagentur.

Energie- und Umweltminister Panagiotis Lafazanis, einer der führenden Vertreter der Linken Plattform wird durch Arbeitsminister Panos Skourletis ersetzt. Der wurde in deutschen Nachrichtenagenturen als »Tsipras' Mitarbeiter« bezeichnet, ist aber seit Ende Januar breites Kabinettsmitglied. Der bisherige Vizeminister für Verwaltungsreformen, Giorgos Katrougalos, übernimmt das Arbeitsressort.

Ebenfalls ihre Ämter haben Vize-Arbeitsminister Dimitris Stratoulis und der stellvertretende Verteidigungsminister Costas Isichos verloren. Sie gehörten zu den 32 SYRIZA-Abgeordneten, die in der Nacht zum Donnerstag im griechischen Parlament gegen das von den Gläubigern verlangte erste Gesetzespaket gestimmt hatten.

Auf Stratoulis folgt überraschend Pavlos Haikalis, ein Schauspieler, der Abgeordneter der nationalistischen ANEL ist und keine Verwaltungserfahrung besitzt. Seine Kompetenzen ließ er sich indes nicht absprechen: »Ich war drei Jahre lang Parteisprecher für soziale Sicherheit«, sagte er. »Ich übernehme eine sehr heiße Kartoffel, ich muss sie mit Liebe behandeln und abkühlen, wenn ich kann.«

Das Amt der stellvertretenden Finanzministerin Nadia Valavani, die bereits in der Woche zurückgetreten war, übernimmt Tryfon Alexiadis, der eine hohe Position in der Gewerkschaft der Steuerbeamten innehat. Die Position von Katrougalos erhält Christoforos Vernardakis, ein Politikwissenschaftler.

Premier Tsipras wird künftig auch mit einem anderen Sprecher zusammenarbeiten: Der bisherige Regierungssprecher Gavriil Sakellaridis wird einer der Sprecher der SYRIZA-Fraktion, ihm folgt die Abgeordnete Olga Gerovasili. Das neue Kabinett wird am Samstag vereidigt. Die zentralen Figuren der Regierung bleiben im Amt, darunter Finanzminister Efklidis Tsakalotos und Außenminister Nikos Kotzias.

Offenbar steht nun auch fest, dass ein Misstrauensantrag gegen Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou gestellt wird – kommt dieser durch, könnte der derzeitige Innenminister Nikos Voutsis das Amt übernehmen.

* Aus: neues deutschland, Samstag 18. Juli 2015


Verwundende Einigung

SYRIZA übersteht die Zerreißprobe vorerst

Von Anke Stefan, Athen **


Die Einigung mit den Euro-Partnern von Montag stellt die große Regierungspartei SYRIZA auf eine harte Probe. Drei von vier Kabinettsmitgliedern, die mit Nein stimmten, bleiben vorläufig weiter im Amt.

Alexis Tsipras verliert die Geduld. Die Entscheidung von 32 parteieigenen Parlamentariern, am Mittwoch gegen die Gläubigervereinbarung zu stimmen, sei unsolidarisch und bedeute, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Sie »erzeugt eine offene Wunde« in der Partei, erklärte der griechische Ministerpräsident am Donnerstagabend in einer mehrstündigen Sitzung mit Vertrauten in Partei und Fraktion. Er sei nun gezwungen, »bis zur Erfüllung der Vereinbarung mit einer Minderheitsregierung weiterzuarbeiten«, fügte Tsipras hinzu. Das neue Memorandum war am Mittwoch zwar mit einer breiten Mehrheit von 229 der 300 griechischen Abgeordneten verabschiedet worden. Nur 123 der Ja-Stimmen stammten jedoch aus den Reihen der Koalitionsparteien SYRIZA und ANEL.

Drei der vier Kabinettsmitglieder, die mit Nein stimmten, blieben jedoch auch am Freitag vorläufig weiter im Amt. Die Minister für Energie, Umwelt und wirtschaftlichen Wiederaufbau, Panagiotis Lafazanis, für Soziales, Dimitris Stratoulis und der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Kostas Isychos, gehören wie die bereits zurückgetretene Vizefinanzministerin Nadja Valavani der Linken Plattform innerhalb von SYRIZA an, aus deren Reihen fast alle Gegenstimmen kamen. Auch der bereits vor der Abstimmung zurückgetretene Nikos Hountis ist Mitglied des Flügels. Er wird allerdings den aus Altersgründen ausscheidenden Abgeordneten im Europaparlament Manolis Glezos ersetzen. Die erwartete Regierungsumbildung ließ bis Redaktionsschluss auf sich warten.

Gleichzeitig aber verstärkten sich die Anzeichen dafür, dass SYRIZA auch im Fall einer erfolgreichen Regierungsumbildung nicht an einer Spaltung innerhalb der Partei vorbeikommen wird. Das Tischtuch innerhalb der Fraktion sei zerschnitten, erklärte der zum Tsipras-Lager zählende Dimitris Papadimoulis am Donnerstagabend. Die Partei könne sich nicht gleichzeitig zum Euro bekennen und für die Drachme werben, setzte der Vizepräsident des EU-Parlaments hinzu. Gleichzeitig sprach sich Papadimoulis gegen bereits kursierende Neuwahlszenarien aus. »Wenn wir wollen, dass sich die Dinge ändern, dann muss diese Regierung bleiben. Denn Tsipras, die Regierung, die angeschlagene Partei SYRIZA sind die Säulen der Stabilität.« Nur einen Tag später legte der international angesehene Europaabgeordnete nach: Vorrang hätten nun erst einmal »die Erfüllung der Vereinbarung und das Verschwinden des Begriffs Grexit aus dem europäischen Diskurs«. Danach, so Papadimoulis, sei es Aufgabe des Ministerpräsidenten zu entscheiden, wann Neuwahlen stattfinden sollten.

Seine Kollegin im Europaparlament, Sofia Sakorafa, war anderer Meinung. Die Vereinbarung sei »eine strategische Niederlage der ersten Linksregierung«, sagte Sakorafa. Sie war 2010 wegen Ablehnung des ersten Gläubigermemorandums aus der PASOK ausgeschlossen worden und hatte sich später der heutigen Regierungspartei angeschlossen. Sakorafa gab sich überzeugt, dass das Programm »nicht aufgeht«, sondern auf »eine neue Erpressung herauslaufen wird«. Deswegen forderte sie Tsipras auf, sofort einen Plan zu entwickeln, der davor schützt.

Spekulationen über die Abspaltung der Linken Plattform wurden aus den Reihen der Widerspenstigen zurückgewiesen. »Wir werden unsere Sitze nicht abgeben«, erklärte der SYRIZA-Abgeordnete Thanassis Petrakos im griechischen Fernsehen. Im Fall von Neuwahlen gehörten seiner Ansicht nach die Namen aller Abgeordneten, die mit Nein gestimmt oder sich enthalten haben, erneut auf die Kandidatenliste. »Wir unterstützen die Regierung, aber wir fordern eine Änderung der Strategie«, so Petrakos.

Überschattet wurden die Debatten von den bislang schlimmsten Bränden dieses Sommers. Den Flammen auf dem Peleponnes, aber auch an den Hängen nahe Athen waren bis zum frühen Nachmittag Hunderte Hektar Naturlandschaft zum Opfer gefallen. Mehrere Dörfer mussten evakuiert werden.

** Aus: neues deutschland, Samstag 18. Juli 2015


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